In Deutschland mit dem Zug zu verreisen, wird mittlerweile als „ökologisch“, „grün“ und als eine Art „Entspanntes Reisen“ plakatiert. Für mich persönlich kein schlechter Ansatz. Aber wenn es dann mal wieder soweit ist, dass ich einen Zug betrete, frage ich mich immer ob die PR Abteilung schon mal selbst mit der Bahn gefahren ist.
Es fängt allein bei der Buchung an. Man sucht sich den Tag und die Uhrzeit mindestens einen Monat vorher raus um, selbst auf Kurzstrecken, preisliche Überraschungen von über 80€ trotz BahnCard 50 zu vermeiden. Dann folgt die Frage: Platzreservierung ja oder nein? Nicht nur dass man für diesen gegebenenfalls freigehaltenen Platz zusätzlich 4€ zahlt, die Wahrscheinlichkeit dass dieser Platz dann doch besetzt ist, oder durch eine geänderte Wagenreihung gar nicht erst existiert, ist sehr groß. Auch das Thema Anschlusszüge sind kritisch zu betrachten. Es gibt gefühlt nur zwei Varianten. Die erste Möglichkeit, der Klassiker, „Ihr Anschluss kann nicht erreicht werden“. Panik bricht aus, die zehnte Durchsage, dass der Regionalexpress nach Wünsdorf-Waldstadt jetzt doch erricht werden kann blechert aus den Lautsprechern und man selbst kommt immer noch nicht drüber hinweg, dass der eigene Zug eine „Verspätung außerhalb Deutschlands“ hatte. Was für eine Bezeichnung für eine einfache Verspätung. Die zweite Version ist genau umgekehrt. Man kommt am Bahnhof an und der Anschlusszug hat Verspätung. Heißt warten. Im schlechtesten Fall liegt der Bahnsteig komplett frei, es ist Winter und Sitzgelegenheiten sind nicht vorhanden. Und dann geht sie los, die Dauerschleife, welche Züge kommen, kommen sollten, nicht kommen oder sich „direkt gegenüber“ befinden.
Zug fahren ist quasi wie ein neues Rezept auszuprobieren. Man kauft sich teure Zutaten und Extras weil es empfohlen wird, stürzt sich in einen eigentlich vertrauten Prozess, nur um am Ende nicht gewollte Überraschungen und im schlechtesten Fall nicht essbares zu haben. Letzteres kann auf mehreren Ebenen interpretiert werden. Und bei jeder Bahnfahrt fängt das Spektakel von vorn an. Anstatt entspannt an meinem Ziel anzukommen, beklagt mich eher die Angst, irgendwo zu enden wo ich gerade nicht hin will.
Letztendlich bin ich wieder froh in meinem gewohnten Umfeld zu sein und nicht auf einem ungeplanten Bahnhof, oder in Zügen auf gegebenenfalls reservierten Plätzen. Thank you for travelling with DB, ist quasi schon eine Art Entschuldigung, um zu sagen: Wir wissen wie anstrengend es ist mit uns zu reisen, aber danke dass Sie es trotzdem tun.
Liebe Lara!
Ich finde deinen Blogeintrag ganz toll!
Mit deinem gewählten Thema kann ich mich sehr gut identifizieren.
Tatsächlich fahre ich recht viel mit Zügen und kann deine Einstellung von daher absolut nachvollziehen!
Ich finde, dass der Frust, den du angesichts der desolaten Zustände beim Reisen mit der Bahn in Deutschland hast, total berechtigt ist und bei der/dem Leser*in wirklich gut ankommt.
Die Metapher, die du eingebaut hast, Zug fahren mit einem unbekannten Rezept zu vergleichen, hat mir besonders gut gefallen.
Zugfahren ist hierzulande echt nervtötend! Trotzdem halte ich es für eine der nachhaltigsten Arten zu Reisen und werde mich wohl auch in der Zukunft wieder in die „Schlacht“ stürzen und dabei versuchen, all die Unannehmlichkeiten auszublenden.
Zu Beginn deines Beitrags nennst du ja drei Schlagworte, mit denen das Reisen mit der DB beworben wird. Den Aspekt des „Enstpannten Reisens“, hast du klasse anhand vieler Beispiele widerlegt. Ich hätte mir vielleicht am Ende deines Textes noch einen Teil gewünscht, in welchem du einen kleinen Bogen zu den anderen zwei Stichworten „ökologisch“ und „grün“ ziehst.
Mich hätte nämlich noch interessiert welche Gründe du hast trotzdem ab und zu mit dem Zug zu fahren.
Danke für den schönen Beitrag!
Liebe Friederike,
vielen Dank für deine lieben Worte. Es freut mich sehr, dass dir der Beitrag gefallen hat. Dass ich nicht weiter auf den ökologischen Aspekt eingegangen bin, hatte den Grund dass ich keine genauen Daten von DB selbst habe und das ungern auf Spekulationen fußen lassen will. Vielleicht werde ich mich in einer ruhigen Minute damit beschäftigen und einen Post dazu schreiben. Ich find den Ansatz (also ob Zugfahren jetzt ökologischer ist, oder nicht) ziemlich spannend, vor allem in der aktuellen Debatte. Warum ich trotzdem mit dem Zug fahre, liegt einfach daran, dass meine Eltern ca. 400 km entfernt wohnen und ich keinen Führerschein habe.
Ich wünsche dir noch einen schönen Tag!