Im Rahmen eines Projekttages dürfen die Schüler*innen der 3b wählen, ob sie lieber Naturgegenstände sammeln und damit ein Wald-Mandala gestalten oder aber in Bäumen aufgehängte Nistkästen abhängen und reparieren möchten. Sandra interessiert sich mehr für die Nistkästenaufgabe, wählt aber wie die meisten anderen Mädchen der Klasse das Mandala-Vorhaben. Finden Sie mögliche Erklärungen für diese Entscheidung vor dem Hintergrund der „grundlegenden psychologischen Bedürfnisse“ nach Deci und Ryan (1993).

Ich gehe davon aus, dass Sandra das Bedürfnis hat, sich in die Gruppe der Klasse zu integrieren, um keine Außenseiterin zu werden. In Bezug auf Gender spielen hier Interessenentwicklung, Identitätsentwicklung / Selbstkonzept eine große Rolle. Mädchen der Klasse 3B assoziieren das handwerkliche Arbeiten im Kontrast zum künstlerischen Arbeiten wahrscheinlich eher mit der männlichen Geschlechterrolle, doch es ist wichtig, dieses Denken brechen zu können, um ein positives, fähigkeitsbezogenes Technik-Selbstkonzept zu entwickeln. Deswegen ist es wichtig, dass Kinder im Grundschulunterricht Gender-Bender Vorbilder vorfinden (können) um sich nicht auf Vorurteile hinsichtlich dessen zu versteifen. Aus diesem Grund kann auch gesagt werden, dass Grundschulen vielleicht weibliche Hausmeisterinnen einstellen sollten, um klischeehafte Rollenvorbilder nicht zu stabilisieren.
Eventuell hat Sandra keine Erfahrung mit technik-kompetenten weiblichen Vorbildern.

Welche didaktischen Entscheidungen konterkarieren in dieser Situation (paradoxer Weise?) für den Großteil der 3b die Förderung vielfältiger Interessen?

Deci und Ryan gehen davon aus, dass das Kompetenzerleben wichtig für die kindliche Entwicklung ist, da sich ein Schulkind nur dann als handlungsfähig erlebt und Aufgaben aus eigener Kraft bewältigen kann.
Außerdem spielt die die Selbstbestimmung / Autonomie eine große Rolle, so dass das Schulkind seine Ziele und Vorgehensweisen selbst bestimmen kann.  Dies kann allerdings in der Umsetzung schwierig werden, denn auch die soziale Eingebundenheit ist für Kinder wichtig.
Im Fallbeispiel ist Sandra sie soziale Eingebundenheit wichtiger als die Selbstbestimmung – beides spielt aber eine große Rolle für die Entwicklung des Kindes.
Für Sandra besteht die Gefahr, dass sie auf der einen Seite riskiert, nicht sozial eingebunden zu sein (mit den anderen Mädchen) und auf der einen Seite sich der Gruppe zu fügen, dafür aber eine Aufgabe machen muss, an der sie eher weniger großes Interesse hat.

Eine Kollegin berichtet im Lehrer*innenzimmer, dass sie im Werkunterricht bei Partnerarbeiten meist Junge/Mädchen kombiniert, um Kompetenzunterschiede auszugleichen. Kommentieren Sie diesen Ansatz mit Blick auf verschiedene denkbare Ausprägungen technikbezogener Selbstkonzepte der Schülerinnen und Schüler.

Einerseits ist es gut, Jungen und Mädchen miteinander arbeiten zu lassen, weil dann die dadurch entstehenden Gruppen zumindest geschlechter-heterogen sind. Andererseits: Das Geschlecht hat in keinem Fall etwas mit der Kompetenz zu tun, zumindest sollte man davon niemals ausgehen, denn auch Mädchen können handwerklich durchaus begabt sein. Der Ansatz der Kollegin ist gut, die Begründung nicht ganz so. Denn das würde bedeuten, dass die Lehrerin die Ausprägungen technikbezogener Selbstkonzepte bei Jungen eher vermutet als bei Mädchen. Durch diese Sicht der Dinge könnte eine ähnliche Ansicht an die Kinder weitergegeben werden und dies ist unter allen Umständen zu vermeiden.

Sie möchten eine Bachelorarbeit zu gendersensiblem Sachunterricht schreiben. Formulieren Sie eine mögliche Forschungsfrage hierzu und erläutern Sie, inwiefern Unterrichtsbeobachtungen oder Befragungen von Schüler*innen bzw. Lehrer*innen für Ihre Bearbeitung der Forschungsfrage hilfreich sein könnten.

Inwieweit arbeiten geschlechtergemischte Gruppen im Sachunterricht anders als Gruppen gleichgeschlechtlicher Schüler oder Schülerinnen?