1. Benennen Sie die für Sie zentralsten (mindestens zwei verschiedene, gerne auch mehr) theoretischen Erkenntnisse (auf allgemeine Konzepte oder empirische Studien aufbauend), die Sie aus den Vorträgen der Ringvorlesung mitgenommen haben. Nehmen Sie dabei Bezug auf:
a.) unterschiedliche fachdidaktische Aspekte. Übertragen Sie, wenn möglich, die in der Ringvorlesung gewonnenen Erkenntnisse auf die Didaktiken der von Ihnen studierten Fächer.
b.) generelle Erkenntnisse zur Beziehungsarbeit in Schule und Unterricht.
Bitte benennen Sie für Aufgabenteil 1 konkret mindestens zwei relevante Literaturquellen (Namen, Jahr, Titel). Hinweis:Die Vorlesungsfolien stellen keine Literaturquellen dar. Sie können jedoch gerne auf die Literatur zurückgreifen, auf die auf den Folien verwiesen wird.
Ein zentrales Konzept, welches ich aus der Ringvorlesung mitgenommen habe, ist der Beutelsbacher Konsens. Der Konsens gilt als Orientierungsrahmen und basiert auf drei Prinzipien: dem Überwältigungsverbot, dem Kontroversitätsgebot und der Schülerorientierung (vgl. Wehling 1977).
Das Überwältigungsverbot bedeutet, dass Lehrkräfte ihre Schüler*innen nicht im Sinne einer bestimmten Meinung indoktrinieren dürfen (vgl. Gessner et al. 2016, S 34). Das Kontroversitätsgebot besagt, dass politische Fragen, die in Wissenschaft und Öffentlichkeit kontrovers diskutiert werden, auch im Unterricht kontrovers dargestellt werden müssen (vgl. Wehling 1977). Schließlich fordert die Schülerorientierung, dass Schüler*innen erlernen, ihre eigenen Interessen und Perspektiven in politische Kontexte einzubringen (vgl. Gessner et al. 2026, S. 145). Da ich Politik studiere, ist der Beutelsbacher Konsens von zentraler Bedeutung, weil er einen Rahmen vorgibt, wie politisches Wissen zu vermitteln ist.
Eine weitere Erkenntnis, die ich aus dem Seminar mitnehmen konnte, war die Auseinandersetzung mit Intelligenz und Vorwissen. Gruber und Stamouli (2020) zeigen, dass vorhandenes Wissen entscheidend für den Lernerfolg ist: „den größten Einfluss auf den Lernfortschritt [besitzt] das zu Beginn eines Schuljahres verfügbare Wissen“ (Gruber/Stamouli 2020, S. 36).
Deutlich wird dadurch, dass bereits bestehende Unterschiede zwischen Schüler*innen noch verstärkt werden. Schüler*innen, die bereits von zu Hause aus über das nötige Wissen verfügen, haben also wesentlich bessere Chancen auf Lernerfolg.
2. Welche Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität (z.B. Unterrichtsformen, Schulformen/-strukturen, schulkulturelle Aspekte, Handeln von Lehrkräften), die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, prägen im Rückblick auf ihre eigenen Praxiserfahrungen (eigene Schulzeit, Berichte aus der Praxis, ggf. auch schon eigene Praxiserfahrungen) den Schulalltag besonders stark – und warum? Hier können Sie aus Ihrer Sicht besonders gelungene oder auch weniger gelungene Beispiele reflektieren. Inwiefern helfen Ihnen die Inhalte der Vorlesung, eine solche Einschätzung vorzunehmen? Nehmen Sie konkret Bezug auf entsprechende Begriffe, Theorien, Konzepte, die Sie jetzt kennengelernt haben.
Die Erkenntnis der Heterogenität von Schülerschaften war eine der wichtigsten Erkenntnisse für mich aus der Ringvorlesung. Mir ist dabei bewusst geworden, dass eine Schülerschaft wirklich niemals homogen ist – selbst wenn die einzelnen Schüler*innen im gleichen Jahrgang, derselben Stadt und innerhalb Deutschlands zur Schule gehen. In meinem Orientierungspraktikum durfte ich diese Vielfalt dann aus erster Hand beobachten. Unterschiede zeigten sich in verschiedensten Dimensionen, wie sie auch im Allgemeinen Gleichstellungsgesetzt (AGG) festgehalten sind: etwa in ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion und Weltanschauung, Alter oder Behinderung (vgl. Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz 2006). Dies hat meinen Blick auf den Unterricht stark verändert und mein Verständnis weiter vertieft, dass Vielfalt nicht die Ausnahme, sondern die Regel ist.
