Guter Unterricht in der Erziehungswissenschaft gleich guter inklusiver Unterricht?

Listen Sie Prinzipien guten Unterrichts auf, die Sie aus einem Ihrer studierten Unterrichtsfächer oder aus erziehungswissenschaftlichen Veranstaltungen kennen (mit Quellenverweis).Erörtern Sie inwiefern diese zu gutem inklusiven Unterricht passend erscheinen und wo es Ihrer Einschätzung nach noch keine Übereinstimmung oder spezifische Entwicklungsbedarfe gibt.

Ich habe mich für die „Merkmale guten Unterrichts“ von Hilbert Meyer (2004) entschieden, den ich aus einer erziehungswissenschaftlichen Veranstaltung kenne. Diese Merkmale lauten:

  1. Klare Strukturierung des Unterrichts

  2. Hoher Anteil echter Lernzeit

  3. Lernförderliches Klima

  4. Inhaltliche Klarheit

  5. Sinnstiftendes Kommunizieren

  6. Methodenvielfalt

  7. Individuelles Fördern

  8. Intelligentes Üben

  9. Transparente Leistungserwartungen

  10. Vorbereitete Umgebung

Quelle: Meyer, Hilbert: Was ist guter Unterricht?. Berlin (Cornelsen Vlg.) 2004.

Ähnlich wie Meyer, wurde in der Vorlesung das Kriterium Individualisierung für guten inklusiven Unterricht genannt. Meyer spricht von der individuellen Förderung, die ein Teil der Individualisierung des Unterrichts ist. Auch gehört zum individuellen Fördern (Meyer) die innere Differenzierung, die in der Vorlesung als ein eigenes Kriterium genannt wurde. Hilbert Meyer spricht weiter von einem intelligenten Lernen, das im Unterricht verfolgt werden soll. Damit ist das erwerben von Lernstrategien, das Verfassen passgenauer Übungsaufträge und eine gezielte Hilfestellung gemeint. Um den SuS diese Passgenauigkeit und die Zielgerichtetheit gewährleisten zu können, muss eine innere und eine konkrete Zieldifferenzierung stattfinden. In der Vorlesung benannte Frau Dr. Korff den offenen Unterricht als eine wichtige Eigenschaft guten inklusiven Unterrichts. Meyer spricht nicht explizit von einer Öffnung des Unterrichts, dennoch nennt er einige wichtige Merkmale dieser Unterrichtsform. Methodenvielfalt, ein hoher Anteil an echter Lernzeit und eine vorbereitete Umgebung, finden sich auch im offenen Unterricht wieder. Das Lernen im sozialen Austausch findet sich bei Meyer im Punkt der sinnstiftenden Kommunikation wieder. Damit ist die Gestaltung einer Gesprächskultur, die Planungsbeteiligung und die Einführung und Nutzung des SchülerInnen – Feedbacks gemeint. Meyer spricht dabei eher von den strukturellen Formen des sozialen Austauschs, jedoch ist für das Lernen in diesem Kontext eine gute strukturelle Grundlage wichtig. Meyer spricht immer wieder von der Klarheit und Transparenz, auf struktureller, als auch auf inhaltlicher Ebene. Dieser Punkt, wie auch das Klima innerhalb der Lerngruppe und Lernumgebung, wurden in der Vorlesung nicht explizit angesprochen. Umgekehrt fehlt in den von Hilbert Meyer aufgestellten Prinzipien das entdeckende und selbstständige Lernen.

Ich denke, dass Meyer in seinen Ausführungen eher die Anforderungen an die Lehrperson und die Lernumgebung in den Blick genommen hat, wohingegen in der Vorlesung der Blick klar auf den Bedürfnissen der individuellen Schüler lag. Für einen guten inklusiven Unterricht müssten einige Punkte von Hilbert Meyer noch auf die Anforderungen in einer sehr heterogenen Lerngruppe angepasst werden.

Sprachliche Heterogenität

Sprachliche Heterogenität im naturwissenschaftlichen Unterricht – eine Herausforderung oder eine Chance?

