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Meint Inklusion wirklich alle? – Aktuelle Diskussionslinien und praktische Umsetzung

1. Benennen Sie bitte die für Sie zentralen theoretischen Aspekte aus der Vorlesung und
begründen Sie die Auswahl.

Die zentrale Aussage der Vorlesung besteht darin, dass Inklusion mehr als nur dabei sein und mehr als nur das Gleiche für alle bedeutet. Inklusion meint dabei nicht, ein Kennzeichen einer einzelnen Person, sondern ein Prozess, der sozial konstruiert wird. Entscheidend dafür ist es, eine Behinderung nicht als persönliches Problem wahrzunehmen. Der Weg zur Inklusion erfolgt dabei in fünf Phasen. Die Exklusion (der Ausschluss von Kindern mit einer Behinderung) soll durch eine Separation mit sogenannten Förderschuleinrichtungen folgend von einer Integration in den Regelschulen abgeschafft werden. Dabei werden die Kinder in das bestehende Schulsystem integriert, hingegen sich das System nicht an die neuen Verhältnisse anpasst. Daher wird die Integration erweitert und optimiert, sodass alle Kinder mit einem sonderpädagogischen Bedarf Regelschulen besuchen können. Dahinter steckt der Rechtsanspruch, dass Bildung ein Grundrecht ist, weshalb alle Schüler*innen den Anspruch auf eine Beschulung außerhalb von Förderzentren besitzen. Trotz dessen, dass eine Entwicklung der Vielfalt zur Normalität sichtbar wird, ist dennoch ein gewisser Grad der Exklusion weiterhin erkennbar. Es besteht die Gefahr, dass Inklusionsmaßnahmen zur erneuten Desintegration führen. Anschaulich wird dies mitunter an der schulischen Organisation wie Sondereinrichtungen und Sonderlehrpläne oder unteranderem auch durch Sonderbehandlungen in Form von pädagogischen Assistenzen oder differenzierter Unterricht in separaten Räumen. Darüber hinaus ist für das Inklusionsverständis ausschlaggebend, nicht nur Sonderförderungsbedarfe zu betrachten, sondern auch alle weiteren Heterogenitätsdimensionen (Ethische Herkunft, Geschlecht und soziokultureller Hintergrund) einzubeziehen und Zusammenhänge herzustellen. Des weiteren sollte das System so inklusiv gestaltet sein, dass räumliche und sachliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, wodurch die Schüler*innen nicht mehr behindert werden können. Eine Dekategorisierung und ein Ausbau des schulischen Inventars sind dafür wesentlich relevant.

Worüber ich besonders erstaunt war, ist die prozentuale Verteilung der Förderschwerpunkte, die 2018 von der KMK ermittelt wurde. Als größter Förderschwerpunkt stellt sich dabei das Lernen mit 34,6 % heraus. Hinzukommend ist bemerkenswert, dass der Anteil der Schüler*innen mit sonderpädagogischer Förderung an Regelschulen um 22,5 Prozentpunkten im Gegensatz zum Jahr 2009 gestiegen ist. Beide Aspekte hätte ich so nicht erwarten respektive erahnen können.

 

2. Lesen Sie bitte die Fallbeispiele (siehe unten) und beantworten die Fragen. Reflektieren Sie bitte anschließend Ihre bisherigen Erfahrungen an Schulen:

