Antisemitismus & Rassismus in der Schule

Durch den Vortrag zu Rassismus und Antisemitismus haben sich folgende Fragen ergeben:
Wie kann ich Rassismus und Antisemitismus in meinen Fächern Kunst und Deutsch kritisch thematisieren?
Was brauchen jüdische Schüler:innen um sich in der Schule sicher zu fühlen?
Wie gehe ich mit rassistischen Sorgeberechtigten oder einem rechtsextremen Hintergrund meiner Schüler:innen um?
Welche Sprache ist für welche Altersgruppe von Schüler:innen angemessen, um gemeinsam über Rassismus und Antisemitismus zu sprechen?

Bei der Auswahl von Unterrichtsmaterial hinsichtlich Rassismus und Antisemitismus würde ich zuerst beachten, ob diese Diskriminierungen vielleicht sogar in den Materialien reproduziert werden, denn es finden leider immer wieder verkürzte Darstellungen des Nah-Ost-Konflikts oder subjektive Narrative ihren Weg in Schulbücher (vgl. Rensmann 2018: 158-161). Nach einer Prüfung auf antisemitische oder rassistische Inhalte würde ich den Fokus auf eine diskursive Darstellung des Gegenstandes richten. Ganz im Sinne des Kontroversitätsgebots und der Schülerorientierung des Beutelsbacher Konsens (vgl. Wehling 1977: 179ff) müssen Unterrichtsmaterialien Schüler:innen die Entwicklung einer eigenen Position ermöglichen. Auch die Vermittlung der emotionalen Kompetenz, Gleichzeitigkeiten oder wie es Beer nennt – „gesellschaftliche Widersprüche und Ambiguitäten“ (Beer 2020: 203) auszuhalten – ist ein Kriterium für ein gutes Schulbuch.
Neben Büchern gibt es natürlich noch eine große Vielfalt anderer Medien, die es zu beachten gilt. Interessant fand ich hier beispielsweise das „Bildungsmaterial zu Antisemitismus und Misogynie im deutschsprachigen Rap“ (Grimm / Baier 2023). Bei der Auswahl der Materialien sollten Lehrkräfte versuchen, Interessen und Vorwissen der Schüler:innen aufzugreifen. Diskriminierung im Rap wäre ein gut geeigneter Anlass, um beispielsweise im Fach Deutsch in den Diskurs zu kommen.

Der Rapper Kollegah (rechts), dessen Texte mit Blick auf Antisemitismusvorwürfe kontrovers diskutiert wurden, bei einem Konzert in Würzburg 2017. (© picture alliance / HMB Media/ Markus Köller)

Analyse Fallbeispiel: Planspiel
Eine Schülerin spricht Sie in der Pause an: Eine Kolleg:in plant in der kommenden Woche ein Planspiel zum Nahostkonflikt. Die Lehrerin hat schon mehrfach Expert:innenrollen Schüler:innen zugewiesen, die von ihr als jüdisch bzw. als arabisch gelesen werden. Die Schülerin ist von solchen Zuschreibungen betroffen und fühlt sich stark unter Druck gesetzt. Wie können Sie in der Situation handeln?

Das „Lesen“ von Schüler:innen als jüdisch bzw. arabisch ist rassistisch, da es Menschen aufgrund von äußerlichen Merkmalen ohne tatsächliches Wissen in differente Gruppen einteilt. Diese Einteilung erzeugt klar eine Dichotomisierung und behauptet eine „Andersartigkeit“ der Schüler:innen gegenüber der Lehrkraft und gegenüber anderen Schüler:innen.
Antisemitisch ist das Verhalten der Lehrerin die von ihr jüdisch gelesenen Schüler:innen als Kollektiv für den Staat Israel verantwortlich zu machen. Israel wird hier als Repräsentant aller Jüdinnen und Juden konstruiert (vgl. Folie 21). Das Verhalten der Lehrkraft ist höchst problematisch. 
Positiv ist zu bewerten, dass die Schülerin sich einer anderen Lehrkraft anvertraut hat.
Für mich als Lehrerin sehe ich als Handlungserfordernis eine klare Positionierung, wenn man Formen von Antisemitismus und Rassismus wahrnimmt.
 Mögliche Interventionen, die einem antisemitischen oder rassistischen Vorfall folgen, könnten sein:

-> kurzfristige Handlungsmöglichkeiten
Für sich selbst: 


  • Situation ernst nehmen
  • 
Rassismus und Antisemitismus nicht relativieren oder verharmlosen
  • Vorfall dokumentieren (Gedächtnisprotokoll o.Ä.)

