Schlagwort: organisationale Sozialisation

“Kommt ein neuer Mitarbeiter zu seiner Chefin…”

Wie Humor den Einstieg in eine neue Arbeitsgruppe beeinflussen kann
von Sita Begusch, Franziska Geißler, Julia Kurkowski & Laura Naujoks


Der Einstieg in ein neue Arbeitsgruppe fällt nicht allen leicht. Humor kann dabei unterstützen, den Eintritt für neue Mitglieder aber auch für die bestehende Gruppe zu erleichtern. Dabei gilt es zu beachten, dass jede:r Humor anders bewertet. Der Einsatz von Humor sollte also stets sensibel und einfühlsam gewählt werden.

Wir sind es alle schon einmal gewesen oder werden es irgendwann sein: Die oder der Neue. Egal, ob jemand in einen Sportverein eintritt, sich einem Chor anschließt oder sich auf eine neue Arbeitsstelle einlässt. Moreland und Levine (1994) entwickelten dafür ein Modell der Gruppensozialisation. Es beschreibt den Weg eines Einzelnen durch verschiedene Phasen in einer (für ihn:sie neue) Gruppe. Die Beziehung zwischen dem:der Einzelnen und der Gruppe verändert sich im Laufe der Zeit. Sowohl die Person als auch die Gruppe erreichen dabei irgendwann einen Punkt, an dem beide bereit sind in eine neue Phase einzutreten. Die Phase, in der jemand das „neue Mitglied“ ist, wird von Moreland und Levine als Sozialisationsphase bezeichnet. Es handelt sich dabei um einen Prozess, bei dem sich eine Person in eine Gruppe eingliedert. Auch die Gruppe muss dem neuen Mitglied entgegenkommen und sich anpassen. Diese Veränderungen können bei allen Beteiligten Stress und Unsicherheiten auslösen. Eine erfolgreiche Sozialisation von Mitarbeiter:innen ist deshalb besonders wichtig für Organisationen. Sie legt den Grundstein für den weiteren Werdegang im Unternehmen. Doch wie genau kann neuen Mitgliedern der Einstieg in eine neue Organisation erleichtert werden? Eine mögliche Antwort darauf ist: Humor.

Funktionen und Wirkungen von Humor in der Sozialisationsphase

Humor bedeutet dabei nicht nur, dass etwas zufällig amüsant ist. Vielmehr ist Humor ein kommunikativer Prozess, bei dem Mehrdeutigkeiten eine gemeinsame Bedeutung gegeben wird. Humor stellt somit eine Schnittstelle zwischen den normalen, vorhersehbaren sowie den abnormalen, unerwarteten Situationen des Organisationslebens dar und gibt ihnen einen Sinn. Dass Humor ein zweischneidiges Schwert ist, welches sowohl positive als auch negative Konsequenzen nach sich ziehen kann, zeigt eine Studie von Heiss und Carmack (2012). Für ihre Studie untersuchten die Wissenschaftlerinnen die Mitarbeiter:innen eines Unternehmens. Die Hälfte von ihnen arbeitete dort erst seit maximal anderthalb Jahren. Heiss und Carmack fanden mit Hilfe von Beobachtungen und qualitativen Interviews heraus, dass Humor genutzt wird, um die Jobanforderungen, die Unternehmenskultur und die Unternehmenszugehörigkeit zu vermitteln.

Jobanforderungen

Was muss ich hier eigentlich machen? Um diese Frage zu beantworten, sind neue Mitarbeiter:innen auf mehr als nur die Stellenbeschreibung und offizielle Unternehmensdokumente angewiesen. Bestehende Mitarbeiter:innen dagegen haben dieses wertvolle Wissen. Humor hilft beiden Seiten, die Anforderungen auf spielerische Weise zu kommunizieren. Bestehende Mitarbeiter:innen können Fehler ansprechen, ohne die Gefühle der Neulinge zu verletzen. Nehmen wir zum Beispiel Tom: Seine Kollegin fragte letzte Woche scherzhaft, ob er bei seinem vorherigen Arbeitgeber noch nie ein Kund:innengespräch geführt hätte. Doch gut gemeint ist – wie in Tom’s Fall – nicht immer gut gemacht. Heiss und Carmack zeigten, dass sich neue Mitarbeiter:innen dadurch eher verunsichert fühlen, insbesondere wenn unklar ist, was sie falsch gemacht haben. Die neuen Mitarbeiter:innen wiederum setzen Humor ein, um an Informationen zu kommen. Eine Frage wie: “Hey, kannst du mir nochmal zeigen, wie ich in das Programm komme? Ich habe mein Gehirn heute wohl zu Hause vergessen.”, hilft ihnen Schwächen zu überspielen. Außerdem können sie so das Gefühl vermeiden, die bestehenden Mitarbeiter:innen im stressigen Arbeitsalltag zusätzlich zu belasten.

Unternehmenskultur

Die Kultur eines Unternehmen ist schwer greifbar. Neue Mitarbeiter:innen lernen die Werte, ungeschriebenen Regeln und Traditionen durch Beobachtung und im Umgang mit der bestehenden Belegschaft. Dies geschieht meist in Situationen abseits der geplanten Unternehmensabläufe. Tom’s Kollege beispielsweise spaßte beim Kaffeeplausch über eine eigene, unangenehme Erfahrung. Damit will er ihm derartige Peinlichkeiten ersparen. Laut der Forscherinnen wird aber vor allem scherzhaft darauf aufmerksam gemacht, wenn Neulinge gegen ungeschriebene Regeln verstoßen. So wie ein:e Mitarbeiter:in die:der zu spät kommt und mit dem Spruch “Schön, dass du’s noch geschafft hast”, begrüßt wird. Während die Neulinge so die Kultur kennenlernen, wird sie für die bestehenden Mitarbeiter:innen gefestigt.

