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Fragestellung vom 24.04.

Bitte lesen Sie die Folien zum o.g. Vortragsthema (Seite 18 bis 24). Sie finden diese bei StudIP.  Auf Folie 24 finden Sie einen Interviewauszug aus der Studie von Martina Weber (2003): Diskutieren Sie mit Ihren KommilitonInnen den Umgang der Lehrerin mit Heterogenität. Beziehen Sie sich hierbei auch auf die o.g. Folien.

 

Zur Situation: An einem Wirtschaftsgymnasim wird eine Deutschklausur zurückgegeben, in der ‚Romeo und Julia‘ von William Shakespeare behandelt wurde. Eine türkischstämmige Schülerin moniert, die Lehrerin sei verärgert darüber gewesen, dass die ausländischen SchülerInnen nicht die Situation von Paaren in ihren „Heimatländern“ (hier meine ich die Länder, aus denen die betreffenden SchülerInnen oder vorherige Generationen migriert sind) berichtet haben.

 

Ich möchte -und hoffe da auf Ihr Einverständnis- allerdings etwas weiter gehen, als bloß den Umgang der Lehrerin mit Heterogenität zu diskutieren.

 

Die Schülerin B. berichtet darüber, dass die Lehrerin verärgert darüber gewesen sei, dass -explizit- die „ausländischen Mädchen“ (Z. 2) der Klasse nicht darüber geschrieben hätten, wie sich die Situation (Bezug auf freie Partnerwahl ohne Einverständnis Dritter) in „[ihren] Ländern“ (Z.3) darstelle. Nun muss folgendes festgehalten werden: Legt die Lehrerin an ausländische SchülerInnen oder SchülerInnen mit Migrationshintergrund einen anderen Maßstab in der Erwartung, was geschrieben werden müsse, ist dies diskriminierend.

Trotzdem möchte ich ein großes ABER einwerfen.

Man denke sich folgende Aufgabenstellung: „Romeo und Julia liebten sich, während ihre Familien sich hassten. Wäre eine solche Situation auch in der heutigen Zeit denkbar? Arbeiten Sie mit Beispielen.“ – Nun wäre der Themenkomplex ‚Zwangsheirat‘ nunmal ein geradezu ideales Beispiel, um die Aufgabenstellung zu lösen. Zum Thema ‚Zwangsheirat in der Türkei‘ lohnt an dieser Stelle der Bericht von Amnesty International:

http://www.amnesty.de/umleitung/2005/deu05/015?lang=de%2526mimetype%3Dtext/html&print=1

 

Selbstverständlich wissen wir nicht, ob es eine solche Aufgabenstellung gab, aber das ist auch eben das, was ich damit ausdrücken möchte: Es ist quasi unmöglich, den Umgang der Lehrerin mit Heterogenität treffend zu beurteilen, da wir nur die Perspektive der Schülerin kennen und uns andererseits Hintergrundinformation fehlen. Ich finde es andererseits erschreckend, wie schnell einige meiner KommilitonInnen in ihren Blogs mit Vorverurteilungen dabei sind.

 

Die Schülerin fährt wie folgt fort:

Und ja, das zeugt doch davon, was für eine Meinung sie von uns hat. Ich habe dann gesagt, wie sie denn darauf kommt, dass ich ein Gedankengut mit mir führen muss, das dem Türkischen entspricht, nur weil ich Türkin bin.“

 

Es zeigt sich nicht, welche Meinung die Lehrerin von „uns“ hat, schließlich ist es keine Herabwürdigung von Menschen einer Nation, wenn Missstände innerhalb dieser Nation angeprangert werden. Oder anders ausgedrückt: Ein verbaler Angriff auf türkische Familien, die ihre Kinder zwangsverheiraten, ist kein Angriff auf alle Staatsangehörigen der Türkei. Um es plastischer zu machen: Beklagt jemand die Existenz von national befreiten Zonen in Deutschland, greift er damit nicht alle Deutschen an, sondern deutsche Rassisten.

 

B. erklärt weiter:

Ich bin hier aufgewachsen und kann gar nicht anders als europäisch zu denken, ich

denke bestimmt nicht deutsch und nicht türkisch, ich denke einfach europäisch.

