1. Welche Modelle von Behinderung sind Ihnen in Ihrer eigenen Bildungsbiografie und den schulischen Erfahrungen als angehende Lehrkraft begegnet? An welchem Zuweisungspraktiken (z.B. durch Äußerungen) machen Sie das fest? (zum Weiterlesen: Waldschmidt, 2005)

In meinen eigenen Erfahrungen finden sich sowohl Elemente des „sozialen Modells“ wie auch des „individuellen Modells“ nach Waldschmidt wieder (Waldschmidt, 2005, S. 20). Da ich selbst mit einer Sehbehinderung an einer Regelschule beschult wurde, konnte ich diese Modelle durch vor allem institutionelle Zuweisungspraktiken an mir selbst erkennen. Die Klassifizierung von mir als Schüler mit „I-Status“ (Integrationsstatus) legt bereits eine Zuweisungspraktik und Abgrenzung der restlichen Schüler*innengruppe dar und spricht damit auch für eine Identitätsgebung als „Behinderter“ und für das individuelle Model (vgl. Waldschmidt, 2005, S. 14). Ein Teil dieses Programms war es, gesonderte Förderstunden und Maßnahme zu Planen und durchzuführen. Dazu gehörte auch die Bereitstellung spezieller Arbeitsmaterialien (z.B. ein höhenverstellbarer Tisch, eine Leselupe). Diese Maßnahmen legen nahe, dass meine Angleichung an die Normale Gesellschaft im Mittelpunkt stand und damit in der individuellen Behandlungsweise nach Waldschmidt wiederzufinden ist (vgl. Waldschmidt, 2005, S. 14). Trotzdem sind auch Hinweise auf das soziale Modell in meiner Bildungsbiografie erkennbar. Beispielsweise, gab es an meiner Schule ein Programm zur sogenannten „Erlebnispädagogik“ welche durch verschiedene Übungen den Gruppenzusammenhalt stärken sollten. Hierbei war es ein deutlicher Teil des Konzeptes, die ganze Gruppe für die Bedürfnisse einzelner zu sensibilisieren um Aufgaben erfüllen zu können. Eine gleichverteilte Partizipation an den Entscheidungen der Gruppe war die Folge. Diese spielerisch eingeübte Anpassung des Umfeldes findet sich sozialen Modell nach Waldschmidt wieder (vgl. Waldschmidt, 2005, S. 15-16).

 

 

  1. Bitte reflektieren Sie die Erfahrungen mit Exklusion und Inklusion in der Bildungsbiografie der beiden Gäste (Frau Dittmann und Herr Palkowski) vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen:
    Gab es Punkte in meiner Bildungsbiografie, an denen mein Bildungsweg befördert wurde? An denen er begrenzt wurde? Was spielte hierbei eine Rolle? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für mich als angehende Lehrkraft?

Bereits seit meiner Grundschulzeit wurde mein Bildungsweg durch zusätzliche Maßnahmen im Sinne einer Förderung und des Nachteilsausgleiches stark beeinflusst. So kann ich Teile der Erfahrungen von Frau Dittmann Teilen, wenn es darum geht, das einzige Kind in einer Klasse zu sein, welches auf (offensichtliche) Fördermaßnahmen angewiesen ist. Dass dies zu Spannungen innerhalb der Klasse und zu Unverständnis führen kann, kann ich ebenfalls bestätigen. Gerade hier ist es wichtig, als Lehrkraft nicht nur den „medizinischen Aspekt“ der Behinderung zu im Auge zu haben und zu befördern, sondern solchen Spannungen gezielt durch Kommunikation mit Eltern, und Schüler*innen vorbeugen und begegnen zu können. In meinem Fall kann ich als Beispiel anführen, dass als eine Maßnahme zum Nachteilsausgleich eine Zeitzugabe beim Schreiben von Klausuren und auch des Abiturs gewährt wurden. Dies führte zu Unverständnis bei einigen Mitschüler*innen. Daraufhin trat dann das besonnene Handeln einiger meiner Lehrkräfte zu Tage, welche dieses Problem offen kommunizierten und diese Spannung zum Thema eines gelenkten Diskurses innerhalb der Klasse machen konnten. Für mich veranschaulicht diese Tatsache, dass der sensible Dialog und das Gespür für das Gruppenklima innerhalb einer Klasse wichtiger sein können, als das penible Umsetzen eines medizinisch orientierten Nachteilsausgleiches. Als angehende Lehrkraft möchte ich diesem Prinzip unbedingt Rechnung tragen.

