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Meint Inklusion wirklich alle?

1. Benennen Sie bitte die für Sie zentralen theoretischen Aspekte aus der Vorlesung und begründen Sie die Auswahl.

Inklusion ist mehr als nur dabei sein und mehr als nur das Gleiche für alle!

Der Weg zur Inklusion wird meist in einer Dreiteilung vorgenommen: Exklusion – Integration – Inklusion. Jedoch kann man diese Einteilung noch spezifischer vornehmen: Exklusion – Separation (z.B. in Förderschulen) – Integration (Kinder werden in das System eingepasst, es wird jedoch keine Systemanpassung vorgenommen) – Inklusion (optimierte und erweiterte Inklusion) – Überwindung der Inklusion. Die Forderung die hinter dieser Entwicklung steht ist die Auflösung der Sonder- und Förderschulen. Kinder und Jugendliche mit Behinderung haben einen Rechtsanspruch auf eine Schulbildung, die außerhalb von Förder- und Sonderschulen stattfindet. Das Bundesland Bremen ist dabei ein Vorreiter dieser Entwicklung. Die Vielfalt sollte zur Normalität werden – trotzdem sind immer wieder exklusive Tendenzen zu verzeichnen. Man nennt dies auch: „inkludierende Exklusion“. Diese wird u.a. durch Organisationen wie Sondereinrichtungen oder Sonderlehrer deutlich. Es kommt aber auch zur Exklusion durch Sonderbehandlung (Assistenten als Hilfskräfte), sowie fehlende Unterstützung oder die Separation in Sonderräume. 

Zum Inklusionsverständnis ist es wichtig, dass alle Heterogenitätsdimensionen mit eingebunden und verknüpft werden (z.B. Geschlecht und Religion). Außerdem die Tendenz zu einer systembezogenen Sichtweise – zur Zeit sollen sich die Personen an das System anpassen und Behinderung ist ein persönliches Problem. Ziel ist es, dass sich das System anpasst. Ein Grundstein der Entwicklung ist der Rechtsanspruch. Außerdem sollte es keine gruppenbezogenen Ressourcenzuweisungen geben. 

2. Lesen Sie bitte die Fallbeispiele und beantworten die Fragen.
Reflektieren Sie bitte anschließend Ihre bisherigen Erfahrungen an Schulen:
a) Wie würden Sie ihre Erfahrungen im Hinblick auf die theoretischen Aspekte aus der Vorlesung einordnen? (u.a. Modelle von Behinderung, „inkludierende Exklusion“).
b) Welchen Meinungen sind Ihnen im Praktikum / in Praxiserfahrungen insbesondere zu der Frage der Inklusion von SuS mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Oberschulen und Gymnasien begegnet und welche Auffassung vertreten Sie selbst?

Der gemeinsame Schulbesuch ist in den meisten Bundesländern noch die Ausnahme, auch wenn es in den letzten Jahren eine deutliche Verbesserung gegeben hat. Man kann deshalb davon sprechen, dass wir uns auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem befinden, das Ziel aber noch lange nicht erreicht ist. Vor allem müssen die Rahmenbedingungen angepasst werden, sodass ein inklusives Schulleben möglich ist. Ich bin der Meinung, dass ein inklusives Schulsystem eine gute Möglichkeit bietet die Stärken und Schwächen der verschiedenen Schüler und Schülerinnen miteinander zu verbinden und Toleranz miteinander zu üben. In den Fallbeispielen werden aber auch grundlegende Probleme der Inklusion deutlich – es wird zum Beispiel mehr Personal benötigt – so sollte der Unterricht dann durch mehrere Lehrkräfte begleitet werden, um auf individuelle Probleme der Schüler eingehen zu können. Es besteht aber immer die Gefahr, durch zuviele Maßnahmen in die „inkludierende Exklusion“ zu verfallen. So finde ich beispielsweise es hilfreich den Unterricht durch mehrere Lehrpersonen zu gestalten, jedoch Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf nicht eine Person „zuzuweisen“, die als Assistenz für sie da ist. So werden die Kinder und Jugendlichen mit Förderbedarf bei Bedarf unterstützt, haben aber nicht das Gefühl der Sonderbehandlung oder Abhängigkeit von einer Person. Ich denke ebenso, dass es für eine einzelne Lehrkraft unmöglich ist, eine Klasse alleine zu unterrichten und gleichzeitig auf die Bedürfnisse der Kinder mit Förderbedarf einzugehen. Dies zeigte sich auch in meinen praktischen Erfahrungen an einer inklusiven Waldorfschule, wo der Unterricht von 3-5 Lehrpersonen begleitet wurde und mehrere Differenzierungsräume zur Verfügung standen, um Kinder und Jugendliche mit besonderem Ruhebedrüfnis aus lauten Klassenalltagssituationen zu separieren und später wieder in den Unterricht zu integrieren. So könnte im Fallbeispiel Finn seine Aufgaben in Ruhe erledigen und würde sich nicht provoziert fühlen. 

