Heterogenität als Herausforderung (im schulischen Kontext)

Heterogenität beinhaltet eine Diversität verschiedener Eigenschaften, wie Herkunft, Muttersprache, Alter, Leistungsstärke, Konzentrationsfähigkeit, Geschlecht oder weitere Faktoren, die Auswirkungen auf schulischen Unterricht haben könnten. Diese verschiedenen Eigenschaften haben natürlich Auswirkungen auf den Unterricht.

Oft wird davon ausgegangen, dass eine möglichst homogene Lerngruppe die Idealvorstellung einer perfekten Unterrichtsgrundlage ist. Es werden Maßnahmen getroffen, um diese Homogenität zu erzeugen, wie: Einschulungsalter, Vorklassen für eine Anpassung des Wissensstandards neuzugezogener Schüler mit Migrationshintergrund, die Teilung in der 5. Klasse nach Leistungsstärke.
Diese Maßnahmen werden basierend auf der These getroffen, dass Heterogenität an Schulen eine Herausforderung darstellt. Man befürchtet zusätzliche Belastungen der Lehrkräfte durch individuelle Anpassung an Schüler mit unterschiedlichen Kapazitäten und Bedürfnissen.

„Konstruktionscharakter“ von Heterogenität

Man muss sich allerdings der Tatsache bewusst werden, dass die Definition von Heterogenität gleichzeitig einen Status Quo einer angenommenen Homogenität zugrunde legt. Was ist diese Einheitlichkeit? Sind – provokativ formuliert – lediglich deutsche, leistungsstarke Schüler*innen aus akademischen, mittelständigen Elternhäusern die „einheitliche Norm“, von der wir als „Normalzustand“ ausgehen, um im Vergleich dazu Eigenschaften anderer Schüler*innen herauszustellen, auf die mit besonderen Maßnahmen eingegangen werden muss, um Bildungserfolg zu garantieren? Es stellt uns vor eine schwierige Aufgabe Heterogenität konkret in Parameter zu fassen. Wer oder welches Verhalten ist schon normal? Diese Schwierigkeit einer neutralen Defintionsfindung des Begriffs der Heterogenität sollte in jedem Fall beachtet werden.

Aus aktuellem Anlass: Corona-bedingte Ungleichheit der Bildungschancen

Die Corona-Pandemie ist eine riesige Herausforderung vieler Bereiche unserer Gesellschaft. Auch in der schulischen Bildung müssen große Anforderungen gestemmt werden. Gibt es hierbei unterschiedliche Chancen?

Heute findet jede Art des Unterrichts digital statt. Dies hat viele Folgen:

  1. Haushalte, die nicht genug elektronische Geräte zur Verfügung haben, um Home-Office gleichzeitig wie Home-Schooling-Bedürfnisse (möglicherweise mehrerer Kinder) unter einen Hut zu bekommen, haben schon sehr andere Voraussetzungen für den Lernerfolg in diesen Tagen.
  2. Eine Lehre von Zuhause aus verstärkt zunehmend wirtschaftliche und soziale Unterschiede der Schüler*innen. Berufstätigen Eltern in „systemrelevanten“ Berufen, die meistens im niedrigeren Lohnsektor sind, können nicht gleichzeitig eine soziale oder gar didaktische Stütze für ihre Kinder sein. Dies steht im klaren Unterschied zu Eltern, die nun privat noch viel mehr Zeit, Konzentration oder Geld in den Lernerfolg ihrer Kinder stecken können als sonst.
  3. Werteunterschiede haben größere Folgen als sonst. Kinder mit Familien, die sich weder wertebasiert noch ideologisch um ihren schulischen Erfolg kümmern (oder kümmern können), leiden stärker unter dieser Situation. Der sonst externe Unterricht an Schulen lindert normalerweise diese starken Differenzen, da ein Minimum von meist 4 Unterrichtsstunden täglich garantiert wird. In Situationen wie diesen hängt es ganz allein vom Schüler oder von der Schülerin ab, wie viel Zeit und Kraft sie in die eigene Bildung stecken.
  4. Kinder mit Konzentrationsschwächen sind nun auch stärker benachteiligt, da die pädagogischen Qualitäten eines Lehrers fehlen. Für Kinder, die damit keine Schwierigkeiten machen, ist diese Situation unproblematisch.

Sobald alle Schüler*innen irgendwann wieder zusammenfinden, werden die gruppenspezifischen Unterschiede größer denn je zuvor sein.