27 Stationen

Auf meiner Tour bin ich an allen 27 Stationen der Ringbahn ausgestiegen und habe mich umgesehen. Es folgen meine Beobachtungen, Gefühle und Gedanken. Lassen Sie sich mitnehmen.

 

WESTEND

Nach dem ich mich aus der warmen Wohnung auf den Weg zu meiner Tour gemacht hatte, laufe ich nun die wenigen Meter zum S-Bahnhof Westend. Die altbekannten Mauern und dreckigen Scheiben kommen mir vertraut vor. In der Eingangshalle sitzt ein Mann auf dem Boden und spielt Gitarre. Tauben fliegen durch die hohe offene Halle und ich habe Angst, dass mir auf der Rolltreppe zum Bahnsteig eine gegen den Kopf fliegt. Unten am Bahnsteig angekommen sehe ich mich um. Kaum etwas los. Ein Mann schaut in den Mülleimer und fischt eine Pfandflasche heraus. Die Nachmittagssonne scheint warm auf meine FFP2 Maske. Ich kaufe mir noch ein Ticket in der App und entscheide mich für dafür, Richtung Norden, also im Uhrzeigersinn zu fahren. Ich schaue auf die Uhr – 15:23 Uhr

 

 

 

JUNGFERNHEIDE

Ich steige aus der Bahn aus, nach nur wenigen Minuten Fahrzeit. Mir fällt auf, dass ich, obwohl es ja ganz um die Ecke ist, noch nie hier ausgestiegen bin. Der Bahngleis ist relativ leer und nicht überdacht. Er ist auch nicht besonders schön gestaltet. Relativ langweilig würde ich sagen. Die nächste Bahn kommt in 4 Minuten. Nach dem die wenigen Menschen, die mit mir ausgestiegen sind, den Bahnsteig verlassen haben, ist kaum noch jemand zusehen. Ich setze mich auf eine der Gitterbänke und warte. Schon jetzt Zweifel ich meine Methode an und überlege wie lange ich wohl mit dieser Vorgehensweise brauchen würde. Auf jeden Fall ne ganze Weile. Zum Glück scheint die Sonne. Eine Frau mit einem E-Scooter fährt an mir vorbei. Die wenigen Menschen die langsam auf den Bahnhof kommen schauen auf ihr Handy. Alle sind alleine Unterwegs. Es ist 15:30 Uhr.

 

BEUSSELSTRAßE

Der Bahnhof ist auch nicht besonders voll. Ein Mann, ein paar Meter von mir entfernt, schaut auf sein Handy. Eine Frau sucht in den Mülleimern nach Pfandflaschen. Eine Frau sitzt auf einer Bank und beißt von ihrem Döner ab. Ein älterer Herr kommt die Treppen herunter und zieht ein Ticket am Automaten. Leise flüstert er vor sich hin. Beim entwerten der Fahrkarte bedankt er sich hörbar bei dem Gerät. Ein Wolt-Lieferant schiebt sein Fahrrad an mir vorbei. Der nächste Zug fährt um 15:40 Uhr in den Bahnhof ein.

 

WESTHAFEN

Auch hier bin ich vorher noch nicht gewesen. Rundherum Industrie und der Westhafen. Container und große, alte Fabrik- oder Lagerhallen. Der Wind pfeift und macht es mir schwer mein Notizbuch zu öffnen. An einer Wand hängt ein großes Antifa Plakat. Ein paar Meter weiter sieht man die Vattenfall Anlage. Skurril. Zwei Freundinnen quatschen leise. Der Bahnsteig füllt sich langsam. Zwei Männer neben mir unterhalten sich über die Schwierigkeiten einen Deutschen Pass zu erhalten. Ein Mann mit einem kleinen Hund stellt sich neben mich. Mittlerweile ist es 15:48 Uhr.

 

WEDDING

Es ist 16:05 Uhr. Diesen Bahnhof kenne ich gut. Vor ein paar Tagen erst war ich hier auf einer Demo. Jetzt ist er vergleichsweise leer. Die BAYAR Fabrik als Wiedererkennungsmerkmal. Ein Mann spricht laut in sein Telefon, in einer mir unbekannten Sprache. Eine Bierflasche steht neben dem Mülleimer. Eine Frau und ein Mann gehen an mir vorbei. Sie hält inne, schaut ihn an und sagt : „ Du bist wunderschön.“ Er lächelt.

 

GESUNDBRUNNEN

Hier öffnet die Tür um 16:04 Uhr auf der anderen Seite. Unwissende sind verwirrt. Es ist voll. Gesundbrunnen ist der Nordbahnhof, ein großer Umsteige Bahnhof. Die Ringbahnen fahren hier nicht direkt gegenüber. Eine Familie steht am Snackautomaten und zieht eine Cola. Viele Menschen tragen Anzüge. Ein Mann trinkt aus einem McDonalds-Becher und ein anderer spricht mit sich selbst. Viele Menschen Essen, Rauchen oder schauen auf ihr Handy. Einige haben es eilig.

