Die Glaskugel

Die „Outside-In Glaskugel“

Ich spazierte allein durch eine recht verlassene Gegend, um den Kopf frei zu bekommen. Urplötzlich – Platzregen ohne Vorwarnung. Binnen Sekunden war meine gesamte Kleidung mit Wasser durchtränkt. Das Wetter hatte mich vollkommen unvorbereitet getroffen… Schützend den Arm halb vor mein Gesicht, halb über meinen Kopf gehoben, blinzelte ich durch die dichten Tropfen, um mir einen Unterschlupf zu suchen. Ein paar Meter entfernt konnte ich die verschwommenen Umrisse eines alten Hauses erahnen. Hastig lief ich hinüber, und Bingo, eine überdachte Veranda. Dort angekommen war ich also endlich im Trockenen. Ich musste erst einmal einen kurzen Moment verschnaufen und schaute mich dann um. Das Häuschen hielt ich für eine dieser verlassenen Hütten, wie sie in dieser Gegend öfter mal am Wegesrand stehen. Doch auf einmal öffnete sich die Tür einen Spalt breit und eine schrumpelige Hand und lockte mich winkend ins dunkle Innere des alten Gebäudes. Ich folgte der Hand, von der ich nicht wusste, wem sie gehörte, wortlos. Nachdem ich die Türschwelle überschritten hatte gelangte ich in einen warmen dunklen Raum, nur mit Kerzenlicht gemütlich beleuchtet. 

Natürlich schossen mir viele Fragen durch den Kopf. Wohnt hier jemand? Was für ein Ort ist das? Wo ist die Person, die mich hineingelockt hat? Denn der Raum war, bis auf ein paar spärliche Holzmöbel und samtene Vorhänge vor den Fenstern, völlig leer. Hier war niemand mehr. Ich war allein.

Doch all diese Fragen waren von der einen auf die andere Sekunde wie ausgelöscht, als mein Blick auf einen Gegenstand fiel, der auf einem kleinen Tisch in einer Ecke des Raumes stand. Etwas Ähnliches hatte ich zuvor noch nie gesehen. Ich trat wie gefesselt ganz nah an den Tisch heran und starrte das Ding mit gebändigtem Blick an. 

Es war eine Art Glaskugel, auf einem kleinen hölzernen Gestell oder Ständer mit drei Füßen, welcher dunkelbraun und mit 3 feinen Ringen verziert war. Die Form des Gegenstandes im Ganzen erinnerte mich irgendwie an die einer Glühbirne, obwohl der Glaskörper kugelrund war. Als ich ihn leicht berührte, stellte ich fest, dass man ihn drehen kann. Im Inneren dieses Glaskörpers war ein runder Ball auf einem weißen Ständer, welcher bemalt war mit bunten Motiven. Ich konnte drei große Vögel mit prachtvollen gepunkteten Federkleidern vor einer Landschaften mit grauen und grünen Bergen, Wasserfällen, Sträuchern erkennen. Zwei der Vögel waren einander zugewandt. Der eine sah so aus, als würde er den Schnabel zu einem Krächzen aufreißen. Außerdem abgebildet war die feuerrote Sonne, welche auf- oder unterzugehen schien. Im Hintergrund waren viele Silhouetten von umherfliegenden Vögeln zu erahnen.

Als ich von oben auf den Gegenstand herabblickte sah ich, dass er mit asiatischen Schriftzeichen verziert war. Diese konnte ich natürlich nicht entziffern, aber ich habe mich immer wieder gefragt, was sie wohl bedeuten. 

Ich wartete noch einige Stunden, bis das Unwetter draußen sich beruhigt hatte, bis ich meinen Heimweg wieder antrat. In der gesamten Zeit betrat niemand die Hütte. Ich war vollkommen alleine und ich erfuhr auch nie, wer mich in Innere gelockt hatte. „Eine sehr merkwürdige Begebenheit“, denke ich im Nachhinein noch häufig, doch die gesamte Zeit, die ich dort verbrachte, saß ich bis zum Schluss, wie gebannt vor dem merkwürdigen, schönen und unbekannten Ding. Ohne mir irgendwelche Fragen zu stellen. Meinen Blick losreißen konnte ich erst, als durch einen kleinen Spalt zwischen den Vorhängen ein Sonnenstrahl auf die Glaskugel viel und das Licht somit durch den Raum geworfen wurde. So wurde ich in die Realität zurückgerissen und verließ die Hütte. 

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