3. Formulieren Sie bitte eine Beobachtungaufgabe für den inklusiven Unterricht für zukünftige Praktika.

Wie ist der Umgang mit Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf? Werden Sie Teil der Inklusion, oder ist eher der Begriff „inkludierende Exklusion“ zutreffend? Wie wird auf spezielle Situationen mit Kindern und Jugendlichen mit Förderbedarf reagiert?

 

3 Antworten auf „Meint Inklusion wirklich alle?“

Hi Henriette,
mir gefällt deine These zu Anfang deines Kommentars! Sie macht deinen Standpunkt deutlich, den du im Weiteren noch einmal näher erläuterst. Dabei gehst du sehr detailliert auf die einzelnen Schritte hin zur Inklusion ein. Inklusion kann nicht einfach geschehen, es ist ein Prozess, in dem sich nicht die Person, sondern das System anpassen muss. Essenziell ist dafür eine gleichberechtigte selbstbestimmte Teilhabe aller in allen Lebensbereichen. Du machst die Waage zwischen Inklusion und inkludierender Exklusion schön deutlich. Werden Inklusionsmaßnahmen überschritten, kann das schnell wieder zu einer Ausgrenzung führen. Dabei ist es immer wichtig, sich bewusst zu machen, dass Behinderung kein persönliches Problem ist. Durch Barrieren in der Sozialwelt und im Alltagsleben werden die Personen behindert. Dieser Ansatz ruft zum Entkategorisieren und einem sozialen Wandel auf. Mir gefällt dein starker Bezug zum Rechtsanspruch. Wenn Bildung ein Grundrecht ist, sollte sie für alle in gleicher Weise zugänglich sein.
Ich habe sehr ähnliche Erkenntnisse aus den Fallbeispielen gezogen und kann dir in dem Punkt zur Möglichkeit eines inklusive Schulsystems nur beisteuern. Auffällig fand ich in den Fallbeispielen, dass doch essenzielle Rahmenbedingungen für einzelne Schüler_innen nicht gegeben waren. Wie schon an Fallbeispiel 1 erläutert, benötigt dort Finn einen ruhigen Arbeitsplatz. Aber auch mit einer Methodenvielfalt kann so gearbeitet werden, dass der Unterricht nicht in inkludierende Exklusion verfällt. Ein weit gefächertes Angebot bietet verschiedenen Schüler_innen differenziertes Bearbeiten der Aufgaben. So könnte in Fallbeispiel 2 Hanna die gleichen Aufgaben, wie ihre Mitschüler_innen haben, aber mit evtl. einer Teilaufgabe weniger. Oder Malik aus Fallbeispiel 3 kann seine Stärken so einsetzen, dass er mit dem Memory-Spiel und Melodien Zahlen und Begriffe verknüpft. Deine Erfahrungen aus einem Unterricht mit 3-5 Lehrpersonen sind sehr interessant und bestimmt fortschrittlich. Ich kann nur auf meine Schulzeit zurückblicken, wo die einfachsten Rahmenbedingungen gefehlt haben. Wir hatten einen Jungen im Rollstuhl auf der Schule, aber keinen Aufzug, sodass er zwei Jahre die Treppen hoch und runter getragen wurde, bis er die Schule gewechselt hat.
Deine Beobachtungsaufgabe umfasst ein großes Spektrum und geht gezielt auf den Umgang der Lehrperson mit Kindern mit Förderbedarf ein. Hier wäre noch interessant mit welchen Methoden die Kinder inkludiert oder evtl. auch exkulpiert werden?

