Doppelte Heterogenität – Vom strukturierten Wissen zum unstrukturierten Denken

Professor Klee hat in seiner Vorlesung mit dem von ihm vorgefassten Modell der „doppelten Heterogenität“ wesentliche sozialwissenschaftliche Angebote für den schulischen Kontext aufbereitet und zusammengefasst.

(Ich frage mich gerade, warum dies ein Blog-Eintrag genannt werden kann, wenn wir uns doch eigentlich auf widerkehrend drei (3) gut durchstrukturierten Fragekomplex-Bahnen durch eine mit schmalgängigen Antwortvorgaben (es geht ja um Praxis!) versehene Flusslandschaft zu bewegen haben? Bevor das ausufert über die hilflosen Versuche, durch mehr Vorgaben und Strukturen und (offenbar empfindliche) Systeme im Studienalltag endlich einen kreativen und differenzierten Umgang mit den Gegenständen zu erzwingen (Anweisungen und Vorgaben führen leider oft zum Gegenteil), widme ich mich lieber der Aufgabe. Ich erkenne hiermit an, dass bis an diese Stelle nur ein produktiver Satz von Zehn erfolgt ist (1/10) und speichere dieses Absatzkonstrukt lieber schnell unter „Agonie der Kreativität durch Raumverlust/unsachgemäße Zeugnisse des Denkhintergrundes/es lebe die Erfüllung (#Ruderbank)“ ab, bevor es zu spät ist und privates zu öffentlichem wird.)

Im Wesentlichen steht hinter dem inspirierenden Beitrag Prof. Klees die Anerkennung, dass es sich bei sozialwissenschaftlichen Gegenständen – im Vergleich etwa zu naturwissenschaftlichen Gegenständen – um weitestgehend unstrukturierte Begriffe und Konzepte handelt. Spezifisch für diese Gegenstände ist also das Fehlen der allgemein und/oder finit bestimmbarer Kriterien, weshalb diese selbst (sozial-)wissenschaftlich betrachtet nicht für sich definiert werden können. Als ein Beispiel wurde das Wort „Demokratie“ angesprochen. Im Umgang mit SuS im Rahmen schulischer Bildung muss diese Anerkennung des begrifflichen Konzeptioncharakters, also dessen „Heterogenität“, also Uneinheitlichkeit im wissenschaftlichen Diskurs zwingend beachtet werden.

Besonders für die Unterrichtspraxis und damit als „Doppelte Heterogenität“ bezeichnet ist nun der Umstand, dass die Vorstellungen einer Heterogenen Gruppe von SuS über die wissenschaftlich heterogenen Ansätze zum Umgang mit Begriffen/Konzepten natürlich selbst heterogener Vielfalt unterliegen. Prof. Klee konnte sehr deutlich werden lassen, dass die SuS hier äußerst diverse „Ansichten“ oder Präkonzepte in den Unterricht einbringen oder nicht einbringen. An dieser Stelle zeit sich, dass ein systematischer Umgang mit den Gegenständen sozialwissenschaftlicher Fächer z.B. im Politikunterricht vollkommen abwegig ist, weil dieser weder den Gegenstand selbst erreicht, noch die Sus.

(An dieser Stelle nochmal schnell den flow unterbrechen und zum abgleich in die Instruktionen schauen)

Als Germanist/Deutschlehrer wäre es sicherlich eine spannende Aufgabe, sich mit den SuS einigen Konzepten/Begriffen aus der mittelalterlichen Literatur zu widmen. Es ist allein im historisch-wissenschaftlichen Diskurs ein wesentlicher Verhandlungsgegenstand, sich mit dem Begriff der „êre“ zu beschäftigen, der ganz vielfältige Ausformungen der Kulturpraxis zeitgenössicher mittelalterlicher Menschen aufweist. Analog und im Sinne der doppelten Heterogenität ist sicher zu beobachten, dass die SuS selbst ganz heterogene Konzepte von Ehre in die Gruppe einbringen können. Ziel einer solchen Stunde könnte die Ausarbeitung einer möglichst großen Bandbreite dieser historischen und modernen, oder historisch-modernen Perspektive mit ganz unterschiedlichen Vorstellungen für unseren Umgang sein.

Ein Kernappell der Vorlesung bestand darin, das wir uns im Umgang mit SuS damit vertraut machen müssen, bzw. sensibilisiert werden, dass jede*r Einzelne ein ganz eigen geprägtes Wirklichkeitsprofil in die Gruppe einbringt und somit eine Gefahr besteht, dass diese heterogenen Konzepte (von Frieden, Demokratie oder Ehre) bzw. Lebenswirklichkeiten zu einem Verblassen von Gemeinsamkeiten führen. Somit decken sich schulische und gesellschaftliche „Aufgaben“ des sozialwissenschaftlich-fundierten Unterrichts.