Und ich denke, dass es bei den anderen genau so ist, und ich verstehe nicht,

wieso sie auf diesen Gedanken kommt, dass ich automatisch so denken muss,

wie viele in der Türkei (…)“

 

Ein guter Beleg dafür, wie „europäisch“ man denkt, ist es natürlich, die Angehörigkeit zu einer Nation wiederholt zu betonen – in B.s Fall der Türkei. Davon abgesehen, dass ich gerne wüsste, wie man deutsch/türkisch/europäisch denkt. Allein diese Kategorisierung von nationalen Denkweisen widerspricht dem Heterogenitätsgedanken völlig – ich möchte hier auch ausdrücklich weitergehen und empfinde diese Aussage als eindeutig rassistisch. Der letzte Teilsatz ist umso interessanter, da sie hier nun selbst einräumt, „viele“ denken genauso wie die Eltern von Romeo und Julia.

 

Um das Ganze auf einen Punkt zu bringen:

 

Die Lehrerin handelt insofern falsch und entgegen dem Heterogenitätsgedanken, dass sie scheinbar einen „besonderen“ Maßstab an die gewünschte Antwort von ausländischen SchülerInnen anlegt. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass -wie schon oben angedeutet- uns wichtige Informationen und Perspektiven fehlen. Allerdings sollte auch B. ihre Argumentation kritisch hinterfragen, die Gründe habe ich -so hoffe ich- ausreichend dargelegt.

 

rv02

Fragestellung vom 03.07.

Worin sehen Sie die Hauptziele und Hindernisse der schulischen Inklusion bzw. einer Inklusiven Pädagogik?

 

Ich denke, das Hauptziel der inklusiven Pädagogik ist es, SchülerInnen mit geistiger

oder körperlicher Behinderung in den Schulalltag einer allgemeinbildenden

Schule einzugliedern, um die soziale Außenseiterrolle, die sich durch das Stigma

der Förderschule ergibt, zu beseitigen. Der Gedanke hierbei ist, dass jede/r

SchülerIn ein Recht auf Bildung hat (vgl. auch UN-Konvention über die Rechte von

Menschen mit Behinderungen), die Realisierung dieses Rechts im schulischen Alltag

aber von der Förderschule nicht oder zumindest in nicht ausreichendem Maße

gewährleistet wird.

 

Ein Hindernis der Inklusion sehe ich darin, dass sich die oben angesprochene

Außenseiterrolle sogar verstärken könnte, wenn behinderte SchülerInnen von

nicht-behinderten SchülerInnen ausgegrenzt werden. Ich denke  nicht,

dass das der Regelfall wäre, aber zumindest in individuellen Fällen wäre die

Ausgrenzungsproblematik wohl noch verstärkter zu sehen als ohnehin schon.

 

Ein weiteres Hindernis könnten -durch eine Behinderung bedingte- (auto)aggressive

Verhaltensweisen sein. Hier sehe ich das Recht auf körperliche Unversehrtheit

doch deutlich vor dem Recht auf freie Bildung.  Dies ist allerdings allein meine

Ansicht – wie dazu der juristische Konsens ist, weiß ich nicht.

 

Sollte sich inklusive Pädagogik durchsetzen, besteht ein weiteres Hindernis in

der Sensibilisierung der Lehrkräfte. LehrerInnen, die seit Jahrzehnten durch

das dreigliedrige Schulsystem eher homogenisierte Lerngruppen gewohnt sind,

tun sich mit der bildungspolitischen Umstellung erfahrungsgemäß schwer

– ich denke, das ist auch recht leicht nachvollziehbar.

Der Ansatz, dies zu ändern, besteht an der Uni Bremen ja allerdings bereits, wie man

an der Ringvorlesung unschwer erkennen kann.

 

 

 

 

Fragestellung zum 09.05.

In den letzten 10 Jahren sind die Jungen (bzw. österreichisch: Burschen) vermehrt in die bildungspolitische Diskussion geraten: Sie gelten als die neu entdeckte Risikogruppe. Diskutieren Sie den Vorschlag, analog zum geschlechtergetrennten Unterricht, wie mancherorts in den MINT-Fächern erteilt wird, einen geschlechtergetrennten Deutschunterricht einzuführen.

 

 

Zunächst einmal fände ich es interessant, zu wissen, aus welchen Kreisen diese Initiative vorrangig kommt und mit welcher Begründung. Um es anders auszudrücken: Kommt der Vorschlag von einem katholischen Erzbischof, der Sorge hat, das eine Geschlecht könnte mehr Interesse am anderen haben, als am Deutschunterricht? Oder kommt er von einer bildungspolitischen Instanz, bspw. von eine/m KultusministerIn – in dem Glauben, es gebe tatsächlich geschlechterspezifische Interessen, die im Deutschunterricht getrennt behandelt werden müssten?

