Objektbeschreibung

KuWi, Se1.

Tim Meyerhoff

 

 

Ich habe mich beim Besuch des Fockemuseums bezüglich unserer Objektbeschreibung für ein Behältnis aus Metall entschieden, das für die Aufbewahrung von Kaffee vorgesehen ist. Unserem Kurs war es völlig freigestellt, für welches Objekt man sich für eine freie, kreative Gegenstandsbeschreibung entscheidet. Ich möchte noch einen Schritt weiter gehen, und das einst verteilte Arbeitspapier mit aufgelisteten Denkanstößen für eine eventuelle Vorgehensweise nahezu völlig außer Acht lassen, da mein Objekt mich auf einer nicht klar definierbaren Ebene fesselt, die ich im Rahmen von vorgegebenen Richtlinien nicht niederschreiben könnte. Ich weiß nicht, ob ich damit die Regeln für diesen Arbeitsauftrag verletze und meiner Aufgabe in vollkommener Richtigkeit nachkomme, ich möchte aber vom Aspekt des freien, kreativen Schaffens Gebrauch machen, der zu dieser Aufgabe von uns gewünscht wurde und bin der Meinung, dass es dafür überhaupt keine Richtlinien gibt. Es besteht jedoch die Chance, dass ich ungewollt und rein zufällig einigen, grundlegenden Richtlinien, bzw. Denkanstößen des Arbeitsblattes aus Automatismus nachkommen könnte.

 

Ich verließ als einer der Ersten des Kurses das Museum, da meine Wahl sich recht schnell als beendet erklärte, nachdem mir mein ausgesuchter Gegenstand ins Auge viel. Das was ich fühlte, das was ich in dem Gegenstand sah und woran ich dachte, geht jedoch weit über das hinaus, was er vielleicht darstellt oder zu welchem Zweck er existiert. Für mich ist diese, eigentlich recht unspektakuläre Kaffeebüchse ein Symbol für eine Atmosphäre, eine vergangene Zeit, einen Geruch oder eine höhere Ebene, die ich nun versuchen werde zu beschreiben. Dieses Skript ist also keine Gegenstandsbeschreibung an sich, vielmehr ist es eine geschriebene Hymne, eine Ode an ein für mich noch nicht klar zu definierendes Etwas, dass sich irgendwo zwischen verschiedenen Zeiten, Kulturen und Strömungen befindet. Der gemeinsame Nenner dieser Aspekte ist jedoch der lokale: Die Hansestadt Bremen.

 

Der braune, metallische Kaffeebehälter mit etwa 30cm Kantenlänge war mit keinen Datierungen oder Fakten versehen, was mich freut, da sonst diese Fakten meine Fantasie wahrscheinlich eingeschränkt hätten. Ich weiß nur, dass er irgendwann zwischen 1850 und 1950 in einem kleinen Bremer Geschäft gestanden haben muss und er mit Kaffeepulver gefüllt war. Die ausschlaggebende Verzierung dieser Büchse ist auf dem Deckel das eingestanzte Abbild des Bremer Marktplatzes mit Rathaus, Dom und Roland aus einer längst vergangen Zeit. Damit wären wir beim ersten Gefühl meinerseits: Nostalgie. Es handelt sich also um ein Objekt, was eine Zeit erlebt hatte, als meine Heimat, die Hansestadt Bremen, eine aufstrebende Stadt im Bündnis der Hanse war. Viel bedeutsamer, viel wohlhabender und viel angesehener als heute, wo sich Bremen damit schwer tut, aus dem Schatten der Hamburger zu entweichen. Ich denke an clevere, angesehene, bescheidene Kaufleute, die sich mit Pfeife und vielleicht sogar noch einem Zylinderhut in kleinen Kreisen zusammenfanden und im Kerzenschein in angesehen Bars oder Kaffees in der Innenstadt zur Abendstunde über das Geschäft redeten. Die alten, ursprünglichen Bremer Kaufleute, die wahren Hanseaten, die den Grundstein für die Wirtschaft dieser Stadt gelegt hatten. Eine Zeit, die auch noch andauerte, als der Borgward Isabella seinen Besitzer stolz und elegant über die Markusallee nach Hause fuhr, wo man dort mit Drink und Tabak den eben abgewickelten Geschäften den letzten Feinschliff verpasste und sich den Handschlag gab. Eine Zeit, eine Atmosphäre, die meiner Heimatstadt eine Kultur und eine Relevanz geschenkt hat, die heute vielleicht etwas in die Jahre gekommen, aber immer noch unter der Oberfläche verborgen ist. Noch heute findet man im Schnoor oder in der Wachmannstraße im alten Schwachhausen Wohnungen im typischen alten Bremer Baustil, vereinzelte Bars mit Logos, die ein Männchen mit Zylinder und Gehstock zeigen und hin und wieder fährt auch noch ein Borgward einsam durch die Horner und Oberneulander Straßen, meistens am Wochenende um Mitternacht. Wer den wohl fährt?

