Leistungsheterogenität – Symptome, Ursachen und Umgang

  1. Welche Zusammenhänge zwischen der Leistungsheterogenität von Kindern und dem Einfluss von Lehrerinnen und Lehrern auf die schulischen Lernleistungen sind für Sie heute deutlich geworden?

Für mich ist besonders deutlich geworden, dass trotz dem, auf den ersten Blick, geringen prozentualen Einfluss der Lehrkräfte auf die schulische Leistung, der tatsächliche Einfluss doch recht groß ist (vgl. RV08, Folie 21).  Durch Vorurteile, normative Vorstellungen, die eigene Sozialisation und weitere Ausgangslagen der Lehrkräfte, können sie die Leistungsheterogenität aufrechterhalten oder sogar verstärken (vgl. RV08, Folie 19, 20). Andersherum ermöglicht der Einfluss der Lehrkräfte, dass z.B. durch einen anderen Umgang mit der Leistungsbeurteilung, die Lernleistungen der Schüler:innen verbessert werden.

  1. Welche Handlungspraxen im Bereich Leistungswahrnehmung, -rückmeldung und -bewertung haben Sie in Ihren bisherigen Praxisphasen kennengelernt und inwieweit würden Sie die anerkennende Berücksichtigung der Leistungsheterogenität darin als angesprochen beschreiben?

In meinen bisherigen Praxisphasen habe ich verschiedene Handlungspraxen im Bereich Leistungswahrnehmung, -rückmeldung und -bewertung kennengelernt. Einerseits habe ich beobachtet, dass die Lehrkräfte die Schüler:innen im Blick hatten und in der Lage waren, mündlich zu beschreiben, welche Entwicklung sie durchlebt haben. Dies ermöglichte es den Lehrkräften, den individuellen Fortschritt der Schüler:innen zu erkennen und anzuerkennen. Allerdings wurden diese Entwicklungen nicht systematisch durch z.B. Beobachtungsprotokolle verschriftlicht. Es wäre sinnvoll gewesen, solche Protokolle zu nutzen, da sie sich auf zentrale Kriterien beziehen und dazu beitragen könnten, dass die Lehrkraft sich nicht allein auf zufällig notierte Beobachtungen oder erinnerte Eindrücke verlassen muss (Sundermann & Selter, 2021: 114). Ein weiteres Beispiel, das ich beobachtet habe, war die Einführung eines Buchstabenplans durch eine Lehrkraft. Dieser Plan ermöglichte es den Kindern, selbst abzulesen, wo sie sich in ihrem Lernprozess gerade befanden. Dieser transparente Ansatz kann dazu beitragen, dass die Schüler:innen sich ihrer eigenen Leistung bewusst werden und ihre Fortschritte nachverfolgen können (vgl. ebd., 2021: 55 ff.).

  1. Wie positionieren Sie sich zu der Aussage von Hiller als angehende Lehrer*in und welche möglichen Forschungsfragen wären für Sie relevant, um seine Position empirisch weiter zu verfolgen?

Als angehende Lehrperson würde ich diese Aussage von Hiller als eine Anregung zur kritischen Reflexion der institutionellen Rahmenbedingungen und Praktiken im Bildungssystem betrachten. Um Hills Position empirisch weiter zu verfolgen und zu untersuchen, könnte folgende Forschungsfrage relevant sein: Inwieweit trägt ein notenfreies Schulsystem, alle Schulformen einbezogen, dazu bei, dass nicht nur alle Kinder die gleichen Startchancen sondern auch die gleichen Lern- und Entwicklungschancen erhalten? Hierzu könnte man sich Grundschulen im Bremen anschauen, in welchen seit 2013/14 statt der Notenvergabe die kompetenzorientierte Leistungsrückmeldung durchgeführt wird (vgl. Gruben, 2023). Durch die Untersuchung der institutionellen Gegebenheiten, pädagogischen Praktiken und individuellen Erfahrungen kann ein besseres Verständnis dafür entwickelt werden, ob das Bildungssystem durch notenfreie Schulen verbessert werden kann und ob dadurch alle Schüler:innen die gleichen Chancen erhalten.

 

Quellen:

Gruben, Heike (2023): Kompetenzorientierte Leistungsrückmeldung in Bremen: Ein veränderter Blick auf schulische Leistung in Grundschulen. Online im Internet unter https://schule21.blog/2023/01/25/kompetenzorientierte-leistungsrueckmeldung-in-bremen-ein-veraenderter-blick-auf-schulische-leistung-in-grundschulen/ (15.06.2023).

Sundermann, Beate/ Selter, Christoph (2021): Beurteilen und Fördern im Mathematikunterricht der Grundschule. Online im Internet unter https://proprima.dzlm.de/sites/proprima/files/uploads/buch/beurteilen-und-foerdern.pdf (14.06.2023). 


