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(Welt-)Gesellschaftliche Veränderungen, Migration und die Reaktion von Schule – ein Blick auf schulpoloitische Hintergründe, Strukturen und Konzepte

Lösungen zu den Aufgaben von der 2. Vorlesung am 28. April 2020:

1. Aufgabe:

Unter einer nationalen Orientierung des Bildungssystems versteht man, die Einbindung von Schulen in eine spezifische, nationalstaatlich verfasste Gesellschaft. Migrationsgesellschaftliche Normalitäten und Fakten werden ausgeblendet und nicht beachtet. Die Bereiche sind ausgerichtet auf nationale Begrenztheit. In der Schule zeigt sich dieses Phänomen an der uneingeschränkten Position des Deutsch Unterrichtes. Deutsch wird in den Schulen als 1. Sprache / Muttersprache unterrichtet. Es gibt keine Auswahlmöglichkeit für Kinder- und Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund. Des Weiteren ist der Geschichtsunterricht hauptsächlich auf die deutsche Geschichte ausgelegt. Ausnahmen bilden im Geschichtsunterricht Exkurse in europäische oder amerikanische Geschichte. Der Unterricht befasst sich also primär mit nationalen Themen. Die Schulpraxis bezieht Migration noch nicht als Normalfall in die Struktur des Unterrichtes ein. Stattdessen kommt es zu einer Selektion von Neu-Zuwanderern in Parallelstrukturen. So wurden zum Beispiel sog. Asylklassen eingerichtet und die Kinder und Jugendlichen nicht in den normalen Schulalltag integriert. Der Grund dafür sind die zeitliche und räumliche Kontinuität, die an den Schulen bevorzugt wird – es soll zu keiner Veränderung der Grundstrukturen kommen.

 

2. Aufgabe:

„Migration als Herausforderung für die Schule“ ist ein Thema, welches in Zukunft einen größeren Stellenwert bekommen wird und muss. Ich habe aus der heutigen Vorlesung einen neuen Blickwinkel auf Unterrichtsinhalte erhalten – ich habe z.B. nie so wirklich reflektiert, dass es keine Alternative zur Deutsch als Erstsprache gibt. Deutsch ist meine Muttersprache und deshalb stellte mich das nicht vor ein Problem – wenn ich mir aber jetzt vorstelle, in ein anderes Land auszuwandern und ich dort keine Möglichkeit hätte, meine Muttersprache auch in der Schule anzuwenden, wäre das sehr schade und nicht schön. Außerdem fand ich die normativen Ansätze des Lehrer/innenhandeln in der Schule der Migrationsgesellschaft richtig und wichtig. Ich finde es sehr gut, dass bereits das Studium eine solche Veranstaltung und Konfrontation mit diesem Thema bietet, da es im späteren Berufsalltag Alltag ist, da auch die Schüler mit Migrationshintergrund die gleichen Chancen haben sollten, wie alle anderen Schüler auch.

 

3. Aufgabe:

Der Begriff „Doing Culture“ wird es verwendet, wenn kulturelle Merkmale dem Verhalten von Personen zugewiesen wird (der typische Deutsche ist demnach blond und blauäugig und trägt eine Lederhose und isst gerne Brezel und Weißwurst mit einem Bier). In dem Fallbeispiel geht es um eine Rückgabe einer Deutsch Klausur mit dem Thema „Romeo und Julia“ und deren nicht erwünschter Beziehung durch die Eltern. Ein Mädchen mit türkischen Wurzeln wurde von der Lehrerin „bemängelt“, weil sie nicht auf die Verhältnisse in der Türkei eingegangen ist, wo es teilweise noch nicht erlaubt ist, die Person zu heiraten oder mit ihr zusammen zu sein, die man liebt. Das Mädchen ist aber in Europa aufgewachsen und erzählt, dass sie auch europäisch denkt und nicht türkisch, nur weil sie aus der Türkei stammt. Ich bin der Meinung, dass dieses Beispiel definitiv als Beispiel für Doing Culture verwendet werden kann. Die Lehrerin schließt automatisch aus dem Verhalten bzw. Aussehen und der Herkunft des Mädchens auf Merkmale und Umstände des Herkunftslandes. Ich finde die Denkweise der Lehrerin äußerst kritisch. Jeder Deutsche muss sich ja auch nicht ständig im Ausland für die Zeit des Nationalsozialismus „verantwortlich“ machen oder gilt direkt als „rechtsextrem“. Ich glaube, dass gerade da der „wunde Punkt“ von vielen Deutschen liegt und wir uns persönlich angegriffen fühlen würden, wenn so etwas von uns gedacht wird. In meiner Schulzeit gab es tatsächlich kein Beispiel von „Doing Culture“. Jedoch in meinem Alltagsleben. Ich stamme aus Deutschland und habe keinen Migrationshintergrund – trotzdem sehe ich nicht „typisch deutsch“ aus. Deshalb wurde ich schon öfters gefragt, wo ich ursprünglich herkomme und wenn ich dann dem Gegenüber keine „zufriedenstellende“ Antwort geben konnte, da ich nun mal aus Deutschland komme, reagierte dieses Gegenüber meist mit Ärger und Hass (warum ich denn meine Heimat verleugne etc.). Mehr Beispiele zu dem Thema „Doing Culture“ fallen mir nicht ein.

