Im Laufe meiner Schulzeit lernte ich zwei Sprachen: Englisch und Latein. Der Englischunterricht war für alle SuS verpflichtend, entsprechend spielten genderbezogene Prämissen hier nur eine untergeordnete Rolle. Während Gender bei der Auswahl des Faches also keine große Rolle spielte, war der Unterricht an sich durchaus wie jeder andere Unterricht auch geprägt von gewissen gendersensiblen Stereotypen. Ein Beispiel hierfür wäre die Erwartungshaltung, die Lehrkräfte immer wieder gegenüber SuS hatten und auf subjektiven Gendervorstellungen beruhten. In der 6. Klasse wurde ich, zusätzlich zum Englischunterricht, vor die Wahl zwischen Latein und Französisch gestellt. Auch hier war ich bei der Auswahl persönlich nicht geleitet von sozialem Druck aufgrund von Genderprämissen, sondern vielmehr durch eine konservative Familie. Bei uns hatte schon immer jeder Latein gewählt, also wählte ich auch Latein – genauso meine kleine Schwester. Allerdings konnte ich durchaus im restlichen Jahrgang beobachten, dass insgesamt wesentlich mehr Schülerinnen Französisch und Schüler Latein gewählt hatten. Zusätzlich zu Latein und Französisch hatten SuS auf meiner Schule in der 7. Klasse noch Altgriechisch zu wählen. Zwar habe ich die Möglichkeit diese Sprache zu lernen selbst nicht wahrgenommen, doch recht viele meiner Mitschüler. Ich schreibe an dieser Stelle Mitschüler, da keine Mitschülerin diesen Kurs gewählt hatte und hier sicherlich auch genderspezifische Prämissen ihren Teil beigetragen haben.
Um genderunabhängige Sprachförderung zu ermöglichen, bietet sich ein eher instrumenteller und funktionaler Motivationsansatz an. Nach Gardner und Lambert ermöglicht es Sprache etwa Teil zu haben an einer Zielkultur, in der diese Sprache gesprochen wird. Diese interkulturelle Motivation betrifft alle SuS und entsprechend bietet sie sich an um genderunabhängig zu fördern.
Um eine Sensibilität aufzubauen für genderstereotype Aufgaben oder Materialien in Lehrwerken, ist es wichtig sich immer im Hinterkopf zu behalten, dass alles um uns herum (oder zumindest wie wir es wahrnehmen) sozial konstruiert und organisiert ist. Weshalb auch alle offensichtlich oder subtil gendertypischen Darstellungen und Texten im Schulalltag Ergebnis einer konstruierten Gendervorstellung sind. Versucht man Lehrwerke und andere Materialien im Schulalltag stets kritisch zu hinterfragen, ist man bereits auf einem sehr guten Weg.
Hallo Mark,
Deinen Beitrag habe besonders an einer Stelle mit einem Schmunzeln gelesen, nämlich als du schriebst wie die Wahl Deiner Zweitsprache in der Schulzeit ablief. Bei mir war das ganz ähnlich. Meine älteren Geschwister und mein Vater hatten schon Latein gelernt und redeten auf mich ein, ich solle auch Latein als zweite Sprache wählen. Hier stand ebenfalls die konservative Haltung der Familie im Vordergrund. Da meine Schule ein Mädchengymnasium war, gab es keine gender spezifischen Unterschiede. Allerdings machte ich dann später die Erfahrung als meine Kinder ihre Zweitsprache wählen sollten, dass es sogar Empfehlungen des Schuldirektors vor der versammelten Elternschaft gab, welche Sprachen für Jungen besser geeignet seien als für Mädchen. Latein und Spanisch war die Empfehlung für die Jungen, Französisch für die Mädchen. Es wurde darüber referiert, dass Jungen analytischer denken und eher gut mit Mathematik klarkommen und daher Latein für weniger Sprachbegabte eine bessere Alternative sei.
Sprachen lernen in der Schule bedeutet für viele Schüler und Schülerinnen nur die Überwindung einer weiteren Qualifizierungshürde. Die Motivation die Sprache umzusetzen, kommt oft erst nach der Schule, wenn sie Work und Travel machen möchten. Während sich die Schüler und Schülerinnen zuhaue problemlos Tutorials auf Englisch oder einer anderen Sprache anschauen, um sich Dinge aus ihrem Interessenbereich selbst zu erarbeiten, sitzen sie oft extrem unmotiviert im Sprachunterricht. Lehrwerke und Materialien für den Unterricht kritisch zu hinterfragen empfinde ich auf jeden Fall als einen guten Weg, da stimme ich Dir zu.