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Eine Antwort zu „Leistungsheterogenität – Symptome, Ursachen und Umgang“

  1. Avatar von Lisa
    Lisa

    Liebe Cara, Danke für deinen Beitrag. Die Erkenntnis, dass der prozentuale Einfluss der Lehrkräfte auf die schulische Leistung auf den ersten Blick gering erscheinen mag, aber tatsächlich einen großen Effekt haben kann, ist äußerst bedeutsam. Die Lehrkräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung oder sogar Verstärkung der Leistungsheterogenität von Schülerinnen und Schülern. Vorurteile, normative Vorstellungen, die eigene Sozialisation und andere individuelle Faktoren können dazu führen, dass bestimmte Kinder benachteiligt werden und ihre Leistung nicht entsprechend gefördert wird. Jedoch sollte auch betont werden, dass der Einfluss der Lehrkräfte umgekehrt genutzt werden kann, um die Lernleistungen der Schülerinnen und Schüler zu verbessern. Indem Lehrkräfte einen anderen Umgang mit der Leistungsbeurteilung wählen und beispielsweise individuelle Fördermaßnahmen ergreifen, können sie dazu beitragen, dass die Leistungsheterogenität verringert wird und alle Schülerinnen und Schüler ihr volles Potenzial entfalten können. Es ist wichtig, dass Lehrkräfte sich bewusst sind, wie ihr Handeln und ihre Einstellungen die Leistung der Schülerinnen und Schüler beeinflussen können. (vgl. Bertelsmann Stiftung: „Heterogenität als Herausforderung für Schule und Unterricht“). Durch eine reflektierte Praxis und Sensibilität für die individuellen Bedürfnisse der Kinder können Lehrkräfte einen positiven Einfluss auf die Lernleistungen nehmen und Chancengleichheit fördern. Darüber hinaus sollten auch systemische Aspekte berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Gestaltung von Unterrichtsmaterialien und -methoden, die die Vielfalt der Schülerschaft berücksichtigen und inklusives Lernen ermöglichen. Die Zusammenarbeit von Lehrkräften, Schulleitung und Bildungspolitik ist hierbei von großer Bedeutung, um die besten Voraussetzungen für eine qualitativ hochwertige Bildung und individuelle Förderung zu schaffen. Indem wir uns diesen Zusammenhängen bewusst werden und gezielt Maßnahmen ergreifen, können wir dazu beitragen, dass alle Kinder gleiche Bildungschancen erhalten und ihre individuellen Potenziale entfalten können.

    Deine beschriebenen Handlungspraxen zeigen, dass in deinen bisherigen Praxisphasen bereits Maßnahmen ergriffen wurden, um die Leistungsheterogenität anzuerkennen und angemessen zu berücksichtigen. Die Lehrkräfte hatten ein Bewusstsein für die individuellen Entwicklungen der Schülerinnen und Schüler und waren in der Lage, diese mündlich zu beschreiben. Dadurch wurde der individuelle Fortschritt erkannt und anerkannt, was für die Motivation und das Selbstbewusstsein der Schülerinnen und Schüler von großer Bedeutung ist. Es ist wichtig, dass Lehrkräfte verschiedene Ansätze und Methoden zur Leistungswahrnehmung, -rückmeldung und -bewertung kennen und anwenden. Eine ganzheitliche und differenzierte Betrachtung der Leistungen ermöglicht es, die Vielfalt der Schülerinnen und Schüler angemessen zu berücksichtigen und ihre individuellen Potenziale zu fördern (vgl. Thomas Lerche: „Leistungsbeurteilung an Schulen“ (S. 34 ff)).

    Als angehende Lehrperson stimme ich dir zu, dass seine Aussage eine Anregung zur kritischen Reflexion der institutionellen Rahmenbedingungen und Praktiken im Bildungssystem bietet. Es ist wichtig, die Auswirkungen von Bewertungssystemen auf die Chancengleichheit und die Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten der Schülerinnen und Schüler zu untersuchen.
    Es wäre auch interessant, weitere Forschungsfragen zu stellen, die sich auf andere Aspekte der Leistungsbewertung und -rückmeldung konzentrieren. Zum Beispiel könnte untersucht werden, wie alternative Bewertungsmethoden wie Portfolios, Selbsteinschätzungen oder mündliche Präsentationen die Leistungswahrnehmung und -entwicklung der Schülerinnen und Schüler beeinflussen. Ebenso könnten Untersuchungen zur Auswirkung von formativen Feedbackprozessen und einer differenzierten Rückmeldung auf die individuelle Entwicklung von Schülerinnen und Schülern relevant sein.

    Quellenverzeichnis:
    Bertelsmann Stiftung: „Heterogenität als Herausforderung für Schule und Unterricht- Was „individuelle Förderung“ in der Unterrichtspraxis bedeutet und
    wie sich Schulen – trotz schwieriger Rahmenbedingungen – auf den Weg machen können“ https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/BSt/Publikationen/GrauePublikationen/Podium_Schule_1_11_Indiv_Foerderung.pdf

    Thomas Lerche (2020): „Leistungsbeurteilung an Schulen“ https://epub.ub.uni-muenchen.de/91872/1/Lerche_Leistungsbeurteilung_an_Schulen.pdf

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