 

  1. In der Vorlesung wurde auch die Perspektive von Eltern angesprochen. Bitte schauen Sie sich das Video zum Engagement von Eltern (Gespräch mit Elke Gerdes) an: https://uni-bremen.de/themen/engagement-von-eltern/:
    Welche Meinung haben Sie zum Elternwahlrecht? Was sind Vor- und Nachteile?, Welche Bedeutsamkeit messen Sie der Zusammenarbeit mit Eltern bei und was sind zentrale Gelingensbedingungen? (zum Weiterlesen: Wocken, 2017)

Das Elternwahlrecht, wie es bei Wocken definiert wird, nämlich als Recht der Eltern „zwischen einer inklusiven Unterrichtung an einer allgemeinen Schule und einem Unterricht an einer separierenden Sonder- oder Förderschule frei zu wählen.“ (Wocken, 2017, S. 1) ist in jedem Fall in Teilen zu befürworten. Eltern diesbezüglich teilweise ein Bestimmungsrecht einzuräumen ergibt insofern Sinn, als das Eltern im Regelfall als Bezugsperson am nächsten an ihren Kindern sind und daher auch oft am besten deren Bedürfnisse identifizieren können. Dies gilt auch für Kinder mit gesondertem Förderbedarf, die Regelschulen besuchen und denen sonst der Weg in eine andere Schulform verwehrt wäre. Gleichwohl liegt es aber nahe, dass Eltern auf der anderen Seite Fehleinschätzungen treffen können, was den pädagogischen Aspekt der Beschulung angeht, welcher über die bloßen Bedürfnisse des Kindes hinausgeht. Damit ist klar, dass ein alleiniges Entscheidungsrecht der Eltern außer Frage steht, da Eltern naturgemäß nicht über bestimmte Kompetenzen verfügen, um ein alleiniges Urteil fällen zu können. Dies gilt aber auch für alle anderen beteiligten Personen und Institutionen. Es stellt sich also nicht die Frage ob, sondern inwieweit, Eltern ein Wahlrecht eingeräumt werden sollte. Da viele Instanzen von einem Entscheidungsprozess zu Schulwahl betroffen sind, ergibt es auch hier Sinn, diese Entscheidung auch im Dialog zu fällen. Eine feste Instanz sollte hierbei selbstverständlich auch das Kind selbst sein. So könnte man argumentieren, dass das endgültige Wahlrecht durchaus bei Eltern liegen sollte um ihr Grundrecht auf die Erziehung ihres Kindes nach dem deutschen Grundgesetz zu wahren (vgl. Wocken, 2017, S. 1). Dennoch muss die Entscheidungsfindung so vielseitig wie möglich gestaltet werden, um eine sinnvolle Lösung zu erzielen.

 

 

Verwendete Literatur

Waldschmidt, A. (2005). Disability Studies: individuelle, sozial und/oder kulturelles Modell von Behinderung? In: Psychologie und Gesellschaftskritik, 29 (1), S. 9-31.

Wocken, H. (2017). „Wer andern eine Falle stellt, tappt selbst hinein“ Über die unfreiwillige Demaskierung des Elternwahlrechts durch die „Inklusionsfalle“ (Felten). In: magazin-auswege.de, S. 1-11, URL: https://www.magazin-auswege.de/data/2017/09/Wocken_Elternfalle.pdf (Stand: 18.06.2021).