Prof. Klee hat deshalb zu einem aktiven Engagement im Sinne einer Austauschkultur über diese Konzepte/Wirklichkeiten aufgerufen, welche möglichst allen SuS vermittelt werden sollte.

(Eine ganz tolle Vorlesung! Wie wäre es denn, wenn man nächstes Mal schriebe: Denken Sie sich doch selbst ein paar Fragen aus oder sind Sie am Ende des Satzes schon woanders? Leidet dann der Output? Das mit den Zehn Sätzen kann man ja immer noch beibehalten.)

 

So war das erste mal BAUMHET

Die Einführungsveranstaltung der Ringvorlesung hat neben dem festen Ritus der zu klärenden Prüfungsrelevanten Strukturen und Vorgehensweisen (äußerst wichtig!) erste Einblicke auf ihre innovative Organisation und den Gegenstand gewährt.

Am Beispiel der anwesenden Großgruppe ließen sich zunächst durch den Dozenten Fantini einige Grundannahmen über Heterogenität und Homogenität im Rahmen mehrerer Fragen frei assoziieren, was eine starke Unschärfe der Begriffe innerhalb der bisher nicht sensibilisierten Studierendenschaft aufzeigte. Als Grund dafür wurde die subjektive Vermengung unterschiedlicher Wissensarten und Bereiche, bzw. Kenntnisstände offenbar. In diesem Sinne wurde auch der Terminus des Präkonzeptes angesprochen, welcher frei mit „subjektiven Theorien“ erläutert wurde. Es ist geboten, sich im Rahmen der Vorlesung mit diesen auseinanderzusetzen und sie ggf. zu korrigieren.

Für den weiteren Vorlesungsverlauf wurde daher eine allgemeine Manifestation vorgenomen, die für den theoretischen wie praktischen Umgang mit Heterogenität/Homogenität gelte: Es wird vorausgesetzt, dass Heterogenität (insbesondere im Rahmen von Schule) einem gegebenen Zustand entspricht und daher als solcher nicht zu regulieren, sondern zu achten, also in reflektierte Überlegungen einbezogen werden muss. Dafür soll die Vorlesungsreihe Einblicke gewähren.

Die gesellschaftliche Realität unterliegt offensichtlich starken Normalitätserwartungen, welche die Basis für strukturelle und individuelle Diskriminierung sind. Eine fragende Grundhaltung, welche durch die Vorlesung evoziert werden soll, erkennt Vielfalt als anspruchsvolle Realität an und setzt sich gleichsam mit den menschlichen Ordnungswünschen auseinander.

Es wurden im Anschluss einige Beispiele zu kritischen Stellen individueller und struktureller Diskriminierung im Schulalltag gegeben, welche jeweils bestimmte Heterogenitätsfaktoren nicht beachteten.

Besonders prägnant erschien mir der Umgang mit sog. „Bildungsinstitutionsdeutsch“, welcher einen angemessenen Umgang mit Sprache, sowie damit drohende Exklusionserfahrungen aufzeigte. Aus der Praxiserfahrung wurde eine Schulklasse benannt, welche vorangig aus SuS mit Migrationshintergrund bestand und bestimmte Wörter (man könnte fieserweise auch ‚Lexeme‘ schreiben) nicht auffassen konnte. Als Beispiele für dieses Bildungsinstitutionsdeutsch wurden „Option“ sowie „Aktuell“ verwandt.

Mich hat das insofern sehr irritiert, als das ich diese Wörter zumindest im allgemeinen, gesellschaftlichen Umgang voraussetze. Initiativen wie die der ‚Leichten Sprache‘ auf den Internetseiten der Stadt Bremen sprechen wohl (bedingt) gegen eine solche (selbstgerechte?) Auffassung. Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren, woher die SuS denn sonst eigentlich mit Bildungsinstitutionsdeutsch (und damit einer möglichen Sprachvielfalt, oder handelt es sich eben doch nur um ein Distinktionsmerkmal?) konfrontiert werden sollen, wenn nicht an der Schule? Sollen Lehrer sich in diesem Zusammenhang ausschließlich „unbildungsinstititionssprachlich“ artikulieren (oder besser: Ausdrücken?)? Geht das überhaupt noch, wenn einem die vorgebrachten Wörter als ‚leichte Sprache‘ erscheinen? Müssen Lehrkräfte nicht auch in gewisser Hinsicht Vorbildhaft und mit einem besonderen Habitus versehen sein, damit sie Bildungswachstum bei den SuS motivieren können?

Ich kann mich nicht mehr an meinen Wortschatz in der Schule erinnern. Sicher dabei waren: Hund, Katze, Maus. Unsicher dabei waren ‚Option‘ und ‚Aktuell‘. Ganz sicher nicht dabei waren ‚Lexem‘ und ‚Bildungsinstitutionsdeutsch‘.

Viele Fragen also, die aus der Vorlesung entstanden sind und hoffentlich dort, als auch im Rahmen ereignisreicher und turbulenter Praktika beantwortet werden!

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