Wie bereits erwähnt, ist das Risiko der „inkludierenden Exklusion“ noch ein großer Bestandteil in den meisten Unterrichtsformen. So hat sich zwar die Inklusion im Schulsystem deutlich verbessert (Grafik von der KMK aus 2018), jedoch ist eine Anpassung an sonderpädagogische Förderbedarfe noch deutlich verbesserungswürdig. Solche Differenzen werden auch in den einzelnen Fallbeispielen deutlich aufgezeigt. Anhand des ersten Fallbeispiels wird bereits ersichtlich, dass notwendige räumliche sowie sachliche Rahmenbedingungen in Regelschulen nicht ausreichend gegeben sind. Damit Finn konzentriert arbeiten kann, benötigt er einen ruhigen Arbeitsplatz, jedoch sind gewisse Differenzierungsräume nicht in allen Schulen vorhanden. Hinzukommend sind dafür auch weitere Lehrkräfte erforderlich, die den Unterricht begleiten und auf die Bedürfnisse der Schüler*innen individuell eingehen. Wie das vierte Fallbeispiel zeigt, kann eine solche individuelle Unterstützung besonders im Bereich der geistlichen und körperlichen Entwicklung hilfreich sein. Wiederum können solche Inklusionsmaßnahmen auch zu Ausgrenzungen führen. So zeigt das zweite Fallbeispiel, dass Sonderbehandlungen nicht immer positiv von den Schüler*innen wahrgenommen werden. Hannah würde viel lieber an dem Regelunterricht teilnehmen, anstatt spezielle Aufgaben bearbeiten zu müssen. Dies zeigt, dass Förderbedarfe individuell eingesetzt werden müssen und Fördermaßnahmen nicht immer den erwünschten Effekt mit sich bringen oder eventuell sogar die Leistungen abschwächen. Das dritte Fallbeispiel könnte diese Annahme verstärken und zeigt auf, dass man die individuellen Stärken der Schüler*innen fördern sollte und sie somit an den neuen Herausforderungen wachsen können.

a. Wie würden Sie ihre Erfahrungen im Hinblick auf die theoretischen Aspekte aus der Vorlesung einordnen? (u.a. Modelle von Behinderung, „inkludierende Exklusion“).

Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, muss ich sagen, dass ich nur wenig mit dem Thema Inklusion im schulischen Bereich in Kontakt getreten bin. Solang ich mich zurückerinnern kann, gab es lediglich nur einen Schüler aus meiner Grundschulklasse, bei dem sich ein sonderpädagogischen Förderbedarf vermuten lassen konnte. Er hatte Schwierigkeiten sich zu konzentrieren und hat sich oft gegenüber Lehrpersonen und uns Mitschüler*innen aggressiv verhalten, weshalb wir uns häufig vor ihm fürchteten. Er saß grundsätzlich an einem Einzeltisch und erhielt andere Aufgaben, als der Rest der Klasse. Kurz bevor er die Schule gewechselt hat, wurde er von einer pädagogischen Assistenz begleitet. Im Nachhinein denke ich, dass diese Methoden, wie das Sitzen am Einzeltisch, eine Ausgrenzung sowie unsere Angst vor ihm verstärkt haben. Ebenfalls finde ich es schade, dass er von einem auf dem anderen Tag nicht mehr in unser Klasse war und uns Schüler*innen kein Grund dafür genannt wurde. Ich bin der Meinung, dass man uns Schüler*innen mit dem Thema hätte konfrontieren sollen, da so vermittelt wird, dass eine Andersartigkeit nicht in den Regelschulbetrieb „reinpasst“.

b. Welchen Meinungen sind Ihnen im Praktikum / in Praxiserfahrungen insbesondere zu der Frage der Inklusion von SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Oberschulen und Gymnasien begegnet und welche Auffassung vertreten Sie selbst?

Ich habe nach dem Abitur ein freiwilliges soziales Jahr an einem Gymnasium absolviert, wodurch ich deutlich mehr Erfahrungen und Eindrücke in dem Bereich Inklusion sammeln konnte. Mein Aufgabengebiet ähnelte dabei zum Teil sehr der Tätigkeit einer pädagogischen Assistenz. An der Schule gab es eine Alphabetisierungsklasse in der ich ebenfalls eingesetzt wurde. Meine Aufgabe in der Klasse war es, einige leitungsschwächeren Schüler*innen individuell zu unterstützen, was meistens separat in Differenzierungsräumen stattfand. Ich wurde aber auch in den Unterricht von Regelklassen mit eingebunden. Beispielsweise hat sich ein Schüler aggressiv gegenüber einer Lehrerin verhalten, woraufhin ich den Unterricht als weitere Person an der Seite des Schülers begleiten sollte. Des weiteren wurde bei einem anderen Schüler frühkindlicher Autismus diagnostiziert, weshalb ich ihm als „pädagogische Assistenz“ zur Seite gestellt wurde. Die Intention der Lehrerin war es, dadurch feststellen zu können, ob der Schüler eine individuelle Unterstützung annimmt, um dann eine professionelle pädagogische Assistenz zu engagieren. Dabei ist mir aufgefallen, dass der Schüler im Unterricht maßgeblich überfordert ist und man nicht in der Lage war, die Wissenslücken in der Zeit aufzuholen, ohne dabei die Mitschüler*innen zu stören.