Liebe Henriette,

zuerst einmal finde ich, dass du dich in deinem heutigen Beitrag sehr gut mit der Thematik auseinandergesetzt und einen sehr informativen Text verfasst hast. Im folgenden möchte ich mich gerne auf deine Beantwortung der Fragen nochmal genauer beziehen.

1) Mir gefällt, dass du zu Beginn erst einmal Inklusion anhand des in der Vorlesung dargestellten Modells (Separation – Exklusion – Integration – Inklusion) beschrieben hast. Ich studiere neben Germanistik auch Inklusive Pädagogik für Gymnasien / Oberschulen und finde, dass du die schulische Inklusionsentwicklung durch die von dir genannten Forderungen und Zukunftsaussichten klar deutlich machst. „Die Vielfalt sollte zur Normalität werden“ ist meiner Meinung nach ein sehr passender Satz. In der UN-Behindertenrechtskonvention wurde besonders der Punkt „inklusive Bildung“ in Artikel 24 stark diskutiert. Darin garantieren die Vertragsstaaten “ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen”. Der Normalfall soll also sein, dass Kinder “nicht aufgrund von Behinderung vom unentgeltlichen und obligatorischen Grundschulunterricht oder vom Besuch weiterführender Schulen ausgeschlossen werden” (Artikel 24 Abs.2a). Das allgemeine Bildungssystem soll somit für Jede/n zugänglich sein. Ich glaube, dass neben dem vorhandenen Rechtsanspruch aber auch der Wille der Menschen ein wichtiger Punkt ist. Inklusion kann nur funktionieren, wenn alle Beteiligten es wollen.

2) Bei der Beantwortung dieser Frage hast du deine persönliche Meinung klar deutlich gemacht. Ich kann dir voll und ganz in dem Punkt zustimmen, dass wir uns auf dem Weg zu einem inklusiven Schulsystem befinden, das Ziel allerdings noch lange nicht erreicht ist. Im letzten Semester habe ich mich im Rahmen eines Referates mit der deutschen Sozialorganisation „Aktion Mensch“ genauer auseinander gesetzt und finde, dass viele Aspekte mit denen, die du in deinem Beitrag nennst, übereinstimmen. Der Verein stellt nämlich genau wie du fest, dass ein vorhandener Rückhalt entscheidend ist. „Land und Kommunen müssen Reformen in der Schulorganisation anstoßen und ermöglichen.“ Darunter fallen zum Beispiel bauliche Veränderungen oder Unterrichtskonzepte. Lehrerinnen und Lehrer benötigen außerdem eine ausreichende Vorbereitung auf die neue Vielfalt in ihren Klassen. Zudem müssen von Seiten der Politik genügend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden. Ich bin außerdem der Meinung, dass das Thema Inklusion in jedem Lehramtsstudium ausreichend behandelt werden sollte. Dadurch, dass ich „Inklusive Pädagogik“ studiere, ist dies natürlich auch ein großer Teil meines Studiums. Da wir, als zukünftige Lehrer*innen, aber alle mit dieser Thematik konfrontiert und arbeiten werden, kann ich es nicht nachvollziehen, warum ein so prägnantes Thema (meines Empfindens nach) in anderen Lehramtsstudiengängen nur „beiläufig“ behandelt wird. Deine praktischen Erfahrung, die du an einer Waldorfschule gemacht hast, finde ich sehr interessant. Es zeigt, dass mit den nötigen Mitteln auf alle Schüler*innen individuell eingegangen werden kann und niemand ausgegrenzt wird. Da ich vor meinem Studium leider kaum Erfahrungen in diesem Bereich gemacht habe und ich am Gymnasium keine Mitschüler*innen mit Förderbedarfen etc. hatte, gibt mit dies einen guten Einblick in die Praxis.

3) Deine selbst formulierte Beobachtungsaufgabe für zukünftige Praktika finde ich ebenfalls sehr gelungen. Ich glaube, dass du mit diesem Ansatz viele passende Situationen finden und diese auch beurteilen kannst. Zusätzlich wird es sicherlich von Vorteil sein, darauf zu achten, welche nötigen Mittel denn überhaupt vorhanden sind und wie damit umgegangen wird.