 

SCHÖNHAUSER ALLEE

Auch hier ist es voll. Ein Kind fährt mit einem Cityroller über den Bahnsteig. Viele der Menschen haben Einkaufstüten dabei. Ein Mann hat einen großen Computerdisplay in einer Alditüte. Ein Hund schaut seinem Herrchen beim Essen zu. Zwei kleine Kinder in knall-pinken Schneeanzügen spielen miteinander. Zwei Frauen schieben ihre Rollkoffer über den Steinboden. An den Wänden ist die Geschichte des Bahnhof zu sehen. Hier war ich selten unter der Woche. Am Wochenende ist hier mehr los und die Menschen sind ausgelassener. Langsam wird es kälter, es ist 16:10 Uhr.

 

PRENZLAUER ALLEE

Ich sehe einen Mann aus einem Kaffeebecher trinken, ein anderer öffnet einen kurzen.  Die Werbetafeln undunter der Brücke ziehen meine Aufmerksamkeit auf sich. Zwei Kinder schauen gemeinsam auf ein Handy und lachen. Ein Mitarbeiter der DB fegt. Eine Frau tanzt hin und her, auf den zweiten Blick sehe ich ihre Kopfhörer. Der Anblick lässt mich lächeln. Ein älteres Pärchen hält Händchen und ein Mann trägt angestrengt ein Cello auf dem Rücken.

 

GREIFSWALDER STRAßE

Es ist sehr ruhig. Ein Mann streckt seinen Kopf mit geschlossenen Augen der Sonne entgegen. Einige Vögel sitzen und fliegen umher. Zwei Männer begrüßen einen dritten mit den Worten: „Die Fahrkarten bitte.“ Alle lachen laut und beginnen sich dann in einer anderen Sprache zu unterhalten. Die Zeit vergeht nur langsam, es ist 16:22 Uhr.

 

LANDSBERGER ALLEE

Der Bahnsteig ist voll. Ein Wolt-Fahrer, zwei Frauen mit Kinderwägen und eine DB Reinigungskraft kreuzen meinen Weg. Ein Vater mit seinem kleinen Kind warten auf die Bahn. Als die Bahn einfährt öffnet sich die Tür automatisch und das Kind beginnt zu weinen. „Ich wollte doch den Knopf drücken!“ beschwert es sich bei dem Vater. Sie steigen ein und er erklärt, dass die Türen automatisch öffnen. Ein Schulkind liegt mit einem Fahrradhelm auf dem Kopf, auf einer der Bänke am Gleis. Ich höre Gemurmel und verschiedene Sprachen.

 

 

 

 

 

 

STORKOWER STRAßE

Dieser Bahnhof ist gesäumt von Plattenbauten und einem alten Fußgängerüberweg. Er ist nicht so voll. Eine zerbrochene Vodkaflasche liegt auf dem Boden und es riecht nach Marihuana. Ein Mann fährt auf seinem Fahrrad auf dem Bahnsteig hin und her. Die vielen Tauben fliegen tief. Es kommt mir Trist vor. Um 16:40 fahre ich weiter.

 

FRANKFURTER ALLEE

Zwei Frauen auf der Bank neben der ich stehe unterhalten sich in einer mir unbekannten Sprache und tauschen Dokumente aus. Im Hintergrund ist laute Musik zu hören die von angrenzenden Wohnungen herüber schallt. Ein Mann schreit in sein Telefon.

 

     

OSTKREUZ

Das Ostkreuz ist ein großer Umsteigebahnhof. Hier ist wie immer viel los. Die Menschen eilen mit Koffern oder trinken entspannt einen Kaffee. Verschiedene Sprachen, Durchsagen und Hundegebell liegt in der Luft. Ein Junge trinkt V+ und in der Mitte der großen Halle patrouillieren diverse Polizist:innen. Eine Frau mit einem großen Blumenstrauß in der Hand geht an mir vorbei. Eine andere bemüht sich einen breiten Zwillings-Kinderwagen durch die Menschenmassen zu schieben. Es ist Windgeschütz und die Sonne steht tief.

 

 

TREPTOWER PARK

Auch an dieser Haltestelle ist viel los, auch wenn sie weitaus kleiner ist als das Ostkreuz. Eine Frau auf einer Bank ist eine Pizza, der CUCCIS Stand ist gut besucht und eine andere Frau sammelt Pfandflaschen aus den Mülleimern. Mitlerweile ist es fast 17:00 Uhr und ich habe noch eine Menge vor mir.

 

SONNENALLEE

Ein Paar mit großen Koffern im Schlepptau streitet sich lautstark. Eine Frau mit einem Kopftuch schreit in ihr Handy. Es ist laut. Ein Mann von der DB-Reinigung leert die Mülltonnen. Ein Pärchen wartet gemeinsam auf die Bahn und necken sich immerzu.