Ich persönlich bin bei der Frage der Inklusion von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Oberschulen und Gymnasien etwas zwiegespalten. Auf der einen Seite finde ich Inklusion in Schulen grundsätzlich wichtig und richtig.  Auf der anderen Seite bin ich der Meinung, dass eine Inklusion bei maßgeblicher Überforderung der Schüler*in nicht unbedingt die idealste Lösung ist. Während meines Freiwilligenjahr habe ich vermehrt Situationen erlebt, dass Eltern oft nach ihrer eigenen Auffassung über ihre Kinder entschieden haben, ohne dabei die Meinungen und Wünsche ihrer eigenen Kinder zu berücksichtigen. Meiner Meinung nach sollte man sich daher individuell nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kinder für eine angemessene Schulform entscheiden.

 

3. Formulieren Sie bitte eine Beobachtungaufgabe für den inklusiven Unterricht für zukünftige Praktika.

Eine Frage, die man sich stellen könnte, um die Handlungen der Lehrkräfte zu beobachten, wäre beispielsweise:

Wie reagiert die Lehrkraft auf Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf? Welche Mittel und Methoden werden für die inklusive Gestaltung des Unterrichts eingesetzt?

Des weiteren könnte man sich folgende Beobachtungsfragen stellen, um auch die Schülerperspektive zu betrachten:

Werden Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf von ihren Mitschüler*innen erkannt beziehungsweise wahrgenommen? Wie werden sie von ihren Mitschüler*innen behandelt und werden sie in Gruppenarbeiten integriert? Welche Reaktionen werden gegenüber den „Sonderbehandlungen“ von den Schüler*innen selbst und deren Mitschüler*innen geäußert?

Aus aktuellem Anlass kann auch eine weitere Beobachtungsaufgabe gestellt werden:

Hat sich der Fortschritt der Inklusion aufgrund der Corona-Pandemie verändert? Haben sich die Differenzen zwischen den Schüler*innen ohne sonderpädagogischen Förderbedarf zu den Schüler*innen mit sonderpädagogischen Förderbedarf vergrößert?

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„Lässt sich ‚Heterogenität‘ im Klassenzimmer beobachten und was sieht man, wenn man so guckt?“

1. Wie begründen die Autor*innen, dass sie nicht ´Differenz´ sondern ´Praktiken der Differenzierung` untersuchen wollen? Können Sie hier auch Bezüge zur Einführungsvorlesung über „Heterogenität“ herstellen?

Die beiden Autor*innen Rose und Gerkmann fokussieren sich in ihrer Studie nicht auf ‚Differenzen‘, sondern vielmehr auf die ‚Praktiken der Differenzierung‘. Dies begründen sie, in dem sie den Begriff ‚Differenz‘ definieren und erklären, dass ihnen die Bedeutung des Begriffs nicht ausreicht. So meint Differenzierung allgemein gesagt eine vereinfachte Darstellung von Unterschieden. Allerdings existieren diese Unterschiede nicht ohne Grund, sondern werden erst durch das Differenzieren eindeutig und veranschaulicht (Gerkmann/Rose 2015: 193). Aus diesem Grund ist das Ziel dieser Studie nicht nur die offenbaren Unterschiede im Klassenraum darzustellen, sondern einen Prozess aufzuzeigen, wie diese Unterschiede entstehen und wie diese von den Schüler*innen selbst wahrgenommen beziehungsweise selbst konstruiert werden. Laut Rose und Gerkmann sind Differenzierungen von der Gesellschaft sozial konstruiert worden und von den intersubjektiven Norm- und Wertvorstellungen abhängig (Gerkmann/Rose 2015: 193). Dies verstärkt mitunter auch rotierendes Verhalten und expliziert, dass praktische Differenzen immer im Verhältnis zum normenbezogenen Maßstab stehen.

Diesbezüglich werden Parallelen zu dem Begriff der Heterogenität deutlich. Heterogenität ist ebenfalls eine soziale Konstruktion und lässt sich aus Sicht der Gesellschaft herleiten. Generell meint Heterogenität die Differenzen zwischen Personen in Bezug auf soziokulturelle Merkmale, wie Geschlecht oder auch ethische Herkunft. Dabei werden diese gleichermaßen in Bezug zur gesellschaftlichen Norm gesetzt. Auch im schulischen Bereich stellt Heterogenität die Lehrpersonen immer wieder vor didaktischen und pädagogischen Schwierigkeiten.