Schüler, die die deutsche Sprache noch nicht vollständig erlernt haben und auch Kinder, deren Muttersprache Deutsch ist, die jedoch Probleme mit der Sprache haben, können im naturwissenschaftlichen Unterricht auf diverse sprachliche Barrieren stoßen. In Aufgabenstellungen können unklare Formulierungen oder das Voraussetzen des Verstandenhabens schwieriger Fachtermini zu Unverständnis und Frustration führen.

Besonders in der Formulierung der Aufgaben muss auf die Wortwahl geachtet werden. Ein Beispiel für Fallen im Deutschen ist die sehr verbreitete Verwendung komplexer Komposita. In vielen anderen Sprachen ist dies jedoch unüblich. Das Verstehen dieser Komposita fordert genaue Kenntnisse über die Wörter und über mögliche Sinnveränderungen durch die Zusammenschreibung (z.B. Löwenzahn). Viele weitere Fallen der deutschen Sprache, wie zum Beispiel doppeldeutige Wörter oder Synonyme, sollen in Aufgabenstellungen vermieden werden. Dies fordert ein hohes Maß an Reflexion der Ausdrucksweise und Einfühlungsvermögen in die Sprachenlerner.

Um Verständnisschwierigkeiten im Vorfeld zu vermeiden, sollten Aufgaben vor der Arbeitsphase (bzw. die Hausaufgaben) ausführlich besprochen werden. Dabei können auch Fachbegriffe nochmals geklärt werden. Auch sollte den Kindern die Sprachbarriere durch sprachversrändnisbezogene Hilfsmittel genommen werden (z.B. Wortfelder und – listen, Satzmuster, Bildsequenzen, Analogien aus dem Alltag).

Mehrsprachigkeit fordert die Lehrkraft besonders in Fächern, in denen viele Fachtermini verwendet werden und komplexe Erklärungen nötig sind, besonders heraus. Im Sprachenunterricht bietet Mehrsprachigkeit die Chance zu kontrastieren und so das Sprachbewusstsein der Schüler zu sensibilisieren. In naturwissenschaftlichen Fächern ist dies nur bedingt möglich und hilft kaum beim Erreichen der Lernziele.

Aufgabe für den BiPEb-Bereich

Wie ließe sich das in der Vorlesung vorgestellte Enter-Projekt für die Grundschule nutzbar machen? Welche Möglichkeiten der Einbindung von Eltern sehen Sie dort?

Ich denke, dass das Enter-Projekt auch in der Grundschule von Nutzen sein kann. Das Material in der Kiste müsste dafür dem Altern bzw. dem Lernstand und den Interessen der SuS der angesprochenen Gruppe angepasst werden.

Kinder, die Probleme mit der deutschen Sprache haben, könnten spielerisch Präpositionen lernen, die sie im Mathematikunterricht dringend benötigen. Auch würden sich die SuS am Wochenende mit mathematischen Strukturen in den Spielen zusätzlich beschäftigen und so ihre Kenntnisse vertiefen. Vielleicht nimmt das Projekt den Kindern den schnell entstehenden Stress im Mathematikunterricht, der durch das Gefühl des Versagens oder der Überforderung entsteht, da sie Mathematik auch als etwas Spannendes und Aufregendes erfahren.

Die Stuhlkreisarbeit mit den Erzählkarten kann auch in der Grundschule genutzt werden. Viele SuS haben keine Erfahrungen mit freiem Erzählen und könnten durch regelmäßige Wiederholung in der Schule eine Erzählfähigkeit erlernen.

Die Kinder könnten zusätzlich an der Auswahl der Materialien beteiligt werden. Beispielsweise durch Abstimmungen über erneute Ausleihmöglichkeiten von bereits bekannten aber sehr beliebten Materialien. Auch können sich die SuS Begleitmaterial zu den Büchern eigenständig überlegen und erproben. Ein Beispiel wäre dafür die Aufgabe, die wir bereits in der Vorlesung kennengelernt haben, nämlich das Nachstellen und fotografische Festhalten von bestimmten Bildern aus einem Bilderbuch.

