Mehrsprachlichkeit in der Schule

  1. An Ihrer Schule gibt es eine – wie üblich sehr heterogen besetzte – Vorklasse, in welcher sogenannte Seiteneinsteiger*innen Deutsch lernen und auf die Teilnahme am Regelunterricht vorbereitet werden. Für einige wird nun der Übergang diskutiert. Ein Großteil der Lehrkräfte plädiert – mit Verweis auf die noch nicht vollständig ausreichenden (bildungssprachlichen) Deutschkenntnisse – sie an eine Realschule zu überweisen, obwohl die Schüler*innen hinsichtlich ihrer Lernfähigkeit und ihrer Vorbildung eigentlich die Voraussetzungen für das Gymnasium mitbringen und gerne an der Schule bleiben würden. Nehmen Sie auf Basis der Vorlesung Stellung dazu.
  2. Welche Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit – in der hier verstandenen breiten Sicht – in Schule und Unterricht (selbst als Schüler*in und(oder Praxiserfahrungen) haben Sie bislang gemacht? Diskutieren Sie die Erfahrungen vor dem Hintergrund dieser Vorlesung
  3. Was möchten Sie nach dem Besuch dieser Vorlesung bei Ihrer zukünftigen Unterrichtsgestaltung beachten? Welches Wissen und welche Fähigkeiten fehlen Ihnen dafür noch?
  4. Wie muss Schule unserer mehrsprachigen Gesellschaft gestaltet sein. Welche Rahmenbedingungen müssen gegeben sein, damit Sie die Mehrsprachigkeit ihrer Schüler*innen einbeziehen und einen registersensiblen Fachunterricht gestalten können?

 

  1. Zunächst einmal müsste ich genauere Informationen haben. Ich müsste mich zunächst informieren wie fleißig und wie erfolgreich die SuS bisher waren und wie die Lehrkraft ihr zukünftiges Lernen einschätzt. Auch müsste ich wissen, was den bisherigen Lernerfolg beeinflusst hat. Sollten die SuS fleißig sein und einen ausgeprägten Willen und Lust am Deutschlernen haben, würde ich sie vehement verteidigen. Eine Versetzung auf eine Realschule wäre in einem solchen Falle langfristig keine faire Lösung. Auch wenn persönliche Probleme das Lernen in der Vergangenheit negativ beeinflusst haben, ist es wichtig die SuS zu unterstützen, statt zu versetzen. Sollte sich jedoch herausstellen, dass keine persönlichen Probleme vorlagen und die Deutschlehrkraft das Lernen der SuS als ungenügend einstuft, würde ich mich meinen KollegInnen anschließen. Wichtig hierbei wäre noch die Anmerkung, dass ein erneuter Wechsel auf das Gymnasium möglich ist, sollten die SuS ihre Kenntnisse verbessern.
  2. In unsere Klasse kam in der 10. Stufe ein Junge aus Rumänien: Andi. Andi konnte wenig Deutsch sprechen und sein Englisch war auch nicht besonders gut. Als er in unsere Klasse kam, war das größte Problem, dass sich bei uns schon jeder kannte und sich feste Freundschaften schon gebildet hatten. Andi war irgendwie immer außen vor, auch wegen der Sprachbarriere, wurde aber zum Glück nicht gemobbt. Er tat mir damals sehr leid und obwohl ich nichts mit ihm gemeinsam hatte, unterhielt ich mich manchmal mit ihm. Ich sprach meistens Englisch aber er sagte, ich solle Deutsch sprechen, denn er möchte es gerne lernen. Das Problem war, dass ich ihn auf Deutsch nicht verstehen konnte und daher meistens, wenn er redete, nur nickte und „Ja“ sagte. Irgendwie tat mir das leid, aber ich wusste damals nicht, wie ich mit ihm umgehen sollte. Unsere Lehrer waren dagegen noch deutlich überforderter. Die meisten sagten einige Aufgaben auf Deutsch, und wenn Andi sie nicht verstand, wiederholten Sie sie exakt genau gleich auf Deutsch, nur lauter. Das verstand Andi natürlich genauso wenig. Manchmal versuchte er auf Fragen mir Zeigen und Englisch zu antworten, doch vor allem die Lehrkräfte ab einem Alter von 40 Jahren stellten sich dabei quer und nahmen einfach andere SuS dran. Man merkte, dass er ein intelligenter Mensch war, denn er war in Mathematik besonders gut und in anderen Fächern, in denen Deutsch eine untergeordnete Rolle spielte (wie Kunst, Filmunterricht, Informatik und Chemie). Ich glaube, dass das jeder irgendwie wusste, jedoch keiner etwas gegen die Sprachbarriere tun konnte und wir alle folglich nichts als Mitleid für Andi übrighatten. Heute weiß ich, dass man vieles hätte anders machen müssen und unser Mitleid Andi genauso wenig geholfen hat, wie das laute Wiederholen von Aufgabenstellungen.
  1. Ich habe unter anderem gelernt, dass bestimmte Worte wie „Migrant“ Vorurteile über die sprachlichen Kompetenzen auslösen, die nicht der Realität entsprechen müssen. Darüber hinaus sind Vorurteile und falsche Vorstellungen über die benötigte Zeit zum Lernen einer zweiten Sprache (Allgemeinsprachliche und Bildungssprachliche Kompetenzen) weit verbreitet. Fehlinformationen und Stereotypen-Denken hindern hierbei eine positive Unterstützung der SuS und eine zukunftsgerichtete Inklusion von mehrsprachlichen SuS. Ich möchte mir für meinen zukünftigen Unterricht vornehmen, weniger in Stereotypen und Vorurteilen zu denken. Bis dahin ist es noch ein weiter weg, da ich unweigerlich oft in Stereotypen denke, da ich bestimmte Assoziationen mein ganzes Leben lang genutzt habe.
  2. Zwar ist dies keine besonders hilfreiche Antwort, aber ich muss in diesem Bezug zugeben, dass ich davon leider keine ausgearbeiteten Vorstellungen habe. Ich bin nicht sicher, ob man auf alle heterogenen Aspekte einer Person (darunter Mehrsprachigkeit) überhaupt Rücksicht nehmen muss, oder ob sich Menschen nicht auch mit den harten Rahmenbedingungen arrangieren sollten. Die Aufgabenstellung nimmt jedoch an, dass ein registersensibler Unterricht die grundlegend sinnvollste Lösung ist.
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