▶︎ von Thu Thuy Nguyen, Vanessa Schröder und Thomas Serschantow

Wussten Sie, dass rund 50 Millionen Menschen in Deutschland Fußballfans sind? Woche für Woche feuern Fans ihre Lieblingsteams an und lieben vor allem schöne Tore, spannende Spiele und letztendlich die Siege. Fußball ist aber weit mehr als der Wettkampf um die meisten Tore: Fußball ist vor allem Teamsport! Die klare Verteilung von Rollen und Aufgaben, angepasst an die jeweiligen Stärken der Spieler:innen, führt erst zu den Erfolgen eines Teams. Hier trifft Sport auf Arbeitswelt: Anhand dieses Fußballbeispiels können Sie einiges über Rollenverteilung lernen.

Im Berufsalltag müssen die meisten von uns nämlich ebenfalls in Teams arbeiten. Aus gutem Grund, denn das Arbeiten im Team birgt viele Vorteile. Dennoch ist eine effektive Teamarbeit in den meisten Fällen kein Selbstläufer. Damit sich die gewünschten Ergebnisse einstellen, muss die Rollenverteilung im Team gezielt organisiert werden. Im Fußball sind die Rollen klar definiert, doch wie genau sollte die Zusammensetzung von Teams im Arbeitsleben aussehen und was gibt es dabei zu beachten? Antworten auf diese Fragen liefert eine Studie zum VIA-Teamrollen-Modell. Generell gilt: Je ausgewogener die Verteilung der Teamrollen ist, desto besser funktioniert im Endeffekt das Team.

Immer dann, wenn mehrere Personen zusammen einen Weg gehen und ein gemeinsames berufliches Ziel verfolgen, werden sie zu einem Team. Je mehr Mitglieder in einem Team sind, desto sinnvoller erscheint die Rollenverteilung. Da die Zusammensetzung eines Teams einen erheblichen Einfluss auf die Leistung und das Wohlbefinden der Teammitglieder hat, gibt es jede Menge Forschung zum Thema „Teamrollen“. Vor allem der Erfolg von Projekten hängt häufig enorm von der Rollenverteilung und der Teamkonstellation ab.

Das VIA-Teamrollen-Modell – ein Erfolgsrezept?

Den größten Einfluss auf die Forschung über Teamrollen hat Belbin (1981, 2010, 2012) mit seiner Theorie der unterschiedlichen Teamrollen genommen. Ihm zufolge gibt es neun informelle Teamrollen, aufgeteilt in kommunikationsorientiert, wissensorientiert und handlungsorientiert. Die Theorie geht der Annahme nach, dass jede dieser Rollen mit spezifischen Stärken und Schwächen einhergeht. In einer aktuellen Studie bezüglich Teamrollen im Berufskontext wurde hingegen ein anderes Teamrollen-Modell genutzt: Die VIA-Teamrollen. Diese wurden aus der Sicht der positiven Psychologie entwickelt und konzentrieren sich daher ausschließlich auf Stärken. Im Gegensatz zu Belbins Ansatz stellt es ein einfacheres Modell dar. Das VIA-Modell unterscheidet zwischen sieben informellen Teamrollen, die sich auf positive Verhaltensweisen und Beiträge für das Team konzentrieren. Sie setzen sich aus folgenden Teamrollen zusammen:

Idea Creator  Sie betrachten die unkonventionellen Wege, um zu Lösungen und großartigen Ideen zu kommen. 
Information Gatherer  Sie suchen nach Informationen, z.B. über bewährte Verfahren, neue Trends, potenzielle Anbieter, Wettbewerb usw. 
Decision Maker  Sie verarbeiten und integrieren verfügbare Informationen, treffen Entscheidungen und stellen Ziele auf. 
Implementer  Sie kontrollieren den aktuellen Stand und ergreifen Maßnahmen, um auf das Ziel hinzuarbeiten. 
Influencer  Sie präsentieren das Produkt/die Dienstleistung zur internen und/oder externen Abnahme. 
Energizer  Sie bringen Ihre Energie in Ihrer und anderer Arbeit ein. 
Relationship Manager  Sie tragen zum reibungslosen Ablauf von Beziehungen und zur Lösung von Konflikten bei. 

Diese Teamrollen wurden basierend auf einer beispielhaften Abfolge eines erfolgreichen Projektes und den dafür benötigten Fähigkeiten abgeleitet. In einem Projekt sollten also beispielsweise zu Beginn der Idea Creator und Information Gatherer zum Einsatz kommen. Auch wenn sich das VIA-Teamrollen-Modell von Belbins Ansatz unterscheidet, werden einige seiner Annahmen ebenfalls erwartet. Zum Beispiel sollen ausgewogenere Teams einen positiven Einfluss auf Leistung und Wohlbefinden am Arbeitsplatz haben. Was das genau bedeutet, erfahren Sie jetzt.
In der oben genannten Studie bezüglich der VIA-Teamrollen wurde der Zusammenhang zwischen der Ausgewogenheit von Teamrollen sowie Charakterstärken im Team und den arbeitsbezogenen Ergebnissen untersucht. Zu den arbeitsbezogenen Ergebnissen zählen in diesem Fall die Einzel- und Teamleistung, Arbeitszufriedenheit und Qualität der Teamarbeit. An der Studie nahmen 284 Arbeitnehmende aus 42 Teams und die direkten Vorgesetzten der Teams teil. Die Teams bestanden aus 3-15 Mitgliedern und stammen dabei aus unterschiedlichen Berufen und Sektoren. Es wurde eine Online-Umfrage an die Teammitglieder und eine an die Vorgesetzten gesendet. Die Teammitglieder sollten verschiedene Fragen und Aussagen bezüglich der aktuellen und idealen Teamrolle, Charakterstärken und arbeitsbezogenen Ergebnissen bewerten. Die Vorgesetzen wiederum sollten nur die Einzel- und Teamleistung der Arbeitnehmenden beurteilen.

