Der ungebremste Siegeszug digitaler Spiele
Einen dpa-Pressetext bringt heise online in Rohform: Siegeszug digitaler Spiele ungebremst
Nun fragt man sich erstmal: Siegeszug wogegen? Gegen “traditionelle Brettspiele”:
World of Warcraft statt Halma und “Mensch ärgere Dich nicht” – die Spielewelt wird in rasantem Tempo digital. Während der Umsatz mit traditionellen Brettspielen in den vergangenen Jahren kaum zulegte, sorgten digitale Spiele für Computer, Konsole und Handy für Umsatz-Rekorde.
Der Spielwaren-Verband hält dagegen und
rechnet dagegen damit, dass Verbraucher künftig häufiger wieder zum klassischen Spiel greifen, sagte der Vorsitzende der Fachgruppe Spiel, Ernst Pohle, heute in Stuttgart.
Die Fakten: Umsatz mit Digitalspielen in Deutschland 1,7 Milliarden Euro, Brettspiele etc. nur 400 Millionen Euro.
Dazu Pohle
“Langfristig werden die Menschen immer mehr Zeit vor dem Computer verbringen. Da wollen sie nicht auch noch in der Freizeit vor dem Bildschirm sitzen.” Zudem sei die Kommunikation bei klassischen Spielen besser, da die Beteligten beisammensitzen.
Doch natürlich hat die Spieleindustrie gemerkt, dass ein reines Bedienen von “Hardcore-Gamern” z.B. mit immer wieder neuen Aufgüssen von simplen Shootern den Markt nicht erweitert, sondern das kooperatives Spiel oder das Spielen gegen menschliche Gegner viel mehr Spaß macht:
Auf gemeinsames Spielen setzt auch die Digital-Branche. Im Trend sind Massenspiele, bei denen über das Internet gegeneinander gespielt wird. Im vergangenen Jahr verzeichneten diese Angebote laut Studie weltweit mehr als zwölf Millionen Abonnenten, neun Millionen allein der Verkaufsschlager World of Warcraft. Experten sehen in diesem Bereich einen der Wachstumsmärkte.”
Und bisher ist das Videospielen auch eher “männlich, ledig, jung”:
Rund 20 Millionen Menschen spielen nach Angaben von SevenOne Media bundesweit bereits digital. Die meisten sind “männlich, ledig, jung”. Der Frauenanteil von 32 Prozent könne noch gesteigert werden, hieß es – in den USA seien 42 Prozent weiblich. Verbesserungsbedarf gebe es auch in der Altersstruktur: 40 Prozent der Spieler seien zwischen 14 und 29 Jahre alt, 37 Prozent 30 bis 49 Jahre und nur 23 Prozent der Befragten, die sich mit digitaler Technik die Zeit vertreiben, waren über 50 Jahre alt. Vor allem bei den Älteren gebe es daher noch Potenzial, hieß es.
Da fällt natürlich auf: die haben ja nur Personen ab 14 Jahren befragt! Trotzdem: 60% der Spieler über 14 Jahre sind älter als 29!!! Das ist schon mal ein interessantes Ergebnis!
Da hat also Nintendo doch alles richtig gemacht: die Non-Traditional Gamers oder Non Gamers sind die Zielgruppe mit dem größten Wachstumspotenzial. Oder anders ausgedrückt: der Weg in’s Wohnzimmer geht an den Müttern vorbei.
Aber vielleicht könnte gerade der Trend zu mehr Interaktion das Wachstum der Videospieleindustrie verlangsamen: durch das Spielen mit anderen Menschen wird jede neue Runde aufregend und wieder spannend. Deshalb reicht ja beim traditionellen Spielen für eine lustige Runde häufig ein Kartensatz Uno. Und der muss nicht jedes Jahr mit einem neuen Satz ersetzt werden, weil es vielleicht eine schickere Grafik auf den Karten gibt. So werden voraussichtlich die Spieldauer und Häufigkeit des Replays auch für Videospiele stark zunehmen. Und ein Gesellschaftsspiel spielt man – wie der Name ja schon sagt – in Gesellschaft. Mehrere Benutzer teilen sich ein Spiel sozusagen – das ist auch ein Rückschlag für den Umsatz. Deshalb ist es verständlich, dass zumindest Microsoft mit Xbox Live und Sony Playstation Network eher auf netzbasiertes Spielen setzen, weil jeder Mitspieler ein Exemplar des Spieles braucht.
Und was ich auch spannend finde: Spiele wie Guitar Hero lassen die Spieler Gitarren spielen oder in Kürze mit Rock Band auch als ganze Band grooven.
Das ist auf alle Fälle aus einer medienpädagogischen Sicht viel besser als sich – wenn auch kooperativ – durch Gegnerhorden zu mähen. Interessant finde ich dabei die Frage: werden diese Spiele auch Leute wieder zum “echten” Musizieren bringen? Dann hat man nämlich eigentlich keine Zeit mehr für Videospiele 🙂
Insgesamt glaube ich also, dass Herr Pohle die Lage eher falsch einschätzt – und selbst wenn: das Wachstumspotenzial bei Gesellschaftsspielen ist stark begrenzt. Bei den Videospielen ist die Lage nicht so einfach (siehe oben), zumal das Videospielen andere Mediennutzungen wie z.B. Fernsehschauen substituiert. Gleichzeitig werden Videospiele der Zukunft ein weiteres Genre umfassen als heute, Nintendo sei Dank. Und wer das alles nicht glaubt, der schaue sich die nächste Stufe beim Videospielen an: User Generated Content für die Massen in Sonys Little Big Planet.
Ach ja: nicht zu vergessen das Wii Fitness Board – da wird nicht nur der Brettspielhersteller blass, sondern auch das Fitness-Studio um die Ecke:
Am 1. August 2007 um 17:04 Uhr
[…] Update: aktuelles aus der Welt der Videospiele auch in meinem Meinungsblog mit Infos zu Rock Band (Musizieren in der Gruppe), Wii Fitness (Aerobic Videos waren Gestern) und Little Big Plan… […]