Besonders prägend war in diesem Kontext eine meiner eigenen Erfahrungen aus meiner Schulzeit, die ich inzwischen mit einer Beobachtung aus dem Orientierungspraktikum verbinden kann. Ein Fach, welches mir damals sehr schwer fiel, war das Fach Chemie. Das Lernen fiel mir in diesem Fach immer ganz besonders schwer, da ich weder Vorwissen mitbrachte, noch die Motivation, dieses aus meiner Perspektive so unfassbar schwierige Fach, selbstständig zuhause zu lernen. Im Nachhinein verstehe ich diese Schwierigkeit auch im Zusammenhang mit meinem Habitus. Pierre Bourdieu betont, dass der Habitus mit der Position im sozialen Raum und der Verfügbarkeit von ökonomischem, sozialem, kulturellem und symbolischem Kapital verknüpft ist (vgl. Bourdieu 1987, S. 24-25). Da ich aus keinem akademischen Elternhaus stamme und naturwissenschaftliche Inhalte kaum eine Rolle spielten, fehlte mir der natürliche Zugang zu diesem Fach sowie das Wissen über unterschiedlichen Lernstrategien. Dazu kam, dass im Unterricht überwiegend einseitige Methoden, wie Textlektüren und anschließende mündliche Abfrage als Lernmethode genutzt wurden. Diese Form des Unterrichtens sprach jedoch nicht alle Schüler*innen an, wodurch ich bereits nach kurzer Zeit einen Unterschied zwischen den unterschiedlichen Wissensständen der Schülerschaft erkennen ließ.
Im Nachhinein wurde mir bewusst, dass es mir und auch anderen Schüler*innen an vielfältigeren Lernmaterialien gefehlt hat. Durch die Ringvorlesung 12, hatte ich die Möglichkeit mich intensiv mit dem Konzept des Multimedia Learning von Richard E. Mayer, auseinanderzusetzen. Dieser spricht in seinem Konzept von Kombinationen des Lernens wie z.B. der Kombination von visuellen und sprachlichen Elementen (vgl. Mayer 2009, S. 1 ff.).
In meinem Orientierungspraktikum durfte ich mein angeeignetes Wissen direkt anwenden. Im Chemieunterricht der zehnten Klasse sollte die Schülerschaft in Kleingruppen, Mindmaps zu Fachbegriffen erstellen. In einer der Gruppen unterstützte ich die Lernenden, indem ich sie dazu anregte, sich die Begriffe gegenseitig zu erklären, passende Lernvideos zu nutzen und eigene Eselsbrücken zu entwickeln. Die Schülerschaft gab mir positives Feedback zu den Lernansätzen, und die Aufgabenstellung konnte erfolgreich erfüllt werden.
3. Zu welchen, mindestens zwei, Fragestellungen, die Sie in der Vorlesung kennengelernt haben, würden Sie gerne mehr erfahren im weiteren Studium in Bezug auf das Modulthema BAUMHET? Welche haben Sie vermisst? Bitte begründen Sie Ihre Wahl.
Eine der Fragen die im im Rahmen der Ringvorlesung besonders beschäftigt haben, betrifft die Bedeutung von Vorwissen für den Lernerfolg von Schüler*innen. Mich interessiert wie Schulen und Lehrkräfte praktisch damit umgehen können, dass Lernende mit ungleichen Voraussetzungen in der Klasse starten. Ich würde gerne mehr über konkrete Methoden erfahren, um die Leistungsheterogenität frühzeitig auszugleichen. Ebenfalls hat mich die Vorlesung zu dem Thema, Umgang mit Diversität und Diskriminierung an der Schule, interessiert. Besonders in Bezug auf Bildungsklassismus und institutionelle Diskriminierung fand ich dieses Thema sehr spannend.
Darüber hinaus habe ich das Thema digitale Medien im Umgang mit Heterogenität etwas vermisst. Zwar wurde mehrfach auf methodische Vielfalt hingewiesen, aber die Rolle digitaler Werkzeuge bei der individuellen Förderung kam meiner Meinung nach etwas zu kurz. Ich beobachte in meinem Orientierungspraktikum derzeit, dass digitale Medien eine zentrale Rolle im Unterricht spielen und fände aus diesem Grund eine intensivere Auseinandersetzung mit diesem Thema besonders hilfreich.
Quellen:
Bourdieu, Pierre (1992): Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, S. 34-35.
Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (2006): Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG). https://www.gesetze-im-internet.de/agg/BJNR189710006.html, Zugriff: 31.08.2025.
Gessner, Rebekka; Hoffmann, Kora; Lotz, Mathias; Wohning, Alexander (2016): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Bericht über eine Fachtagung. In: Benedikt Widmaier und Peter Zorn (Hg.): Brauchen wir den Beutelsbacher Konsens? Eine Debatte der politischen Bildung. Frankfurt a.M.: bpb, S. 28-36.
Gruber, Hans/ Stamouli, Eleni (2020). Intelligenz und Vorwissen. In Wild, Elke; Möller, Jens (Hg.): Pädagogische Psychologie. 3. Auflage. Heidelberg: Springer, S. 25–44.
Mayer, Richard E. (2009): Multimedia Learning. 2nd ed. Cambridge: Cambridge University Press.
Wehling, Hans-Georg (1977): Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Siegfried Schiele und Herbert Schneider (Hg.): Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart, S. 173-184. (Zitiert in: Bundeszentrale für Politische Bildung (2011): Beutelsbacher Konsens. https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51310/beutelsbacher-konsens/, Zugriff: 31.08.2025). (mehr …)