1. Formulieren Sie basierend auf den Vorlesungsinhalten drei Thesen, die für Sie (!) einen modernen Chemieunterricht für alle ausmachen. Orientieren Sie sich gerne an den Grundannahmen von STL (Scientific and Technological Literacy for All), setzen Sie jedoch eigene Schwerpunkte.
  1. Ziel des Chemieunterrichtes ist es, SuS an die Fähigkeiten der Anwendung und Diskussion von Fachinformationen der Chemie auf gesellschaftlicher, beruflicher und persönlicher Ebene heranzuführen. Das dazu notwendige Fachwissen und dessen Vermittlung ist nicht als Selbstzweck zu betrachten, sondern bildet die Grundlage der übergeordneten Fähigkeit des selbstständigen und reflektierten Umgangs (Marks et al., 2014, S. 285, 288)
  2. Die Gegenstände des Chemieunterrichts müssen zum großen Teil neben dem eigentlichen Fachbezug eine für SuS klar nachvollziehbare Relevanz und Authentizität aufweisen. Daneben sollten sie sich dazu eignen, den formulierten Zielen der Reflexion und Diskussion Rechnung zu tragen, indem sie sowohl Kontroversen aufzeigen, als auch Raum für Meinungsaustausch bieten können (Marks et al., 2014, S. 289, 290).
  3. Die Methoden des Chemieunterrichts orientieren sich neben der Verwendung von konventionellen Lehr- und Anschauungsmethoden maßgeblich an der Arbeit mit digitalen Medien. Dadurch wird sowohl eine Berücksichtigung des Grundsatzes der Anwendbarkeit, als auch der der erforderten Relevanz gewährleistet.

 

  1. Reflektieren Sie auf Basis der Vorlesungsinhalte und des Grundlagentextes, inwieweit chemisches Wissen im Allgemeinen und naturwissenschaftliches Wissen im Speziellen aus Ihrer Sicht als Teil des Allgemeinwissens (im Sinne einer „Scientific Literacy for All“) angesehen werden kann. Beziehen Sie hier auch ihre eigenen Erfahrungen aus dem schulischen Chemieunterricht/Ihrem Alltag ein.

Der Anspruch des Allgemeinwissens im Sinne der Allgemeinbildung lässt sich nach Marks u.a. zweidimensional beschreiben. Der Begriff umfasst die Allgemeinheit zum einen im Sinne der Zielgruppe an die Bildung gerichtet ist, also die Unabhängigkeit von persönlichen Eigenschaften, wie Herkunft, Geschlecht, Alter oder sozialer Status. Auf der anderen Seite meint der Begriff den interdisziplinären Ansatz der der Allgemeinbildung (Marks et al., 2014, S. 286). Da nun auf die Anwendbarkeit bezogen die meisten außerschulischen Problemstellungen multidimensional und interdisziplinärer Natur sind, ergibt es bereits aus dieser Perspektive wenig Sinn, die naturwissenschaftliche und speziell die chemische Bildung auszuschließen. Mit Blick auf den ersten Aspekt scheint der Einbezug der Chemie zur Allgemeinbildung doch deutlich dringender. Ich selbst konnte in meiner eigenen Schulzeit die Erfahrung machen, dass gerade leistungsschwache Schüler von dieser Allgemeinbildung ausgeschlossen wurden und seitens der Lehrkräfte lediglich auf das Bestehen dieser Schüler und nicht auf den Lernerfolg hingearbeitet wurde. Das in diesem Zusammenhang weder von „Wissen“ noch von „Allgemeinheit“ gesprochen werden kann versteht sich von selbst.

 

  1. In einem Interview zur Sinnhaftigkeit des Hinterfragens naturwissenschaftlicher Informationen in sozialen Medien (zum Beispiel naturwissenschaftsbasierter „Fakenews“) sagte eine Lehrkraft: „Es ist blöd zu sagen, aber es ist im Endeffekt eine intellektuelle Grenze für mich; also auch-… oder Lebensumstandsgrenze, wenn die [Anm.: Die Schüler*Innen] einfach in ihrem Lebensumfeld so anders damit umgehen und nur plakative Äußerungen sozusagen verbreiten und nutzen und das auch völlig in Ordnung ist in deren Umfeld, so…, dann werden die da nicht rauskommen. Also das schaffen die dann alle nicht, das geht dann nicht, das ist dann so Kampf gegen Windmühlen.“. Verfassen Sie eine Antwort darauf.

Zunächst ist deutlich, dass viel mit Annahmen und persönlichen Eindrücken argumentiert wird, trotzdem aber eine sehr ablehnende Haltung hervortritt. Dem möchte ich entgegenhalten, dass ich die ständige Weiterbildung und Abstrahierung der eigenen Empfindungen und Wahrnehmungen eine der wichtigsten Eigenschaften des Lehrerberufs sein sollte. Außerdem wird hier viel auf das Fehlverhalten der SuS hinsichtlich der Mediennutzung Bezug genommen. Zum einen ist diese pauschale Annahme des kollektiven Unvermögens höchst problematisch. Sie spricht den SuS jegliches Potenzial der Besserung ab und ist dabei eine Kapitulation vor der eigenen Verantwortung. Auch die Problematiken nur einseitig in Richtung der Schüler zu beleuchten zeigt, dass hier zu wenig über die eigene Rolle als Lehrkraft reflektiert wurde. Zum anderen ist aber auch deutlich, dass die Lehrkraft selbst über wenig Erfahrung im Umgang mit sozialen Medien verfügt und daher auch das positive Potenzial derselben verkennt. Grundsätzlich mögen alle diese Äußerungen wahren Eindrücken entspringen. Die Schlussfolgerungen daraus sollten jedoch überdacht werden. Dass gerade aus dem Umstand der unreflektierten Mediennutzung heraus und der mangelnden Kenntnis der Lehrkraft diese zum Unterrichtsgegenstand gemacht werden sollte liegt auf der Hand. Das auch die Grundannahmen des Misserfolgs in dieser Aussage widerlegt werden können, zeigen erfolgreiche Experimente, welche uns im Rahmen der Vorlesung vorgestellt wurden (Belova, 2021, Folien 48–56).

 

Verwendete Literatur:

Marks, R., Stuckey, M., Belova, N., & Eilks, I. (2014). The Societal Dimension in German  Science Education – From  Tradition towards Selected Cases  and Recent Developments. Eurasia Journal of Mathematics, Science & Technology Education, 10(4), 285–296.

Belova, N. (2021). RV04 – Chemie – Kein Fach für alle? Gesellschaftskritische Ansätze aus der Chemiedidaktik. Präsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Moduls BA-UM-HET im SoSe 2021. Universität Bremen.