Ich hoffe ich konnte dir durch meinen Kommentar einen Einblick in meine Sichtweise verschaffen und dir noch ein paar zusätzliche Denkanstöße durch Erfahrungen aus meinem bisherigen Studium geben.

Viele Grüße,

Lotta

Quellen:
https://www.behindertenrechtskonvention.info/inklusion-3693/
https://www.aktion-mensch.de/dafuer-stehen-wir/was-ist-inklusion/inklusion-schule.html

Liebe Henriette,
Zu Beginn deiner ersten Aufgabe hast du ganz treffend gesagt, dass Inklusion mehr ist als nur dabei sein und mehr als nur das Gleiche für alle ist. Dieser Auffassung bin ich auch. Generell hast du die einzelnen Aspekte der Vorlesung gut herausgearbeitet und ich stimme dem, was du gesagt hast zu. Besonders gut hat mir gefallen, dass du den Weg der Inklusion aufgezeigt hast und auch auf die Stufen der Exklusion, Separation und Integration eingegangen bist. Das einzige, worauf du meiner Ansicht nach detaillierter hättest eingehen können ist der Faktor der Ressourcenzuweisung. Du sagst hier ganz treffend, dass es keine gruppenbezogenen Ressourcenzuweisungen geben sollen, erklärst aber nicht wieso. Was wäre denn der Nachteil bzw. welcher Vorteil entspringt der individuellen Ressourcenvergabe? Ich würde sagen, dass es wichtig ist, die Ressourcen individuell zu vergeben, da man so besser differenzieren kann und den Schwerpunkt ganz anders setzten kann.
Aufgabe 2 hast du sehr gut erläutert. Ich sehe genau wie du ein Problem darin, zu viele Maßnahmen zu treffen und somit die Chance zu haben in eine inklusive Exklusion zu verfallen. Dein Lösungsansatz gefällt mir deshalb besonders gut. Ich denke auch, dass es sowohl für die SchülerInnen ohne Förderungsbedarf als auch für die mit einem Förderungsbedarf angenehmer ist, wenn es mehrere Lehrkräfte im Unterricht gibt, die aber eben nicht nur speziell für eine Person anwesend ist. So wird zum einen die Lehrkraft entlastet und es kann auf mehrere Aspekte gleichzeitig eingegangen werden. Leider habe ich in meiner Schulzeit gegensätzliche Erfahrungen als du gemacht. Bei uns war es nicht möglich mehrere Lehrkräfte pro Klasse bereitzustellen, somit war eine Lehrperson alleine dafür verantwortlich, die SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt zu fördern, zeitgleich aber auch den „normalen Unterrichtsalltag“ nicht zu vernachlässigen. Das einzige, was ein bisschen in die Richtung deiner Erfahrungen geht, waren bei uns die Förderstunden am Nachmittag, hier wurden nämlich sowohl SchülerInnen ohne Förderschwerpunkt, als auch SchülerInnen mit einem Förderschwerpunkt gemeinsam betreut. Dies geschah oftmals in Kleingruppen, was wie ich fand sehr angenehm war. Es ist anzunehmen, dass deine Schule im Bereich der Inklusion weiter fortgeschrittener war als meine Schule. Dabei ist es auch egal auf welche Fachdidaktik ich das beziehe, sowohl in den Fächern Deutsch, Mathe, als auch Geographie oder Englisch scheint die Inklusion bei euch fortgeschrittener gewesen zu sein als bei uns. Dazu muss allerdings auch erwähnt werden, dass der Anteil der SchülerInnen mit Förderschwerpunkt an meiner Schule sehr gering war und die Einführung von so genannten W&E Klassen erst nach meinem Abitur eingeführt wurde.
Im Bezug auf unsere Vorlesung: Umgang mit Heterogenität lässt sich sagen, dass du wichtige Aspekte herausgearbeitet hast. Heterogenität in der Schule meint nämlich die Verschiedenartigkeit von SchülerInnen in einem Bildungssystem und den Umgang mit dieser. Anhand deines Beitrages wird ganz klar, dass es eine Verschiedenartigkeit gibt. Zum einen die Menschen mit Förderschwerpunkten (egal welcher Art) und die Menschen ohne Förderschwerpunkt. Ziel ist ein individueller, allen gerecht werdender Umgang mit dieser Andersartigkeit oder der Abweichung von einer „Norm“.

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