In Interaktion mit Anderen: 


  • Einzelgespräche mit den Betroffenen und Ausübenden führen
  • Betroffene schützen
  • Schüler:innen und Eltern miteinbeziehen
  • antisemitisch oder rassistisch handelnde Personen ansprechen und mit der Bedeutung ihrer Taten konfrontieren
  • gegebenenfalls nach Motivation oder Absicht hinter Verhalten fragen

-> langfristige Handlungsmöglichkeiten

Wenn Hilfe gebraucht wird:

  • 
Akteure von Außen einbeziehen
  • 
Kollegium miteinbeziehen

Grenzen des eigenen Handelns sehe ich in rechtlichen Pflichten und Vorgaben. Diese Grenzen müssen ehrlich kommuniziert werden. Bevor beispielsweise Strafanzeigen gestellt werden, sollten aber alle möglichen pädagogischen Interventionen ausgeschöpft worden sein.

Während Interventionen im Verantwortungsbereich Einzelner liegen, ergeben sich aus solchen Vorfällen Handlungserfordernisse für die Schule als gesellschaftliche Institution. Langfristig muss antisemitismuskritische Haltung nicht nur im Unterricht gefördert werden, sondern auch durch präventive Maßnahmen etabliert werden. Es braucht anlassunabhängige Angebote und nachhaltige Präventionsarbeit statt sogenannter „Feuerwehrpädagogik“ (vgl. Handreichung für Düsseldorfer Schulleitungen und Lehrkräfte 2019: 10).
Als Beispiel für eine langfristige, präventive Maßnahme gegen Antisemitismus in Schule möchte ich das Projekt „Rent a Jew“ von Guillermo Pineiro (Lehrer an einer Gesamtschule in Essen) erwähnen (vgl. Kagermeier 2018). Der Stadtteil in dem die Schule liegt, ist von einer starken rechten Szene geprägt. Pineiro lädt jüdische Menschen in seine Klasse ein, die von ihrem Leben und Glauben erzählen.

Literatur:



Beer, Florian (2020): Was macht ein gutes Schulbuch aus? Prüfsteine für einen antisemitismuskritischen Geschichtsunterricht. In: Marc Grimm / Stefan Müller (Hg.): Bildung gegen Antisemitismus. Spannungsfelder der Aufklärung (Antisemitismus und Bildung; Band 1). Frankfurt/M.: Wochenschau, S. 203.

Grimm, Marc / Baier, Jakob (2023): Jugendkultureller Antisemitismus. Warum Jugendliche für antisemitische Ressentiments im Gangsta-Rap empfänglich sind. Wochenschau Verlag.
https://www.wochenschau-verlag.de/Jugendkultureller-Antisemitismus.-Warum-Jugendliche-fuer-antisemitische-Ressentiments-im-Gangsta-Rap-empfaenglich-sind/41559
Letzter Zugriff: 03.06.2025.

Handreichung für Düsseldorfer Schulleitungen und Lehrkräfte: Was tun bei Antisemitismus an Schulen (2019)
https://www.duesseldorf.de/fileadmin/Amt13/presseanhang/1907/190703-Handreichung1.pdf
Letzter Zugriff: 03.06.2025.



Kagermeier, Elisabeth (2018): Antisemitismus an Schulen: „Schon wieder Holocaust?“ In: Zeit Online, 17.09.2018.
Online verfügbar unter: https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2018-09/diskriminierung-antisemitismus-rechtsextremismus-juden-schulen-mobbing
Letzter Zugriff: 03.06.2025.

Rensmann, Jörg (2018): Dringend reformbedürftig – das Israelbild in deutschen Schulbüchern. In: Julia Bernstein u.a. (Hrsg.): „Mach mal keine Judenaktion!“ Herausforderungen und Lösungsansätze in der professionellen Bildungs- und Sozialarbeit gegen Antisemitismus. Frankfurt am Main, S. 158–161.

Wehling, Hans-Georg (1977): Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Siegfried Schiele / Herbert Schneider (Hrsg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart, S. 173–184.

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Ein Kommentar

  1. Banggun, in dieser Form wird dein Kommentar nicht gewertet.
    Es müssen mindestens zwei wissenschaftliche Quellen verwendet werden. Verweise auf die Vorlesungsfolien zählen nicht, da diese keine wissenschaftliche Quelle/ Publikation sind. Verweise auf die Quellen müssen als Kurzbeleg direkt im Text erfolgen und sind immer nur mit Seitenzahlen vollständig (Autor:in Jahr: Seitenzahl). Zusätzlich müssen die Quellen als vollständige bibliographische Angaben (gemäß wissenschaftlichen Standards) am Ende des Texts gelistet
    werden. Nur in dieser Form zählt der Quellenverweis und dann auch dein Kommentar.

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