 

Heute bildet für mich Bremen als elftgrößte Stadt Deutschlands ein Zentrum für eine bunte Jugend mit Zuwanderung aus aller Welt und ein Zuhause für alle Menschen, die jenseits dieser Länder Zuflucht suchen. Ich möchte den Metropolen wie Berlin oder Köln ihren Status nicht aberkennen, aber man sollte Bremens Multikult und seine Kultur mehr anerkennen. Ich lernte viele Menschen in dieser Stadt kennen, die ein Stück von Zu Hause mitbrachten und es mit der neuen Verbundenheit zu dieser Stadt kombinierten und ein völlig neues, individuelles Heimatgefühlt erschaffen und das ist Bremen für mich heute.

 

Dieses Handelsprodukt der alten Hanse lässt mich also in die Wurzeln meiner Heimatstadt blicken und sie mit der heutigen Zeit vergleichen und das alles nur, weil man den Bremer Marktplatz sieht und die Box etwas älter zu sein scheint. Ich weiß übrigens nicht einmal, ob es diese Zustände, wie ich sie beschrieben habe, überhaupt in dieser Form gab. Ich weiß aber, dass wir es diesen Männern zu verdanken haben, dass diese Stadt so ist wie sie ist, und wenn man einmal ganz tief in die Geschichte dieser Stadt hineinblickt, macht man die Erfahrung mit dem Gefühl, was Aussenstehende oft nicht nachvollziehen können. Das Gefühl der tiefen Verbundenheit mit dieser Stadt, das Familiäre, Verbundene und ursprüngliche. Jedermanns Heimat ist erwähnenswert, aber ich bin und bleibe Hansestädter Junge.

Ein Gedanke zu „Objektbeschreibung“

  1. Interessante Herangehensweise.
    Vor allem, weil du deutlich gemacht hast, dass Kreativität und der Schreibakt etwas sehr persönliches sind, was durch Vorgaben manchmal zurückgehalten und eingestampft wird. Ich finde den historischen Bezug sehr spannend, vor allem die detaillierten Ausführungen bezüglich der Stadt Bremen und der hanseatischen Vergangenheit.
    Auch deine Kritik daran, dass Bremen immer in den Schatten gestellt wird, ist absolut gerechtfertigt. Ich habe selten so einen glühenden Bremen-Patriotismus gesehen. 🙂
    Ich möchte an dieser Stelle nur anmerken, dass der wirtschaftliche Erfolg der alten Hansestadt auch auf Kolonialismus und der damit verbundenen Ausbeutung dieser Kolonien beruhte.
    Aber das ist ja so ähnlich betrachtet auch heute noch die Grundlage unseres Wirtschaftlichen Erfolgs.
    Und beim Produkt des Kaffees haben sich die alten Strukturen kaum gewandelt, es ist immer noch die alte Kolonialware.

    Interessant, was so ein Kaffeedöschen verbergen kann.

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