Die Eltern der GrundschülerInnen sind durchschnittlich schwerer zu erreichen und einzubinden als die Eltern von Kindergartenkindern, da die Tür-und-Angel-Gespräche nur selten stattfinden und die Eltern einen größeren Abstand zur Schule als zu den Kitas empfinden. Jedoch könnte das Projekt auf einem Elternabend vorgestellt werden. Dort könnte den interessierten Eltern die Möglichkeit eines Workshops angebotenwerden, der an einem Vormittag in der Schulzeit mit den Kindern gemeinsam gestaltet wird. Die Eltern könnten auch durch Fragebögen eingebunden werden, die am Wochenende gemeinsam nach dem Lesen oder Spielen ausgefüllt und im Stuhlkreis von den Kindern vorgestellt werden.

Genderorientierte Schulaufgaben

Ermitteln Sie in einer Lehrbuchreihe Ihrer Wahl Aufgaben, die Ihrer Ansicht nach besonders Jungen oder besonders Mädchen ansprechen. Versuchen Sie diese Aufgabe(n) mit einer umgekehrten Gender-Orientierung umzuformulieren.

In vielen Lehrbüchern, wird versucht mit vermeintlich genderspezifischen Aufgabenstellungen die Motivation bestimmter Interessensgruppen anzusprechen. Dabei werden klischeehafte Zuschreibungen von Interessen einem bestimmten Geschlecht der SuS zugeschrieben. Die Kinder werden dadurch in stereotypen Rollenvorstellungen gedrängt. Ein Mädchen kann sich genau so gut für Drachen und Autos interessieren und empfindet die Aufgabe als ansprechend, wie sich ein Junge von in Rosa- und Lilatönen gehaltenes Aufgabenblatt angesprochen fühlen kann.

Wie bereits zahlreich von meinen KommilitonInnen bewiesen, kann eine Aufgabe die stereotype Genderinteressen eines bestimmten Geschlechts aufgreift, genauso klischeehafte auf das andere Geschlecht übertragen werden.

Versucht man mit genderbezogenen Aufgabenstellungen verschiedene Interessen einer heterogenen Gruppe aufzugreifen, sollte es den SuS freigestellt sein, für welche Aufgabe sie sich entscheiden. Lernenden Aufgaben entsprechend ihres Geschlechts zuzuordnen, klingt für mich nach einer Zuschreibungen von Stereotypen, die den Kindern vorschreiben, wie man ein Mädchen oder ein Junge ist.

Der Ansatz vielfältige Interessen innerhalb einer Lerngruppe auch in den Aufgabenstellungen aufzugreifen, kann durchaus zu einer Steigerung der Motivation zur intensiveren Auseinandersetzung mit einem Thema führen, jedoch nur, wenn den SuS keine Interessensfelder unreflektiert zugeordnet werden. Die Kinder sollten bei solchen Entscheidungen mitbestimmen oder sich das Thema vollkommen eigenständig überlegen dürfen.

Finden die SuS sich in den Themen des Unterrichts oder auch nur in den Aufgabenstellungen zu einem ihnen entfernteren oder noch fremden Thema wieder, fällt es ihnen womöglich leichter Interesse zu entwickeln. Auch sollten Lehrkräfte selbstständig agieren, wenn solche gendertypischen Aufgaben vorliegen, und diese zu geschlechterneutralen umformen können.

Genderbezogene Präsentation

Was hat die genderbezogene Präsentation der Theatergruppe bei Ihnen ausgelöst – und wie beziehen Sie diese Effekte auf Ihre Professionalisierung zu gendersensiblen Lehrkraft?

In der sechsten Ringvorlesung wurde ein Theaterstück aufgeführt, welches Denkanstöße geben sollte um möglichen Entwicklungsaufgaben für sich als angehende Lehrkraft, im Bezug auf den Umgang mit Gender, zu entwickeln.

In der Präsentation der Theatergruppe traten verschiedene, stark überspitzte Charaktere, verkörpert von Männern und Frauen, auf. Für das Publikum waren die Charakteristischen Eigenschaften klar erkennbar. Es gab den überheblichen, scheinbar sehr selbstbewussten und den ängstlichen, schüchternen und angespannten Mann. Weiter spielten drei Frauen die provozierend, ironisierende, unfreundliche Frau, die übermotivierte, arrogante und erotisierende Person und die leicht zu verunsichernde, fast zu liebe junge Frau.

