▶︎ von Lisbeth Jürgensen, Jana Krüger und Julia Lanver 

Männer dominierte Führungsetagen plus Frauenquoten ist gleich Problem gelöst? So einfach ist es nicht. Was für Wirkungsmechanismen hinter eingefahrenen Führungsstereotypen stehen können, darüber gibt dieser Beitrag Aufschluss.

Immer noch ist in Deutschland nur jede dritte Führungskraft weiblich. Dass es aktuell immer noch zu wenig Frauen in Führungspositionen gibt, ist also Fakt und wird schon seit Jahren heiß diskutiert. Die Gründe, warum wir diese Situation ändern müssen, sind klar. Alleine der Fachkräftemangel und die Vorteile, die diverse Teams mit sich bringen, sind wohl Argument genug, wenn Unternehmen der immer anspruchsvoller werdenden Arbeitswelt von morgen gerecht werden wollen.

Um die Situation zu ändern, gibt es verschiedene Maßnahmen. Für Unternehmen sind diese mittlerweile entweder gesetzlich vorgeschrieben oder werden freiwillig eingeführt. Beispielsweise gibt es die gesetzliche Frauenquote oder Förderprogramme, die speziell für Frauen konzipiert sind und sie dazu motivieren sollen, sich in Führungspositionen zu begeben.

In vielen Diskussionen werden dabei Männer als die Schuldigen betitelt. Ihnen wird vorgehalten, sich zu wenig auf Frauen einzulassen. Ihnen keine Chance zu geben, sich in Führungspositionen zu beweisen. In eingefahrenen Strukturen “Vetternwirtschaft” zu betreiben. Und letztlich Männer eher für Führungspositionen in Betracht zu ziehen und sie entsprechend zu fördern. Aber sind Frauen vielleicht nicht doch auch selbst schuld? Nein, natürlich nicht!

Aber es gibt trotzdem einige spannende Wirkungsmechanismen, die zeigen, dass auch andere Herausforderungen in diesem System bestehen.

Stellen wir uns vor, dass es Frau Simon nach vielen Jahren im Unternehmen und mit viel bewiesenen Durchhaltevermögen in den Vorstand geschafft hat. Für sie keine einfache Zeit, denn sie stand unter großem Druck und fühlte sich beobachtet. Außerdem erhielt sie Feedback auf andere Art und Weise als ihre männlichen Vorstandskollegen. Nun hat sie sich jetzt aber für ihr Empfinden gut in ihrer neuen Position eingewöhnt. Es fällt ihr allerdings nun zunehmend schwerer, den Kontakt zu ihren damaligen Kolleg:innen in den unteren Hierarchieebenen zu gestalten. Ihr wird nachgesagt, sie setze sich nicht dafür ein, dass alte Muster gebrochen werden, die es Frauen erschweren, sich weiterzuentwickeln und aufzusteigen. Dabei hatte sie sich das vorher fest vorgenommen. Das scheint gar nicht so unrealistisch, oder? Aber woran liegt das und wie problematisch ist dieses Phänomen tatsächlich?

Das Phänomen Queen Bee – es kann nur eine Königin geben

Wenn erfolgreiche Frauen in Führungsebenen entgegen den Erwartungen jüngere Kolleginnen nicht unterstützen, wird von dem Queen Bee Phänomen, beziehungsweise dem Bienenköniginnen Phänomen, gesprochen. Faniko (2015) zeigt, dass Frauen mit höherem Bildungsgrad seltener auferlegte Quoten unterstützen, die Frauen als Ganzes bestärken sollen. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben.

Zum Beispiel:

  • wird die Quote als Bestätigung des Stereotyps – das nicht ausreichend qualifiziert Sein – gesehen. Somit sei sie nicht nützlich, sondern schädlich gegenüber ihren eigentlichen Nutznießer:innen,
  • wird die Quote  abgelehnt aus Gründen der System-Rechtfertigung. Das heißt, es wird versucht, die Erzählung von Gerechtigkeit und einem erkämpften Status aufrechtzuerhalten. Unterstützer:innen von Quoten werden abgewertet.

Das Queen Bee Phänomen greift nun also bei Frauen in Managementpositionen, die unterstützende Maßnahmen als nicht sinnvoll erachten. Sie setzen sich nicht für jüngere Frauen mit ähnlichen Zielen ein. Ihre Position spielt hierbei eine wichtige Rolle: Gerade diese Frauen könnten nun als wichtige Change Agents für aufstrebende weibliche Führungskräfte agieren. Als Change Agents werden Mitarbeitende bezeichnet, die Veränderungen in Unternehmen vorantreiben sollen. Die Managerinnen agieren allerdings häufig nicht als solche. Interessant ist hier die Feststellung, dass auf gleicher Managementebene eben diese Frauen eine Quote wieder eher befürworten würden. Woran liegt das?

Ein häufig angenommener Grund für die fehlende Unterstützung anderer Frauen oder Quoten ist eine erhöhte Konkurrenz unter Managerinnen. Faniko et al. (2017) stellen jedoch fest, dass das Queen Bee Phänomen dies NICHT spiegelt. Außerdem wird oft vermutet, dass Queen Bees sich anders als alle Frauen wahrnehmen. Auch hier kann widersprochen werden, sie nehmen sich nicht anders als ALLE Frauen wahr. Zumindest aber anders als solche auf dem gleichen Karrierepfad wie sie, jedoch an einem früheren Zeitpunkt ihrer Karriere. Die tatsächlichen Hintergründe, wieso es solche Bienenköniginnen gibt und was sich in ihrem Verhalten widerspiegelt, können wir anhand verschiedener theoretischer Modelle erklären.

