Kein Platz frei? Doch – für alle. (Umgang mit Heterogenität-rv07)

1. Welche Konsequenzen hat die Aussonderung von Schüler:innen mit Förderbedarf?

Ich denke dabei sofort an meine kleine Schwester. Sie hat Förderbedarf, da sie im Autismus-Spektrum ist, besucht aber eine ganz normale Gesamtschule, gemeinsam mit allen anderen Kindern. Ich weiß nicht im Detail, wie stark im Unterricht auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird, aber was sie mir oft erzählt, ist, wie wichtig ihr die Freundschaften in der Klasse sind. Diese Beziehungen geben ihr Motivation, überhaupt zur Schule zu gehen, und sie strengt sich auch deshalb besonders an, weil sie sich dort angenommen fühlt.

Wenn ich mir vorstelle, dass sie auf eine Förderschule wechseln müsste, würde sie genau das verlieren: die alltäglichen sozialen Kontakte, das gemeinsame Lernen, das Gefühl, dazuzugehören. Sie erzählt auch oft, wie sehr sie von ihren Freundinnen unterstützt wird und dass sie selbst ihnen zum Beispiel in Mathe helfen kann, weil sie dort ziemlich gut ist. Das zeigt für mich: Unterstützung funktioniert nicht nur in eine Richtung. Es ist ein Geben und Nehmen, das in einer inklusiven Klassengemeinschaft ganz natürlich entsteht.

Zudem zeigen Studien, dass Schüler*innen an  inklusiven Schulen tendenziell bessere Lernfortschritte machen als in separierenden Förderschulen. ,,Schüler mit Förderbedarf lernen tendenziell bes-

ser in inklusiven Klassen, als dies in Förderschulen der Fall ist (Bertelsmann Stiftung 2008:6).”

Deshalb bin ich überzeugt: Die gegenseitige Unterstützung innerhalb der Klasse ist oft viel wertvoller als eine Trennung der Schüler:innen nach bestimmten Etiketten oder Diagnosen.

2. Was bedeutet die Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung & Entwicklung“ bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“ und nützt die Diagnose „Trisomie 21“ einer Lehrkraft mehr?

Aus meiner Sicht sagen solche Diagnosen erstmal nur sehr wenig darüber aus, wie ein Mensch tatsächlich lernt, was ihn interessiert oder wie er am besten unterstützt werden kann. „Förderschwerpunkt Wahrnehmung & Entwicklung“ oder „Lernen“ sind einfach zu allgemein. Auch die Diagnose „Trisomie 21“ (also das Down-Syndrom) sagt im Endeffekt nichts darüber aus, wie eine Person sich im Schulalltag konkret verhält, was sie motiviert oder welche Talente sie mitbringt. Menschen sind zu individuell und die Diagnose könnte ggf. mehr Schaden als Gutes anrichten, da sie dazu führen könnte, dass Lehrer*innen (die nunmal auch nur Menschen sind) diese Schüler*innen unterbewusst oder bewusst auf die genannte Diagnose reduzieren.

Ich glaube das wichtigste ist die tatsächliche Begegnung mit den Schüler*innen. Es ist wichtig selbst herauszufinden was die Kinder brauchen und wie man sieso gut wie möglich unterstützen und fördern kann. Diese Dinge lassen sich meinst erst in einem persönlichen Gespräch mit den Betroffenen und deren Bezugspersonen herausfinden und nicht aus einem Diagnoseblatt ablesen.

Gerade bei meiner Schwester habe ich gemerkt, dass sie in manchen Situationen ganz andere Bedürfnisse hat als andere Kinder und in anderen Bereichen wiederum total eigenständig ist. Hätte man nur ihre Diagnose vor sich, würde man ein ziemlich einseitiges Bild bekommen. Die Realität ist viel komplexer und eben auch somit viel menschlicher.

3. Wie lässt sich die Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Materialien und Medien verbessern und wer kann dabei helfen?

Die Verbindung von Hören und Sehen hat mir persönlich immer sehr stark geholfen und wurde auch in seiner Effektivität von Studien bestätigt.

Der Bildungspsychologe Richard E. Mayer beschreibt das in seinem Konzept des sogenannten Multimedia Learning: Menschen lernen nachhaltiger, wenn sie Informationen sowohl visuell als auch sprachlich verarbeiten können. Entscheidend ist dabei nicht die Technik, sondern, dass das Material auf die lernenden Personen zugeschnitten ist und zum Denken anregt und nicht bloß zum Auswendiglernen (Mayer 2009: 1 ff.).

Materialien müssen nicht kompliziert sein. Oft reichen für mich zum Beispiel auch schon Symbole oder Farben aus.

4. Empfehlung eines Videos/Podcasts/Textes von path2in oder all-means-all.education:

Ich empfehle meinen Kommilitoninnen das Video Universal Design for Learning | Al means all von all-means-all.education. Es bietet einen intensiven Einblick die verschiedenen Arten des Lernens. Es umfasst viele interessante Informationen zum Thema lernen, wie z.B. den Einfluss der Uhrzeit auf die Informationsaufnahme der Lernenden.

Literaturverzeichnis:

Mayer, R.E. (2009): Multimedia Learning. 2nd ed. Cambridge: Cambridge University Press.

Hollenbach-Biele, N. & Klemm, K. (2020): Inklusive Bildung zwischen Licht und Schatten: Eine Bilanz nach zehn Jahren inklusiven Unterrichts. Gütersloh: Bertelsmann Stiftung. Verfügbar unter: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/GP_Inklusive_Bildung_zwischen_Licht_und_Schatten.pdf[Zugriff am 22.05.2025].

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert