Gender-Orientierung in Lehrbüchern

Auf der Suche nach Aufgabenstellungen, die eher Jungs oder eher Mädchen ansprechen, durchblättere ich das Arbeitsbuch „Caminos plus“, welches vom Klett Verlag herausgebracht wurde. Laut Deckblatt soll man mithilfe dieses Buches die Sprachniveaus A1 und A2 in Spanisch erlernen. Doch vergeblich suche ich nach Aufgaben, die ein Geschlecht mehr ansprechen. Die Aufgaben sind neutral gehalten und die Themen so gewählt, dass sie jeden interessieren. Positiv überrascht freue ich mich darüber, dass auch die Darstellung gender-neutral erfolgt ist: Auf dem Deckblatt sind Windmühlen, im Buch finde ich noch Fotos von Hotels und Restaurants und viele kleine Skizzen, zur Anschauung der Aufgaben.

Als Nächstes schaue ich mir ein sehr altes, russisches Büchlein an, in dem Schritt für Schritt, Buchstabe für Buchstabe, das russische Alphabet und die Fähigkeit dieses zu lesen, vermittelt wird. Es nennt sich „Азбука“ und wurde 1990 in der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik veröffentlicht. Mit diesem zerfledderten Buch wurde sogar mir selbst noch ganz früher russisch lesen beigebracht. Da in diesem Buch keine richtigen Aufgabenstellungen in dem Sinne vorkommen, achte ich darauf, ob im Gegensatz zum „Caminos plus“ die Abbildungen gender-orientiert sind oder gar Klischees aufgreifen. Da dieses Buch sehr viele Bilder enthält, werde ich nur einzelne Beispiele hier darstellen.

(1) Seite 63: Während zwei Mädchen mit einigen Puppen spazieren, fahren nebenan ausschließlich Jungen Schlitten.

(2) Seite 115: Drei Kinder: Grischa, Natasha und Mischa, spielen „Schule“ und Mischa tut so als sei er der Lehrer. Er hat vor sich einen Spielzeug-LKW und gibt seinen beiden „Schülern“ Stifte, um offensichtlich den LKW abzumalen. Hinter dem „Lehrer“ liegt ein, wahrscheinlich von ihm stammendes, Bild mit dem gleichen LKW. Grischa zeichnet ebenfalls den gleichen LKW, doch wenn man Natascha anschaut, sitzt sie unsicher mit dem Stift am Kinn da und malt eine Katze.

Verbessern kann man (1), indem man einfach, wie auch oft auf anderen Seiten des Buches, Jungen und Mädchen mixt, sodass auch Jungen mit den Puppen spazieren und Mädchen auch Schlitten fahren. (2) könnte man ebenfalls sehr schnell neutralisieren, indem man anstelle des LKWs einfach z.B. eine Obstschale zeichnen lässt und jeder, ob männlich oder weiblich, diese auch malt.

Grundsätzlich kann ich sagen, dass ich positiv überrascht von dem „Caminos plus“ bin, da es den Spracherwerb neutral gestaltet und nicht besonders auf Mädchen auslegt, obwohl Spracherwerb so oft als eher weibliches Interesse verstanden wird. Das „Азбука“ aus Russland hat zwar einige Abbildungen, die eventuell Klischees aufgreifen mögen, jedoch zieht sich das nicht durch das ganze Buch. Es kommen zum Beispiel auch Texte, in denen es heißt „У Ромы папа и мама – строители.“(Romas Vater und Mutter sind Arbeiter (auf dem Bau)). Mit Bedacht, dass das Buch schon 26 Jahre alt ist, kann man die Gestaltung nicht vorwerfen, da es damals zeitgemäß oder eventuell sogar Vorreiter war.

 

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