1.

Wie begründen die Autor*innen dass sie nicht ´Differenz´ sondern ´Praktiken der Differenzierung` untersuchen wollen? Können Sie hier auch Bezüge zur Einführungsvorlesung über „Heterogenität“ herstellen?

 

Eine Differenz liegt nicht einfach vor und muss entdeckt werden. Differenz ist ein Produkt unserer Betrachtung und ist damit subjektiv. Bevor man zur tatsächlichen Differenz vorstoßen kann muss also genau analysiert werden, wie man zu dieser Differenz kommt und welche Effekte diese Differenz im Unterricht produzieren, damit Fehler vermieden werden können. Darüber hinaus werden insbesondere sozial hergestellte und dadurch tatsächlich bedeutsam gemachte Differenzierungen betrachtet.

Wie in vorherigen Vorlesungen festgestellt wurde, besitzt Heterogenität einen Konstruktionscharakter. Wir müssen uns also bewusst machen, dass die erkannten Differenzen bei jeder analysierenden Person unterschiedlich sind. Jeder Mensch hat seine eigene konstruierte Heterogenitätsvorstellung und so können erkannte Differenzen an einer Person durch subjektive Einschätzung abweichen. Um eine wissenschaftliche Betrachtung der Differenzen zu ermöglichen müssen die Praktiken der Differenzierung genau betrachtet werden.

 

2.

Die Studie befasst sich mit individualisiertem Unterricht in der Sekundarschule und analysiert Kommunikationsprozesse zwischen Schüler*innen in der Gruppenarbeit im Projektunterricht. Inwiefern spiegelt sich in diesen Prozessen die „soziale Konstruktion von Leistungen“ wieder? Anders gefragt: Wie stellen die Schüler*innen leistungsbezogene Differenz her?

 

In den vorliegenden Beispielen zeigen die Schüler*innen unterschiedliche Verhaltensmuster auf. Dadurch kategorisieren sie sich selbst und andere und ordnen sich quasi in verschiedene Leistungsgruppen. Folgen dadurch sind darauf angepasste Produktivität und Lernbereitschaft in der Gruppe.

Im ersten Beispiel wendet sich Hatif offensiv vom Gruppengeschehen ab, indem er körperliche Distanz durch zurücklehnen usw. herstellt. Ähnliches verhalten zeigt Hendrik im zweiten Beispiel.

Durch wenig Anteilnahme und Beschäftigung mit anderen Dingen stellt Leon ebenfalls Leistungsbezogene Differenz her.

Alina aus dem ersten Beispiel übernimmt klar die Kontrolle über die Gruppenarbeit, indem sie das Geschehen organisiert und ihre Mitschüler zurechtweist. Durch offensichtliches Etikettieren und Abheben von den beiden Jungen stellt auch sie klar leistungsbezogene Differenz her. Mia ordnet sich dem zustimmend unter.

Im zweiten Beispiel konstruiert Caro klar eine Leistungsdifferenz, indem sie alles alleine erledigen will, ohne andere mit einzugliedern. Elena und Hendrick zeigen zwar Bereitschaft, werden jedoch abgewehrt und finden sich mit ihrer Rolle ab.

Muster für die Konstruktion leistungsbezogener Differenz sind also das Einordnen in Quasi-Schüler/Lehrer,  die physische Anwesenheit, Leistungsbereitschaft, Initiation von Arbeitsprozessen, Organisation der Gruppenarbeit, soziale Beziehungen und in unserem Beispiel auch das Gender.

 

3.

Erläutern Sie, inwiefern sich die von Rose und Gerkmann festgehaltenen Beobachtungen von schultypischen Differenzierungen (nicht nur bezogen auf Leistung) innerhalb von Gruppenarbeiten mit Ihren eigenen Erfahrungen decken. Diskutieren Sie Ihre eigenen Erfahrungen vor dem Hintergrund des Textes!

 

Die von mir am häufigsten erlebte leistungsbezogene Differenzierung ergab sich durch die Rolle des Sprechers und seine Organisation in der Gruppenarbeit. Introvertiertere Schüler*innen wurden leistungstechnisch oft herabgestuft, während derer, die zuerst das Wort ergriffen eine höhergestellte Position erhielten. Wie im Text auch saßen einige Schüler*innen am Tisch, ohne sich je zu Wort zu melden, wenn man sie nicht ansprechen würde.

Darüber hinaus wurde oft das Sozialleben mit den schulischen Leistungen in Verbindung gebracht. Die Schüler, die privat offensichtlich Alkohol konsumierten oder ihr Wochenende in Diskotheken verbrachten wurden oft per se als nicht sehr begabt abgestuft. Genau anders herum verhielt es sich mit denen, die dies nicht taten. Kleidung und Gender waren ebenfalls oft ein Merkmal für die Herstellung leistungsbezogener Differenz.  Geurteilt wurde oft auf eine humorvolle Weise in Form von Übertreibungen.