Justifying the System – was steckt hinter all dem?

Eine Theorie, die Frau Simons Verhalten begründen kann, ist die System Justification Theory. Dieses sozialpsychologische Konzept besagt, dass Menschen eine starke Neigung haben, bereits bestehende soziale Systeme zu rechtfertigen und zu unterstützen. Vorhandene soziale Strukturen werden legitimiert. Es lässt sich also annehmen, dass Frau Simon als weibliche Führungskraft dazu neigt, sich an den bestehenden Machtstrukturen zu orientieren und diese Systeme zu unterstützen. Sie musste, um an ihre Position zu gelangen, Opfer erbringen. Das ist zwar nicht unbedingt fair, sie empfindet es aber als nur gerecht, wenn jüngere Frauen auch diesen Weg gehen müssen, um ihre Position zu verdienen. 

Im Zusammenhang mit dieser Theorie können wir auch die Selbstverifikationstheorie (Abrams & Hogg, 1988) als Erklärungsansatz für Frau Simons Verhalten heranziehen. Hiernach streben Menschen danach, die eigene Identität und Werte zu verifizieren. Frau Simon möchte sich möglicherweise durch ihr Verhalten von anderen Frauen auf dem gleichen Karrierepfad abgrenzen. So kann sie ihre eigene Identität als starke und mächtige Frau betonen, die sie sich systemgeschuldet erkämpfen musste. Das Queen Bee Phänomen tritt, wie bereits gesagt, vorrangig auf, wenn Frauen in männlich dominierten Berufen oder Bereichen tätig sind. Sie distanzieren sich von anderen Frauen und gleichen sich “männlichem Verhalten” an wir benutzen hier bewusst Geschlechterstereotypen, die in diesen Umgebungen als gegeben angesehen werden. Deshalb können wir sagen, dass sich die Queen Bees durch ihr Verhalten so in ihrem Bereich behaupten.

Was könnten weitere Gründe für das Verhalten der Bienenköniginnen sein? Die Stereotypisierung und der Generalisierungsbias liefern weitere Erklärungsansätze. Stereotypisieren wir, ordnen wir Menschen oder Gruppen von Menschen in bestimmte Kategorien ein und schreiben ihnen bestimmte Eigenschaften zu. Dabei achten wir nicht auf individuelle Unterschiede oder Fakten. So kommt es zu Vorurteilen und Diskriminierung. Stereotypisierungen entstehen, wenn versucht wird, die Komplexität der sozialen Welt zu verstehen und zu verarbeiten, indem wir sie in vereinfachte Kategorien einteilen. Im Zuge dessen können auch die Geschlechter-Stereotypen für Frau Simon bedacht werden. Queen Bees unterstützen nämlich mit ihrem Verhalten bestehende traditionelle Geschlechterstereotypen. Sie wollen sich bewusst von den traditionellen Geschlechterstereotypen für Frauen unterscheiden und von unerfahrenen Frauen auf ihrem Karrierepfad abheben. Damit wird die eigene Kompetenz und Autorität betont. Dies kann aus der Angst rühren, als schwächer oder weniger kompetent angesehen zu werden, wenn sie andere Frauen unterstützen und fördern würden. So kann Frau Simon beispielsweise auch davon ausgehen, dass sie sich von anderen jüngeren Frauen abheben MUSS, um als gleichwertig zu Männern der Führungsebene betrachtet zu werden.

Und das bedeutet jetzt genau?

Am Ende gibt es viele Herausforderungen für Frauen, in höhere Managementpositionen aufzusteigen. Bei näherer Betrachtung einzelner Phänomene wird deutlich, dass häufig strukturelle Probleme verantwortlich sind. Deren Wirkungsweisen müssen wir uns zunächst bewusst werden, bevor wir sie durchbrechen können. In unserem spezifischen Fall sehen wir jetzt, dass Frauen sich, aufgrund gegebener Strukturen, nicht immer nur Honig ums Maul schmieren. Bei Frau Simon zeigt sich sehr genau, dass sich ihr Verhalten durch ihre Erlebnisse begründen lässt. Allerdings sollte das keine notwendige Überlebensstrategie im Habitat der männlichen Führung sein müssen und vielleicht kann auch dieser Artikel seinen Teil dazu beitragen, dass das Queen Bee Phänomen hoffentlich bald der Vergangenheit angehört.

 

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Literatur

Abrams, D., & Hogg, M.A. (1988). Comments on the motivational status of self- esteem in social identity and intergroup discrimination. European Journal of Social Psychology, 18, 317-34.

Statistisches Bundesamt. (2023). Qualität der Arbeit: Frauen in Führungspositionen. DESTATIS. Abgerufen am 9. Januar 2023, von https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Qualitaet-Arbeit/Dimension-1/frauen-fuehrungspositionen.html#:~:text=Nur%20jede%20dritte%20F%C3%BChrungskraft%20ist,(%2B0%2C6%20Prozentpunkte).

Faniko, K. (2015). Genre d’accord, mérite d’abord? Une analyse des opinions envers les mesures de discrimination positive [Gender ok, but merit first? An analysis of opinions toward Affirmative Action Plans]. Bern, Switzerland: Peter Lang.

Faniko, K., Ellemers, N., Derks, B., & Lorenzi-Cioldi, F. (2017). Nothing changes, really: Why women who break through the glass ceiling end up reinforcing it. Personality and Social Psychology Bulletin, 43(5), 6

Spencer, S. J., Quinn, D. M., & Steele, C. A. (Hrsg.). (2005). Stereotype threat: Theory, process, and application. In The Handbook of Prejudice, Stereotyping, and Discrimination. Psychology Press.

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