 

Immer wieder wird in Studien und in den Massenmedien davon gesprochen, dass Mädchen im Geschlechtervergleich die bessere Bildungsperspektive hätten. So sei unter den AbiturientInnen in Deutschland der Anteil von weiblichen Absolventinnen prozentual höher. Als Grund wird oft höherer Fleiß und weniger Ablenkung in der Pubertät angegeben.

 

Möchte man mit einem geschlechtergetrennten Deutschunterricht nun etwa die Mädchen vor den Jungs schützen? Besteht denn immernoch das Bild des schüchternen Mädchens, das vom rüpelnden Bengel untergebuttert wird?

 

Die Zuweisung von geschlechterspezifischen Attributen kann schnell diejenigen ins Abseits stellen, die dem erwarteten Normverhalten nicht entsprechen. Jungs als Risikogruppe zu werten, ist sexistisch – die Zuweisung erfolgt hier schlicht nicht aus Gründen des eigenen Verhaltens, sondern aufgrund der biologischen Geschlechtszugehörigkeit, schlussendlich also einem Umstand, den man selbst nicht beeinflussen konnte.

 

Man darf auch nicht vergessen, dass viele Freundschaften in der Schule entstehen. Das bedeutet also auch, dass Mädchen und Jungen die Möglichkeit genommen oder eingeschränkt wird, gemischtgeschlechtliche Freundeskreise aufzubauen, das jeweils andere biologische Geschlecht im Alltag zu erleben und dadurch die eigene sexuelle Identität zu finden.

 

Aus all diesen Gründen bin ich gegen geschlechtergetrennten Unterricht – nicht nur in Deutsch, sondern grundsätzlich.

 

rv03

Fragestellung zum 12.06.

Sprache (sowohl der mündliche als auch der schriftliche Ausdruck) ist die Visitenkarte eines Menschen.

Was meinen Sie, was ist primär: Sprache oder Denken? Spricht man, wie man denkt oder denkt man, wie man spricht?

Die Frage, ob die Sprache das Denken oder das Denken die Sprache beeinflusst, ist in etwa vergleichbar mit der Frage, was zuerst dagewesen sei: Das Huhn oder doch das Ei?

 

Um sie dennoch einigermaßen adäquat beantworten zu können, habe ich mir Gedanken gemacht, wie ich selber spreche. Wie vermutlich jeder, bemühe ich mich im universitären Rahmen, mich einer möglichst hocheloquenten Sprache zu bedienen. Hier sei auch erwähnt, dass ich nicht auf die Idee käme, in der privaten Kommunikation das Wort „eloquent“ zu benutzen. Dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass das Denken die Sprache beeinflusst – auch wenn sich „das Denken“ zunächst einmal nur auf das Erkennen des Rahmens bezieht – eben universitär oder privat.

 

Ich denke, einen guten Zugang zu der Frage bietet die Analyse von politischer Sprache.

Hier sei beispielsweise das Gendern als eher linkes Element von Sprache genannt, auch wenn es lediglich zur Veranschaulichung in der Schriftsprache dient. Bedient sich der oder die Eine des generischen Maskulinums, um eine Gruppe von Menschen zu bestimmen – bspw. „Studenten“ – kann der oder die Andere hier schon eine latente und strukturelle Diskriminierung an Frauen und Transgendern wittern, denn es müsse doch „die Student_innen“ oder allermindestens „die Studierenden“ lauten. In diesem Kontext wird also deutlich, dass tatsächlich das Denken die Sprache beeinflusst, denn die „genderneutrale Schreibweise“ ist explizit mit politischem Hintergrund konzipiert. Macht man sich allerdings das Ziel dessen bewusst, also letztendlich einerseits die Unterscheidung zwischen Sex und Gender, andererseits die Etablierung diskriminierungsfreier Sprache, so wird anscheinend auch davon ausgegangen, dass Sprache auch das Denken beeinflusst.

 

Letztendlich denke ich, dass sowohl das Denken die Sprache beeinflusst als auch die Sprache das Denken. Dennoch denke ich, dass es einen Unterschied gibt: Während der Einzelne spricht, wie er denkt, beeinflusst das Sprechen von vielen das Denken des Einzelnen. Was meint ihr?

 

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