2. Sollte Mathematikunterricht weiter an einer alltagsweltlichen Öffnung festhalten?

Alle Schülerinnen und Schüler bringen unterschiedliche Stärken und Schwächen mit in den Unterricht. Diese Heterogenität bringt eine Neu-Strukturierung der Lerninhalte mit sich. Jeder lernt anders und für jeden erscheinen unterschiedliche Ansätze logisch, aus diesem Grund ist es nicht nur bezüglich des Mathematikunterrichts sinnvoll, die meist schwer verständlichen Sachverhalte durch Alltagssituationen zu verdeutlichen. Gerade Basiselemente der naturwissenschaftlichen Fächer sollten für alle SchülerInnen leicht zugänglich sein. Dieser Zugang findet sich individuell und nicht ohne Grund wird im naturwissenschaftlichen Unterricht der Primarstufe auf entdeckendes und forschendes Lernen verwiesen. Diese Vermittlung von Wissen birgt jedoch auch Herausforderungen für die Lehrkräfte, denn wie eingangs erwähnt, benötigt jeder einen individuellen Zugang; bezüglich der Lerninhalte müsste dann evtl. auch zwischen Aufgaben für Jungen und Mädchen unterschieden werden.

Der mathematische Anfangsunterricht lässt sich auf jeden Fall anschaulich durch alltagsbezogene Situationen darstellen und sollte dies auch zu seiner Aufgabe machen. Man lernt Neues am besten, in dem man es auf zuvor gelernte Dinge anwendet. Nun stellt sich aber auch die Frage,inwieweit sich Sachverhalte aus dem Mathematikunterricht der Oberstufe auf Alltagssituationen beziehen lassen und vor Allem ob dies überhaupt sinnvoll ist. Ich kann mich daran erinnern, dass mein Mathelehrer in der Oberstufe oft versucht hat, Probleme und Aufgaben der Mathematik durch Geschehnisse im Alltag zu verdeutlichen. Diesbezüglich konnte ich auch immer folgen, sollte ich nun aber beispielsweise in einer Prüfung alleine eine Aufgabe lösen, hat der Bezug zur Alltagswelt meist keinen hilfreichen Ansatz geboten.

Im Allgemeinen ist es jedoch schon sinnvoll komplexe Sachverhalte mit dem Alltag zu verbinden. Zumindest sollte es immer zuerst über diesen Weg versucht werden. Die Grundschule legt erste wichtige Basis-und Schlüsselkompetenzen, die Voraussetzung für einen schulischen Erfolg auf den weiterführenden Schulen bilden. Aus diesem Grund sollten zumindest in der Grundschule die individuellen Zugänge der SchülerInnen berücksichtigt werden.

In diesem Fallbeispiel wird ein hierarchisches Verhältnis zum Einen zwischen dem Schüler Mirko und der Lehrkraft und zum Anderen zwischen Mirko und seinen Mitschülern dargestellt. Mirko muss an einem isolierten Tisch, fernab von dem Klassengeschehen den Unterricht verbringen und seine Aufgaben lösen. Der Einzeltisch in der Ecke wurde ihm zugewiesen, damit er sich in Ruhe der Aufgabe widmen kann; also ihn niemand ablenkt. Außerdem verhindert so die Lehrkraft, dass Mirko seine Mitschüler nicht stört. Jedoch laufen die MitschülerInnen ständig hinter Mirko vorbei, wodurch Mirko abgelenkt werden könnte und die MitschülerInnen einen guten Blick auf seine Arbeit haben.Prinzipiell finde ich die Maßnahme eines Einzeltisches nicht unbedingt negativ. Oft führt dies wirklich zu einer steigenden Konzentration. Allerdings sollte darauf geachtet werden, dass die SchülerInnen dadurch nicht als Außenseiter positioniert werden.  Durch den Platz am Einzeltisch wird Mirko sowohl das kommunikative Lernen verwehrt als auch eine Position als Außenseiter aufgedrängt. Im weiteren Verlauf merkt Mirko an, dass er Probleme bei einer Aufgabe hat. Statt dem Schüler zu helfen ordnet die Lehrkraft ihm eine andere Aufgabe zu, wodurch ihm das Gefühl gegeben wird, dass er es trotz der Hilfe der Lehrkraft nicht lösen würde. Ein erstes frustierendes Element in diesem Unterricht. Die nächste Aufgabe, die Mirko zugewiesen wird besitzt eine Selbstkontrollfunktion. Doch bevor Mirko sich dieser Aufgabe widmen kann wird er direkt wieder in seinem Wissen und Können heruntergestuft. Die Lehrkraft signalisiert Mirko, dass sie glaubt er könne die Aufgabe nicht ohne Hilfe lösen. Schon wieder werden Mirkos Leistungsniveau unterschätzt bevor er sich beweisen konnte. Als unterstützende Kraft wird ihm dann auch noch eine Mitschülerin zugewiesen, die sich eingangs aber positiv verhält; sie beobachtet Mirko bei der Lösung seiner Aufgabe. Hier entesteht wieder einer Hierarchie. Die Mitschülerin, welche sich wahrscheinlich im gleichen Alter befindet und über das gleiche Wissen wie Mirko verfügt soll ihn kontrollieren. So rutscht die Mitschülerin in die Position der Lehkraft. Nun ist Mirko in den Augen der anderen Klassenmitglieder nicht nur derjenige, der an einem Einzeltisch sitzt sondern auch jemand, der Hilfe von einer Gleichaltrigen benötigt. Nachdem Mirko die Aufgabe eigenständig gelöst hat, erlässt seine Mitschülerin ihn in die nächste Aufgabe(hier wird die Hierarchie wieder deutlich) was die Lehrkraft aber unterbindet, da sie ihm nicht glaubt, dass er die Aufgabe einständig gelöst hat. Er soll die gleiche Aufgabe nochmal wiederholen obwohl sowohl Mirko als auch die Mitschülerin beteuern, dass er diese Aufgabe allein gelöst hat.

Während der gesamten Unterrichtsstunde zeigt die Lehrkraft Misstrauen in Mirkos Fähigkeiten. Bei schwierigen Aufgaben wurde ihm nicht geholfen, sondern direkt eine nächste evtl. leichtere Aufgabe zugeteilt. Die Lehrkraft traut Mirko keinerlei fachliches Wissen oder Können zu. Er wird offensichtlich aus der Klassengemeinschaft ausgeschlossen. Darüber hinaus wird das Selbstvertrauen von Mirko sehr stark beschädigt. Er entwickelt wahrscheinlich nicht nur eine Antipathie gegen die Lehrkraft sondern auch gegen das Fach. Zu beachten ist auch, dass Mirko sich wahrscheinlich in Zukunft nicht mehr trauen wird nachzufragen, was dazu führt,dass ihm evtl wichtige Grundelemente eines Faches fehlen. Darüber hinaus wird ihm eine Position an der untersten Stelle signalisiert. Er steht in der Hierarchie also noch unter seinen Mitschülern. Mirko und auch seine Mitschülerin haben in dieser Stunde wahrscheinlich nichts gelernt. Partnerarbeit, in der es einen starken und schwachen Schüler/Schülerin gibt ist alles Andere als ein schlechter Lernprozess; er muss nur gewinnbringend für beide Seiten gestaltet werden.