Daher sollen die Praktiken der Differenzierung in einem schulischen Kontext ermittelt werden.

 

2. Die Studie befasst sich mit individualisiertem Unterricht in der Sekundarschule und analysiert Kommunikationsprozesse zwischen Schüler*innen in der Gruppenarbeit im Projektunterricht. Inwiefern spiegelt sich in diesen Prozessen die „soziale Konstruktion von Leistungen“ wider? Anders gefragt: Wie stellen die Schüler*innen leistungsbezogene Differenz her?

Die Ausgangssituation der Studie ergibt sich dergestalt, dass die Klasse eine Aufgabenstellung in Gruppenarbeit bearbeiten soll. Dabei werden zwei Gruppen explizit betrachtet und untersucht.

Die erste Gruppe setzt sich aus zwei Mädchen und zwei Jungen zusammen, wobei diese Gruppenkonstellation zunächst nicht freiwillig entstanden ist. Erst auf Nachfrage der Lehrpersonen setzt sich die Gruppe zusammen, wobei sich die Lehrperson nur an die beiden Mädchen richtet. Schnell wird deutlich, dass die beiden Mädchen die Besetzung der Rollen sowie die Umsetzung der Aufgaben in die Hand nehmen. Die beiden Jungs hingegen lassen sich anleiten und folgen den beiden Mädchen ohne großen Widerspruch. Allerdings unterscheiden sich die Positionen der beiden Jungs. Zwar werden beide Jungs in eine distanzierte Rolle eingeordnet, wiederum nimmt Leon im Gegensatz zu Hatif gar keinen Einfluss auf die Gruppengestaltung und ist daher als Mitglied dieser Gruppe ersichtlich. An diesem Arbeitsteilungsprozess wird deutlich, dass innerhalb der Gruppe ein engagiertes Paar und ein eher distanziertes Paar existiert, wobei die Mädchen aufgrund von bereits vorher festgelegten und sozialen Umständen den Jungs gegenüber dominieren. Hierbei steht weniger im Mittelpunkt der schulischen Leistungsnorm gerecht zu werden, sondern vielmehr gemeinschaftlich und gerecht als Gruppe zu interagieren. Somit steht die soziale Norm der Kollegialität im zentralen Kontext.

Die zweite Gruppe besteht aus zwei Mädchen und einem Jungen, wobei schnell deutlich wird, dass sich das eine Mädchen die Monopolstellung selbst zuspricht und die Hauptverantwortung übernimmt. Die anderen beiden Gruppenmitglieder beteiligen sich mehr oder weniger an der Gruppenarbeit, obwohl der Junge sich zum Teil gegen die Aufforderung zur aktiven Beteiligung wehrt. Bei dieser Konstellation wird das gemeinschaftliche Arbeiten außer Acht gelassen, dagegen steht die schulische Leistung im Zentrum. So soll die leistungsbezogene Norm erfüllt werden.

An beiden Gruppen lässt sich erkennen, dass eine Arbeitsteilung innerhalb der Mitglieder entsteht. Ebenfalls wird deutlich, dass die Gruppen von der sozialen sowie der leistungsbezogenen Norm angeleitet werden, obgleich die Gewichtung der Normen unterschiedlich stattfindet (Gerkmann/Rose 2015: 204). Dies veranschaulicht auch die Mimik und Gestik der einzelnen Schüler*innen. So wird Hatif, der weiter entfernt vom Tisch sitzt, eine zurückhaltende Rolle zugeschrieben als im Gegensatz zu den beiden Mädchen, die unmittelbar vor dem Arbeitsblatt sitzen.

Es ist festzuhalten, dass gewisse schultypische Differenzierungen entstehen. Leistungsbewertung steht im zentralen schulischen Kontext und nimmt einen großen Bestandteil der Kommunikation im Unterricht ein (Gerkmann/Rose 2015: 206). Die Schüler*innen werden von den Lehrpersonen nach Leistung differenziert und sind sich einer ständig möglichen Leistungsbewertung bewusst. Ausschlagend jedoch ist, dass anhand der Studie nachgewiesen werden kann, wie die Schüler*innen selbstständig diese Differenzen rekonstruieren (Gerkmann/Rose 2015: 206).