Jede dieser dargestellten Figuren hätte sowohl von einem Mann, als auch von einer Frau gespielt werden können, da die Stereotypen sowohl einem Mann oder einer Frau zugeschrieben, als auch von beiden Geschlechtern inszenierte werden könnten.

Bei mir als Zuschauerin haben die Figuren verschiedene Emotionen ausgelöst. Denke ich nun im Nachhinein über meine spontanen Gefühle während des Stückes nach, fällt mir auf, dass ich den überheblichen, selbstbewussten Mann als unsympathisch und aufgesetzt empfunden habe. Im Verlauf des Stückes stellte sich jedoch heraus, dass er gar nicht so selbstsicher war wie es zuvor den Anschein hatte. An diesem Beispiel, ist zu erkennen, dass hinter bestimmten Charaktereingenschaften Genderinszenierungen stecken können, die als Strategien, bewusst oder unbewusst, verwendet werden können. Ein weiteres Beispiel könnte dazu der extrem schüchterne Mann sein. Er macht sich ganz klein und gibt sich so schwach, dass er als Konkurrent gar nicht in Frage kommt und somit nicht in Konflikte gerät.

Ich hätte nach der Präsentation genau sagen können wer mir nach einem erste Eindruck sympathisch war und wer nicht. Für eine Lehrkraft ist eine solche spontane Einschätzung sehr problematisch. Dies kann dazu führen, dass Kindern bestimmte Stereotypen zugeschrieben werden oder Genderinszenierungen von der Lehrkraft nicht erkannt und reflektiert werden. Eine gendersensiblen Lehrkraft sollte die eigenen Emotionen, verursacht durch Eigenschaften der SchülerInnen, kritisch betrachten und reflektieren! Nur so können ungerechte genderbezogenen Handlungen vermieden und die SuS dafür sensibilisiert werden.

Eine Gefahr begegnungspädagogischer Konzepte ist das „Othering“. Was genau sind die Probleme, und wie werden sie didaktisch erzeugt?

Seit 1950 hat die religiöse Pluralität in Deutschland deutlich zugenommen. Aus der starken christlichen Homogenität ist eine religiöse Heterogenität entstanden, dabei ist besonders der Anteil an Personen die Religionen indifferent gegenüber stehen angestiegen (Säkularisierung). Durch Zuwanderung aus anderen Ländern wächst die Vielfalt an Religionen in Deutschland. Mit dem Konzept der Begegnungspädagogik soll aufkommende Angst vor fremden Religionen und Kulturen überwunden werden. Auch sollen Missverständnisse und Vorurteile abgebaut und Toleranz durch Verständnis aufgebaut werden.

In vielen an Schulen praktizierten begegnungspädagogischen Konzepten wird davon ausgegangen, dass aus einem Kennenlernen und Verstehen automatisch auch ein Achten entsteht. Diese problematische Einstellung kann in einigen Fällen dazu führen, dass Konflikte und Differenzen bestehen bleiben oder noch vertieft werden. Ein weiteres mögliches Problem diese Konzeptes ist das Othering, wobei auf einzelne Personen Eigenschaften ganzer Religionsgemeinschaften projiziert werden. Bei diesem Generalisierungsvorgang werden Großgruppen konstruiert, die auf wenigen Personen oder nur einen Einzelnen zurückzuführen sind.

Werden in Schulen im Rahmen des Konzeptes nur einzelne Beispiele für Religionen, die den SuS unbekannt sind angeboten, kann dies zur Entstehung von Vorurteilen beitragen. Wird nicht weiter darüber gesprochen, müssen die Kinder davon ausgehen, dass die Einstellungen der kennengelernten Person auf alle Vertreter dieser Religion zutreffen. Ein Ein ähnliches Beispiel dazu lernte ich während meines Orientierungspraktikums kennen. Am Tag des Bayram, des Zuckerfestes war die Hälfte der Klasse von ihren Eltern abgemeldet worden. Am folgenden Tag konnten die Kinder über das Fest sprechen. Die Lehrerin kam immer wieder auf das Thema zurück und sprach ein türkischstämmiges Mädchen mehrmals darauf an, obwohl die Schülerin keine Muslima war und das Fest nicht gefeiert hatte. Scheinbar hatte die Lehrerin vom Aussehen der Kinder auf ihre Religionszugehörigkeit geschlossen.