Unternehmenszugehörigkeit

Neue Mitarbeiter:innen werden nicht automatisch mit ihrem Eintritt in das Unternehmen als vollwertiges Gruppenmitglied akzeptiert. Die bestehenden Mitarbeiter:innen teilen Geschichten und Wissen, das Neulingen nicht zugänglich ist. Das verbindet und stärkt den Zusammenhalt. Wie die Studie von Heiss und Carmack zeigt, können bestehende Mitarbeiter:innen diese „Insiderinformationen“ einsetzen, um neue Mitarbeiter:innen in die Gruppe einzuschließen. Auf der anderen Seite können sie dadurch ihre Überlegenheit demonstrieren und neue Mitarbeiter:innen ausgrenzen. Dies kann vielfältige Gründe haben. Einige Mitarbeiter:innen tun sich schwer mit der Veränderung, wohingegen andere neuen Personen grundsätzlich erst einmal skeptisch gegenübertreten. Die alten und neuen Mitarbeiter:innen müssen das Spannungsfeld zwischen dem was sie trennt und dem was sie verbindet bewältigen. Um von der Gruppe anerkannt und akzeptiert zu werden, lernen die Neulinge wie sie den Humor im Unternehmen interpretieren und gezielt einsetzen können. Denn Humor löst positive Emotionen aus, die den Beziehungsaufbau erleichtern. Letztlich dient Humor auch als Indikator dafür, ob die volle Mitgliedschaft bzw. Akzeptanz der Gruppe erreicht worden ist. Woran merkte Tom, dass er als volles Mitglied akzeptiert wurde? Als er und seine Kolleg:innen die erste gemeinsame „Insiderstory“ teilten.

Humor kann den Eintritt von Neulingen in ein Unternehmen also sowohl erleichtern als auch erschweren. Bestehende Mitarbeiter:innen setzen Humor zunächst auf eine etwas „aggressive“ Art ein. Damit behaupten sie ihre Macht und wahren die kulturelle Stabilität sowie den Gruppenzusammenhalt. Die Neulinge müssen erst einen „Humor-Spießrutenlauf“ absolvieren, um ein fester Teil der Gruppe zu werden. Gleichzeitig setzen Mitarbeiter:innen einfühlsamen Humor ein, wenn sie bei Fehlern die Würde der Neulinge wahren wollten. Sobald Neuankömmlinge von der Gruppe akzeptiert werden, wandelt sich der aggressive zu einem freundlichen, einfühlsamen Humor. Die Neuankömmlinge selbst erleichterten sich die Suche nach Informationen über die Unternehmenskultur und die Jobanforderungen mit Humor. So müssen sie nicht befürchten, ihr Gesicht zu verlieren.

Also… ein humorvoller Start in ein neues Unternehmen?

Fragen Sie sich als Leser:in einmal selbst: Wie möchte ich in einem neuen Unternehmen aufgenommen werden? Die Antwort ist wahrscheinlich „herzlich“. Viele Wege führen nach Rom. Allerdings eröffnet vor allem Humor die Möglichkeit, einen roten Faden in die Unternehmenskultur zu manifestieren, der direkt zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre führt. Doch Vorsicht: Wie die Forschungsbefunde von Heiss und Carmack (2012) gezeigt haben, hat Humor zwei Seiten und ist nicht immer nur gut. Richtig eingesetzt, hilft Humor sich empathisch und wertschätzend an noch unbekannte Menschen und ihre Bedürfnisse heranzutasten. Organisationsmitglieder mit toxischen Motiven könnten Humor hingegen als Türöffner für unterschwellige Herabwürdigungen nutzen. Der Schlüssel – insbesondere für Führungskräfte – ist, bei der Sozialisation neuer Gruppenmitglieder auf „humorvolle“ Bemerkungen zu achten. Lässt sich beispielsweise ein Ausdruck von Unsicherheit erkennen oder eine versteckte und nicht akzeptable Spitze? Führungskräfte müssen genau hinsehen, an welchen Stellen Humor aufgrund einer unzureichenden Einarbeitung eingesetzt wird.

Insbesondere im Onboarding sollten nicht nur Misserfolge und Fehler kommuniziert werden, sondern Erfolge und positive Nachrichten in den Vordergrund gestellt werden. Die Kultur kann sich über verschiedene Unternehmen hinweg sehr unterscheiden. Mitarbeiter:innen wissen nicht immer, wie sie humorvolle Aussagen interpretieren oder selbst anwenden können. Mentor:innen können als direkte Ansprechpartner:innen und Vertrauenspersonen dafür eine Brücke schlagen und in dem Sozialisierungsprozess zusätzlich unterstützen.

In einem organisierten Rahmen und einfühlsam eingesetzt, kann Humor die Aufnahme von neuen Mitgliedern in ein Unternehmen durchaus erleichtern – für alle Parteien.

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Heiss, S. N., & Carmack, H. J. (2012). Knock, Knock; Who´s There? Making Sense of Organizational Entrance Through Humor, Management Communication Quarterly 26(1), S. 106-132.
Levine, J. M., & Moreland, R. L. (1994). Group socialization: Theory and research. European Review of Social Psychology, 5(1), S. 305-336.

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