Sie nehmen die sozialen sowie leistungsbezogenen Unterschiede gegenüber ihren Mitschüler*innen wahr, positionieren ihre Rolle dementsprechend innerhalb der Gruppe und hierarchisieren sich selbst untereinander.

 

3. Erläutern Sie, inwiefern sich die von Rose und Gerkmann festgehaltenen Beobachtungen von schultypischen Differenzierungen (nicht nur bezogen auf Leistung) innerhalb von Gruppenarbeiten mit Ihren eigenen Erfahrungen decken. Diskutieren Sie Ihre eigenen Erfahrungen vor dem Hintergrund des Textes!

Wie bereits Rose und Gerkmann darlegen, ist eine solche Arbeitsweise in Gruppenkonstellationen nicht ungewöhnlich, weshalb sich meine Erfahrungen mit den Ergebnissen der Studie decken.

In meiner Schulzeit waren Gruppenarbeiten schon immer ein umstrittenes Thema. Einige meiner Mitschüler*innen haben diese befürwortet, andere haben versucht sich demgegenüber zu widersetzen. Meine persönliche Sichtweise war auch nicht immer positiv gegenüber Gruppenarbeiten gestimmt. Da ich mitunter immer die Rolle der Hauptverantwortlichen eingenommen haben, empfand ich Gruppenarbeiten nicht immer als besonders produktiv. Letztendlich habe ich die meiste Last davongetragen, in dem ich die Arbeit meist alleine erledigt habe. Allerdings habe ich mich auch bewusst in diese Rolle positioniert, da ich oftmals gut organisiert sowie strukturiert die Aufgaben möglichst schnell erledigen wollte. Ebenfalls habe ich versucht, meine Gruppenmitglieder zu motivieren. Blicke ich jedoch jetzt im Nachhinein auf einige Gruppenarbeiten zurück, so frage ich mich, ob ich an einigen Stellen nicht zu voreilig gehandelt habe und ich meinen Gruppenmitgliedern erst eine Chance hätte geben sollen.

Insgesamt kann ich die Funktion und Intention von Gruppenarbeiten nachvollziehen, jedoch stellte sich die Umsetzung in meiner Schulzeit als fraglich heraus. Oftmals dafür ursächlich waren zentrale Einteilungen der Gruppen, wodurch die Erfüllung beider Normen schwer realisierbar wurde. Rückblickend kann ich aus meinen eigenen Erfahrungen sagen, dass die Gruppenarbeiten während der Oberstufe eher von der leistungsbezogenen Norm dominiert wurden, da es für die Meisten essenziell war, eine gute schulische Leistung zu erbringen. In jüngeren Jahrgängen empfand ich das Arbeiten in Gruppen solidarischer und gemeinschaftlicher, sodass im Fokus stand, dass alle Mitglieder bestmöglich die Aufgabe bestehen. Aber letztendlich kann man sagen, dass Gruppen (auch im außerschulischen Kontext) immer sozial konstruiert sind und es Rollen aktiver beziehungsweise zurückhaltender Mitglieder geben wird.

 

Literaturverweis:

Gerkmann, Anne/Rose, Nadine (2015): Differenzierung unter Schüler_innen im reformorientierten Sekundarschulunterricht – oder: warum wir vorwiegend ‚Leistung‘ beobachten, wenn wir nach ‚Differenz‘ fragen. In: ZQF Heft 2, S. 191-210.

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Sind „andere“ Gesellschaften und Kulturen plausible Lerngegenstände im Fremdsprachenunterricht?

1. Bei der Veranstaltung zur Sprachenwahl für die 2. Fremdsprache sind Sie als Klassenlehrer einer 5. Klasse anwesend und stellen fest, dass die FS-Kolleg*innen in ihrer Präsentation für die Eltern auf Stereotypen zurückgegriffen haben. Äußern Sie sich den Kolleg*innen kritisch gegenüber und verweisen Sie dabei auf das Byram Modell.