Mit diesen Tipps wird auch deine nächste Teamarbeit gelingen

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die genannten Teamrollen in der Praxis beachtet und gezielt genutzt werden sollten, um erfolgreiche Teamarbeit zu erreichen und bessere arbeitsbezogene Ergebnisse zu erzielen. Basierend auf den Studienergebnissen lassen sich auch einige Tipps für die Umsetzung in Ihrem Team oder für Sie als Recruiter ableiten. Außerdem können Ihnen die Ergebnisse bei Ihrer Selbstreflexion helfen.

  1. Übereinstimmung zwischen aktueller und idealer Teamrolle
    Je höher die Übereinstimmung zwischen aktuellen und idealen Teamrollen ist, desto besser fallen auch die Arbeitszufriedenheit und Qualität der Teamarbeit sowie die Einzelleistung aus.
    → Diese Erkenntnis kann als Hilfestellung für deine Reflexion dienen: Welche Rolle nehme ich momentan ein? Passt diese Rolle zu meinem Ideal? Was sind meine Charakterstärken und welche Rolle(n) könnte ich problemlos ausfüllen? Die Antworten auf diese Fragen können als Ausgangspunkt für Interventionen zur Förderung der individuellen Arbeitszufriedenheit genutzt werden. 
  2. Identifikation der Charakterstärken 
    Vor allem die Charakterstärken Teamwork und Fairness haben einen positiven Einfluss auf die Teamleistung, Arbeitszufriedenheit und Qualität der Teamarbeit. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass negative Effekte folgen könnten, wenn zu viele Teammitglieder eine bestimmte Charakterstärke haben. 
    → Da Teammitglieder sich eher implizit in bestimmte Rollen begeben, sollten die Charakterstärken der einzelnen Personen bereits im Recruiting identifiziert werden, um die ideale Teamrolle zu finden. 
  3. Hohe Repräsentation der Teamrollen 
    Je mehr Teamrollen vertreten sind, desto besser sind auch die Teamleistung, die Arbeitszufriedenheit und die Qualität der Teamarbeit. Dabei ist die Größe der Teams nicht von Relevanz, da einzelne Personen auch mehrere Rollen einnehmen können. 
    → Diese Erkenntnisse sind hilfreich bei der Teamkonstellation: Es sollten Personen zusammengeführt werden, die sich hinsichtlich der Teamrollen ergänzen oder gezielt Personen eingestellt werden, die die fehlenden Teamrollen ausfüllen können. 
  4. Ausgefeilte Teamrollen-Balance 
    Teamrollen können mehrfach in einem Team vertreten sein. Wenn allerdings zu viele Teammitglieder die gleiche Teamrolle vertreten, kann die Teamleistung und die Qualität der Teamarbeit darunter leiden. Überbesetzungen in den Rollen Information Gatherer, Decision Maker und Influencer sind kontraproduktiv, da sie anfällig für Wettbewerb und Rivalität sind. Anders sieht es bei den Teamrollen Idea Creator und Implementer aus: Diese ergänzen sich gegenseitig gut, was die Zusammenarbeit erleichtern kann. 
    → Auch diese Erkenntnisse sollten bei der Zusammenstellung von Teams beachtet werden, um eine erfolgreiche Teamarbeit zu gewährleisten. 

Mit dem VIA-Teamrollen-Modell zum ausgewogenen und leistungsstarken Team

Die Kunst dabei ist, erstmal zu erkennen, was ein Team überhaupt braucht. Anschließend können dann die richtigen Leute zusammengebracht werden, sodass sich die Teammitglieder gegenseitig ergänzen und eine effektive Teamarbeit folgt. Im Fußball ist es ganz normal, Teams so aufzubauen, dass jede:r Spieler:in die ideale Rolle ausüben kann. Dadurch können Fußballteams extrem effektiv und erfolgsbringend zusammenarbeiten. Im Arbeitsalltag jedoch gibt es immer wieder Situationen, in denen Teammitglieder nicht ihre ideale Rolle einnehmen können und stattdessen die fehlende Rolle im Team übernehmen müssen. Dennoch sollte jedes Teammitglied das Ausführen der idealen Teamrolle aufgrund der positiven Auswirkungen für das Team anstreben. Abschließend lässt sich sagen, dass ausgewogene Teams zu einer Verbesserung der Leistung und des Wohlbefindens des gesamten Teams führen. Einen guten Ansatz für diese Zusammensetzung von Teams bietet dabei das VIA-Teamrollen-Modell.

 

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Literatur

Belbin, R. M. (1981). Management Teams. Elsevier.

Belbin, R. M. (2010). Management Teams. Routledge.

Belbin, R. M. (2012). Team Roles at Work. Routledge.

Gander, F., Gaitzsch, I. & Ruch, W. (2020). The Relationships of Team Role- and Character Strengths-Balance With Individual and Team-Level Satisfaction and Performance. Frontiers in Psychology, 11, 1–15. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2020.566222

VIA Institute on Character (2013). Team Report. https://www. viacharacter.org/reports/the-via-team-profile-report

Bildquelle

Schwartz, M. (o.D.). Teamarbeit fördern. Ilea Institut. https://ilea-institut.de/blog/teamarbeit-foerdern/