 

 

 

0 Antworten auf „(Welt-)Gesellschaftliche Veränderungen, Migration und die Reaktion von Schule – ein Blick auf schulpoloitische Hintergründe, Strukturen und Konzepte“

Liebe Henriette,

ich danke dir, für diesen interessanten Beitrag. Deinen Antworten stimme ich größtenteils zu.

Dass es keine Auswahl gäbe für Schüler*innen mit „MH“ auch andere Sprachen, bzw. ihre Muttersprache zu erlernen ist sicherlich weit verbreitet, aber nach Absatz 5 & 5.1 & 5.2 der Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Weiterbildung vom 28. August 2000 (1544 B-Tgb.Nr. 3578/00, GAmtsbl. S. 454, berichtigt S. 694) ist es durchaus möglich, dass Schüler*innen bis zum Ende der Sekundarstufe 1 in ihrer Muttersprache unterrichtet werden können. So war dies auch in meinem Fall. Bis zur vierten Klasse der Grundschule wurde ich integrativ an meiner Schule auch auf Türkisch unterrichtet, welches für mich ein großartiges Erlebnis war.

Dass „Migration“ jedoch nicht als Normalfall gilt und dass hierbei Schulen nicht ihre Grundstrukturen ändern stimme ich vollkommen zu. Die „Asylklassen“, wie in deiner Antwort genannt, werden in Hamburg „IVK“ genannt, ausgeschrieben „Internationale Vorbereitungsklassen“. Hier muss ich kurz erwähnen, dass ich in Hamburg zur Schule ging und mich hier mit dem Schulsystem besser auskenne als in Bremen. Auf dieser Website gibt es mehr Informationen dazu (https://li.hamburg.de/daz-sprachfoerderung-hsu/3845766/vorbereitungsklassen/)

Der Fokus hierbei liegt darin (Entnommen aus der Website): „Der Schwerpunkt aller Maßnahmen besteht darin, den Kindern und Jugendlichen das Erlernen der deutschen Sprache zu ermöglichen und ihnen so möglichst reibungslos die Integration innerhalb des deutschsprachigen Lebensumfeldes zu gewährleisten. […..]“
Diese haben auf den ersten Blick ein vielversprechendes Ziel und die IVK werden auch inklusiv mit an einem Gebäude mit dem „Rest“ der Schule unterrichtet, jedoch gibt es innerhalb dieser Inklusion eine unterschwellige Segregation, da es kaum zu Berührungspunkten im Schulalltag kommt. Dies war zumindest meine Erfahrung an einer Hamburger Schule.

Zudem finde ich es gut, dass du die Chancengleichheit (Aufg. 2) ansprichst.

Bei Aufgabe drei könnte man durchaus von Doing Culture sprechen, jedoch würde ich auch gerne darauf hinweisen, dass dies sogar Mikroaggressionen sind.

Ich als POC erlebe leider ständig solcher Mikroaggressionen. Jedoch bezogen auf meinen damaligen Schulalltag zum Beispiel, kann ich von einem Vorfall erwähnen, welches häufig passiert ist. Meine Kameradin und ich haben uns während der Pause im Klassenzimmer (ca. 8. Klasse) auf Türkisch unterhalten. Dies hat der Lehrkraft nicht gefallen und sie hat uns gebeten doch bitte deutsch zu sprechen, türkisch wenn möglich außerhalb der Schule, denn dies sei nicht angebracht.

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