 Liebe Kollegen und Kolleginnen,

vorerst möchte ich mich herzlich bei Ihnen bedanken, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, den Eltern meiner Schüler*innen die verschiedenen Fremdsprachen zu präsentieren. Meiner Meinung ist es Ihnen gut gelungen, die wichtigsten Informationen des Inhalts weiterzugeben und diese mit Sicherheit als Orientierung weiterhelfen.

Dabei ist mir jedoch etwas aufgefallen, das ich gerne mit Ihnen teilen möchte. Vielleicht sind Sie sich diesem gar nicht bewusst beziehungsweise haben es selbst nicht bemerkt, dass sie während Ihrer Präsentation in der Darstellung der Kultur und in Ihrer Sprechweise einige Stereotypen verwendet haben. Besonders dadurch entsteht die Gefahr, diese Stereotypen zu verinnerlichen und somit fälschlicherweise eine Kultur zu charakterisieren. Um diese Problematik zu verdeutlichen, möchte ich auf das Modell zur interkulturellen kommunikativen Kompetenz (ICC-Modell) von Michael Byram verweisen. Demzufolge ist es unsere Aufgabe als Lehrer*innen, die sprachlichen Kompetenzen und das Wissen (saivor) zu vermitteln. Darüber hinaus müssen wir aber auch als Lehrer*innen interkulturelle kommunikative Kompetenzen schaffen und das erlernte Wissen immer wieder kritisch in Betracht ziehen, da wir oft dazu neigen auf Verallgemeinerungen zurückzugreifen. Nach dem Modell ist der Auftrag an uns, die Diversität verschiedenster Kulturen auf eine möglichst aufgeschlossene Arte und Weise zu übermitteln. Daher wäre es doch wünschenswert, die Wissensvermittlung so zu gestalten, dass eine individuelle Wahrnehmung der Kultur ermöglicht und ein Anreiz geschaffen wird, dass sich die Schüler*innen auch außerhalb der Schule (Location of Learning) für einen interkulturellen Austausch interessieren.

Daher ist es besonders als Lehrperson wichtig, sich diesen Stereotypen bewusst zu sein und zu wissen, wie man mit diesen sprachlich und sowohl auch im Unterricht umgehen sollte. Ein kleiner Vorschlag meinerseits dazu wäre, dass Sie eventuell zukünftig in der Präsentation auch außerschulische Lernorte, wie beispielsweise Schüleraustausche um die Wichtigkeit des praktischen Austausches betonen. Ich hoffe, dass sie meinen Hinweis nachvollziehen können und es ihnen vielleicht auch eine neue Sichtweise gegenüber der Verwendung von Stereotypen eröffnet hat.

 

2. Erinnern Sie, welche kulturellen Inhalte Bestandteil ihres Fremdsprachenunterrichts in der Schule gewesen sind und mit welchem Ziel diese behandelt worden sind. Stellen Sie dabei den Konnex zu der heutigen Sitzung.

Denke ich an den Fremdsprachenunterricht meiner Schulzeit zurück, so fällt mir direkt wieder ein, dass sich der Englischunterricht hauptsächlich auf Großbritannien beschränkt hat. Neben dem Erlernen der britisch englischen Sprache und der Vermittlung der grammatischen Grundlagen, stand auch die Kultur Englands weit im Vordergrund. So wurde uns Schüler*innen größtenteils klischeehafte Traditionen Englands präsentiert. Mehrere Kapitel in Lehrbüchern handelten von dem englischen Königshaus sowie der Queen und immer wieder wurde die Hauptstadt London als das Aushängeschild Englands dargestellt. Auf andere englischsprachige Länder wurde selten hingewiesen, wenn überhaupt nur wenn es darum ging, einige Vokabeln zum amerikanischen Englisch zu differenzieren. Erst in der Oberstufe durfte ich die Erfahrung machen, dass eine Erweiterung des kulturellen Bewusstseins im Englischunterricht stattfand. Demnach wurde ein halbes Schuljahr Australien und die Kultur des Landes thematisiert. Wiederum wurde auch dort die Kultur nur auf die wichtigsten Städte und auf das Outback reduziert.

In meiner zweiten Fremdsprache Latein lag der Fokus wesentlich mehr auf das kulturelle Bewusstsein im Gegensatz zum Englischunterricht. Dadurch, dass Latein nicht unbedingt eine gängig „gesprochene“ Sprache ist, war es unserer Lateinlehrerin sehr wichtig, uns die Entstehung Roms und die griechischen sowie römischen Mythologien näherzubringen. Dies tat sie in dem sie beispielsweise mit uns ein Theaterstück einübte, welches wir vor der ganzen Schule aufgeführt haben.

