Die Aussage der Mentorin „Der Schüler M. ist bereits in Deutschland geboren und kann sich immer noch nicht vernünftig ausdrücken. Dabei müsste er doch mittlerweile wirklich wissen, wie man etwas erklärt.“, also dass alle Kinder die in Deutschland geboren wurden, gut Deutsch sprechen können, ist unbedacht und trifft nicht immer zu. Der Schüler M. kann einen Migrationshintergrund haben und demnach ist er höchstwahrscheinlich mit zwei oder mehr Sprachen aufgewachsen. Die Sprache Deutsch verwendet dieser Schüler vielleicht auch nur außerhalb des Elternhauses, sowie mit seinen Freunden oder in der Schule. Das Erklären von Dingen könnte dem Schüler demnach trotzdem schwerfallen, obwohl er in Deutschland geboren und aufgewachsen ist. Es liegt auch ein Unterschied in der Kommunikation und Sprache zwischen Freunden und dem Unterricht, wo in erster Stelle die Bildungssprache verwendet wird. Die Bildungssprache könnte dem Schüler Schwierigkeiten beim Verständnis herbeibringen. Die konzeptionelle Mündlichkeit beherrscht der Schüler vermutlich nicht, da es nicht ausreichend gefördert wurde.
In meinem Orientierungspraktikum kam ich mit dem sprachsensiblen Unterricht kaum in Berührung. Den SuS, die die Sprache nicht so gut verstehen konnten, wurden die Aufgaben noch mal von der Lehrkraft im Einzelnen vereinfacht erklärt. Dies funktionierte aber auch nicht immer und ist durch eine einzige Lehrkraft nicht gut umsetzbar, da mehr als fünf SuS Probleme beim Verstehen der Aufgaben hatten und die Zeit zum einzelnen Erklären nicht ausreicht. Ich beschäftigte mich in dieser Zeit mit den SuS, die die Aufgabenstellungen nicht richtig verstanden hatten, und bemerkte, dass eine zweite Lehrkraft in solchen Fällen wirklich eine große Hilfe darstellen würde, da die Mehrheit der SuS dann die Aufgaben auch verstehen und lösen können.
Im Allgemeinen wäre es interessant zu schauen, was genau sprachsensibler Unterricht ist und wie man es aktiv umsetzen kann. Wie können die SuS noch sprachlich gefördert werden, die Schwierigkeiten beim Verstehen und Sprechen haben? Im naturwissenschaftlichen Sachunterricht wäre es spannend die SuS zu beobachten, die zweisprachig aufwachsen und inwieweit sie die deutsche Sprache beherrschen. Werden die Fachbegriffe, die man im Sachunterricht verwendet, verstanden? Kann das Erklärte in eigenen Worten von den SuS wiedergegeben werden, wenn der Unterricht sprachsensibel gestaltet ist?
Hallo Ilayda! Vielen Dank für deinen Beitrag, ich habe ihn mit großem Interesse gelesen.
Ich stimme mit dir überein, dass die Mentorin ihre Aussage ohne gründliche Überlegung getroffen hat und damit pauschalisiert und versucht in einfache Kategorien einzuordnen. Es ist, wie du schilderst, die Möglichkeit vorhanden, dass der Schüler M. zweisprachig aufwächst, dass deutsch vielleicht sogar seltener benutzt wird (z. B. nur in der Schule).
In der Schule wird vor allem die Bildungssprache benutzt, mit deren Umgang der Schüler aus dem Beispiel wahrscheinlich wenig vertraut ist. Das kann außerhalb des Deutschunterrichts zu Schwierigkeiten führen. Die sprachliche Umgebung prägt Kinder. Die konzeptionelle Mündlichkeit kann hierbei ungeübt sein, da diese an Richtlinien, also bestimmte Ausdrucksweisen gerichtet ist, die der Bildungssprache entsprechen, der Schüler M. ist wahrscheinlich nur mit der medialen Mündlichkeit vertraut.
Ich finde es recht schade zu lesen, dass du in deinem Praktikum, bezogen auf den sprachsensiblen Unterricht, kaum bis gar keine Beispiele beobachten konntest. Fragestellungen werden oft in der Bildungssprache formuliert, somit verfehlen sie aber oft ihr Ziel. Die Aufgabe, vor der der/die Schüler_in steht, ist dann nicht der Inhalt, um den es gehen sollte und welchen der/ die Schüler_in vielleicht ohne Schwierigkeiten löst, sondern die sprachliche Barriere. Sie kann demotivierend wirken und den Spaß am Lernen nehmen.
Ich selbst habe ähnliche Erfahrungen gemacht und konnte kaum sprachsensiblen Unterricht beobachten.
Wie du vorschlägst, wäre eine zweite Lehrkraft eine immense Hilfe.
Die Fragen, die du für eine Beobachtungsaufgabe entwickelt hast, finde ich sehr spannend, da ich mir diese Fragen auch schon gestellt habe.
Die Naturwissenschaften weisen eine große Fülle an neuen Fachwörtern, die für Muttersprachler, die mit Bildungssprache Erfahrung haben, eine Herausforderung sind, dadurch wird der Schwierigkeitsgrad für mehrsprachige Kinder umso deutlicher. Deine Fragestellung finde ich daher äußerst relevant.
Hallo Ilayda,
vielen Dank für deine aufschlussreichen Aussagen in deinem Beitrag, denen ich gern zustimmen möchte. Auch ich erachte die Aussage der Mentorin als kritisch. Dass der Schüler in Deutschland geboren wurde, ist längst keine Voraussetzung dafür, die Bildungssprache zu beherrschen. Hier ist zum einen zu vermuten, dass der Schüler in seinem häuslichen Umfeld möglicherweise nicht ausreichend in Kontakt mit der Bildungssprache gerät. Zum anderen könnte es durchaus auch möglich sein, dass der Schüler aus einer Familie mit Migrationshintergrund stammt und zuhause weitestgehend in der Muttersprache kommuniziert wird.
In meiner bisherigen Praxiserfahrung habe ich keine Differenzierung innerhalb des Klassenverbundes erfahren. Jedoch wurden einige Kinder sehr schnell in DaZ-Kursen aufgenommen, durch welche sie bereits wenige Wochen nach ihrem Schulstart aus der Klasse genommen wurden. Diese komplette Isolation erachte ich als wenig sinnvoll, da die SchülerInnen so nur bedingt in Kontakt mit ihrer Stammklasse und somit in sprachlichen Austausch mit ihren MitschülerInnen treten.
Aufgrund der genannten Aspekte wäre es für mich wertvoll, zu beobachten, inwieweit man sprachliche Förderung in den Unterricht integrieren könnte, ohne die Schülerinnen aus dem Klassenverband zu nehmen.