 

NEUKÖLLN

Es ist voll, dreckig und laut. Drei Männer mit Bier in der Hand grölen laut in einer anderen Sprache. Ein anderer Mann fragt nach ihren Bierflaschen – die sind aber noch voll. Ein Mann mit einem Hund ohne leine verkauft die Straßenzeitung. Es riecht nach Bier und Zigaretten. Und es wird immer kälter.

 

HERMANNSTRAßE

Der CUCCI-Stand ist verlassen, eine Gruppe junger Menschen hört über eine Box laut Musik. Daneben steht eine Gruppe älterer Männer in Warnwesten. Der nächste Zug verspätet sich – ertönt die Durchsage. Es ist bereits 17:20 Uhr. Eine Frau neben mir hat einen Videocall mit ihrem Handy.

 

TEMPELHOF

Eine ältere Dame sitzt auf einer der Bänke und liest. Eine andere Frau trägt einen großen Blumenstrauß in den Armen. Es ist sehr leise und nicht viel los. Ein Mann in Soldatenuniform schaut auf sein Handy. Ein junge mit einer sehr großen Sporttasche wartet neben mir auf die nächste Bahn. Ich denke an die zahlreichen Sonnenuntergänge auf dem Tempelhoferfeld – Sommer wäre bitter nötig. Die Bahn kommt.

 

SÜDKREUZ

Der Bahnhof ist sehr groß. Ein zentraler Umsteige Bahnhof. Dafür ist relativ wenig los. In der Mitte des Bahnhofs, zwischen den Läden, stehen einige Menschen mit Ukraine-Flaggen und Warnwesten. Sie gehören zu einer Hilfsorganisation und bieten Unterstützung für Geflüchtet an. Eine ältere Damen ist sehr schick angezogen und telefoniert leise neben mir. Ein Zug hält an, die durchsage lautet: „Bitte alle aussteigen, der Zug endet hier.“ Die wenigen Fahrgäste steigen aus. Durch das Fenster sieht man einen Mann der an der Scheibe lehnt und schläft. Ein Herr klopf von außen gegen die Scheibe, aber zu spät. Der Zug fährt bereits weiter. Erschrocken schaut der Mann aus dem Zug nach draußen und zuckt mit den Schultern. Wo er wohl landet? Meine Bahn fährt ein. Es ist 17:36 Uhr.

 

 

 

 

 

SCHÖNEBERG

Der Bahnhof ist überdacht, der Wind ist kaum zu merken. An den Wänden sind Meeresmotive. Es ist nicht viel los, eine ältere Frau hustet in ihr Taschentuch. In die Bahn gegenüber steigt ein Motz-Verkäufer ein.

 

INSBRUCKERPLATZ

Es ist niemand zusehen. Dann tauchen zwei junge Mädchen auf und drehen vor der Kulisse des Sonnenuntergangs ein Tic-Toc Video. Sie lachen und tanzen. Es wird immer kälter. Gleich ist die Sonne weg – 17:52 Uhr.

 

BUNDESPLATZ

Eine Familie mit zwei Kindern geht an mir vorbei. Eine Frau mit Walking-Stöcken läuft den Bahnsteig auf und ab. Ansonsten ist nicht viel los. Jetzt ist es schon nach 18 Uhr.

 

HEIDELBERGERPLATZ

Es ist leer. Nichts zu sehen.

 

HOHENZEOLLERDAMM

Es ist wieder leer. Meine Motivation wird immer weniger. Was soll man hier schon beobachten.

 

HALENSEE

Es ist etwas voller, zuminedest kurz bevor die Bahn kommt. Viele Menschen mit Einkaufstüten laufen über den Bahnsteig. Sie kommen vielleicht vom Ku’damm. Drei Männer, vermutlich Wohnungslos, diskutieren über den optimalen Sitzplatz. Faktoren sind: Überdachung, Wind, Gemütlichkeit. Sie können sich nicht einigen. Es ist kalt und zieht. Um 18:20 Uhr nehme ich die nächste Bahn

 

WESTKREUZ

Ein großer Umsteigebahnhof, aber im Vergleich zu den anderen eher schlecht ausgestattet. Es ist kaum was los. Ein paar wenige Leute, die mit mir ausgestiegen sind, rennen zur Treppe um den Anschluss zu erreichen. Durch die großen Industriefenster sieht man die letzten Farben des Sonnenuntergangs.

 

MESSE NORD / ICC

Hier kenn ich mich aus. Es ist leer, ich friere und möchte nach Hause. Ich schaue rüber zum Funkturm. Zwei ältere Frauen überlegen lautstark welche Seite die richtige ist.  Ein Schild weißt auf das Impfzentrum in der Nähe hin. Zwei Jugendliche treten gegen den Snackautomaten. Endlich kommt die Bahn. Es ist 18:31 – gleich bin ich zuhause.

 

 

Falls sie neben meinen Beobachtungen noch ein bisschen mehr über die Stationen und die Umliegenden Bezirke erfahren möchten, lesen sie gerne bei tipBerlin nach!

 

 

 

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