Rückblickend finde ich es schade, dass mir aus meinem Fremdsprachenunterricht, neben der Fähigkeit die Sprache zu sprechen, nur die Stereotypen der Länder respektive der Kultur in Erinnerung geblieben sind. Ich denke zwar, dass die Darstellung der Kultur durch Musterbeispiele ermöglicht werden sollte, jedoch nützt es der interkulturellen Kompetenz wenig, wenn sich daraus Stereotype bilden.

 

3. Formulieren Sie eine kurze Aufgabenstellung in einem Ihrer Fächer, die zu einer fachübergreifenden Projektarbeit zum „Coronavirus“ als kulturelles Phänomen passen würde.

In dem Fach Politik würde ich folgende Aufgaben formulieren, um das Coronavirus als kulturelles Phänomen darzustellen.

Die Schüler*innen erhalten zwei Textausschnitte, in dem die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus in Deutschland und China erläutert werden.

  1. Beschreiben Sie, inwiefern das kulturelle und individuelle Leben in China und Deutschland aktuell eingeschränkt werden und arbeiten Sie die unterschiedlichen Maßnahmen der Regierungen heraus.
  2. Stellen Sie die politischen Maßnahmen Chinas und Deutschlands gegenüber und analysieren Sie diese hinsichtlich der unterschiedlichen Regierungsformen.
  3. Diskutieren Sie die Vor- und Nachteile einer sozialistischen Staatsform in China und einer parlamentarischen Demokratie mit der föderalen Vielfalt in Deutschland während der aktuellen Situation.

 

4. Gerade in der Behandlung von Kultur(en) und Gesellschaft(en) im Fremdsprachenunterricht kann die im Klassenraum vorhandene Heterogenität einbezogen werden. Wie bewegen Sie diese Schülerinnen und Schüler dazu, ihr Vorwissen und ihre Kompetenz einfließen zu lassen?

Die Schule ist ein Ort, der von Heterogenität geprägt ist und daher nicht alle Schüler*innen über die gleichen Voraussetzungen verfügen, besonders auch bei den sprachlichen Kompetenzen. Hinzukommend ist das Bildungssystem einseitig ausgerichtet, was bedeutet, dass sich die Unterrichtsinhalte nur auf national orientierte Themen beschränken.

Aus diesem Grund sollte es zur Aufgabe des Fremdsprachenunterrichts werden, eine große Bandbreite an verschiedenen fremden Kulturen zu bieten. Somit könnte erreicht werden, Vorurteilen sowie Benachteiligungen entgegen zu wirken und ein Zugehörigkeitsgefühl aller Schüler*innen zu schaffen. Ebenso sollte man die Perspektiven aufzeigen, wo man kultureller Vielfalt auch außerhalb des Klassenraums begegnet. Aufgrund der steigenden Zahl der Schüler*innen mit einem Migrationshintergrund eröffnet sich die Möglichkeit, diese Vielfalt mit in den Unterricht einzubinden. So könnte man die Erfahrungen der Schüler*innen, deren Eltern aus einem anderen Land stammen, nutzen, in dem sie Merkmale ihrer Kultur im Unterricht teilen. Demnach können die Schüler*innen einen individuellen Eindruck der Kultur erhalten. Die Umsetzung dazu könnte daher so aussehen, dass man Rollenspiele entwickelt oder auch Partnerarbeiten konstruiert, bei denen sich die Schüler*innen gegenseitig interviewen und der Klasse eine Art Berichterstattung geben. In jüngeren Klassenstufen könnte man die Schüler*innen auch Steckbriefe erstellen lassen, wobei dann die gesamte Klasse erraten muss, zu wem dieser gehört.

Diesbezüglich wäre eine Mischform aus Wissensvermittlung sowie interaktiven Aufgaben eine ideale Lösung. So kann man erreichen, dass ein reger Austausch von Meinungen und Erfahrungen verschiedenster Kulturen stattfindet und dass den Schüler*innen die Chance geboten wird, eine individuelle Sichtweise von der Sprache und der Kultur zu entwickeln.