Autor: Trea

Frau die sich am Arbeitsplatz freut

Das emotionale Alphabet: Wie sich ein „J“oker zwischen ehrliches und betrügerisches Verhalten drängt.

▶︎ von Trea Christiansen & Clara Stelzenmüller

Bereits in einem Alter von 4-8 Jahren entwickeln wir das Wissen um unsere Emotionen. Durch Erfahrungen, die eigene Wahrnehmung und die Unterscheidung der Emotionen lernen wir. Doch was ist, wenn diese Emotionen beginnen unser Handeln stark zu beeinflussen? Eine Studie untersuchte dafür zweierlei Leistungsaufgaben unter dem Druckmittel Geld und kam zu beeindruckenden Erkenntnissen … 

Jeden Tag treffen wir eine Vielzahl an Entscheidungen. Denken hilft zwar, nützt aber nichts — zumindest nicht immer. Ein wesentlicher Unterschied wird durch Ihr Langzeitgedächtnis und einem übergeordneten Scharfsinn geprägt. Menschen verarbeiten Informationen auf unterschiedliche Arten. Zwei diskrete Emotionen (Wut & Schuld) beeinflussen unethisches Verhalten. Wissenschaftler:innen vertreten die Ansicht, dass Emotionen bei Entscheidungen vor allem eine spontane Verarbeitung beeinflussen. Wahrheit oder Pflicht, Ehrlichkeit oder Unehrlichkeit oder von Emotionen geleitet — ist das hier die Frage?

Unser tägliches Handeln, die Fähigkeit systemisch zu denken und unsere emotionalen Reaktionen können mithilfe von dualen Prozessen erklärt werden. Dabei wird zwischen einem schnellen impulsiven (IS) und einem langsamen reflexiven System (RS) unterschieden. Das IS steuert das Verhalten auf Grundlage erlernter Verhaltensmuster. Zudem legt es seinen Fokus auf die Befriedigung der Grundbedürfnisse (Hunger, Durst, Schlaf etc.). Damit keine dieser überlebenswichtigen Handlungen vergessen wird, werden die gesammelten Informationen im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Dank des RS sind wir in der Lage unser Verhalten zu reflektieren und anzupassen. Damit dies funktioniert findet ein Informationsaustausch mit dem IS statt. Jedoch werden die Informationen nur verarbeitet, wenn gerade keine wichtigeren Prozesse laufen. Bei einer Gehaltsverhandlung kann die betroffene Person beispielsweise schnell und impulsiv antworten. Alternativ könnte sie die erste Vorstellung noch einmal gründlich überdenken und erst danach antworten. Zudem wird unser Verhalten stark durch die vorherrschende Stimmung beeinflusst. Weshalb wir gerade in wichtigen Gesprächen einen kühlen Kopf bewahren sollten.

Kennen Sie das Gefühl schlagartig wütend zu sein? Herzlichen Glückwunsch! Sie haben nicht nur mit einer Primäremotion Bekanntschaft gemacht sondern auch die Arbeitsweise des impulsiven Systems kennengelernt. Sie leiden vermehrt unter Schuldgefühlen? Bei Ihnen arbeitet das reflexive System verstärkt. Bisherige Forschungsergebnisse konnten Wut mit einer erhöhten Impulsivität und Risikobereitschaft in Verbindung bringen. Zudem besteht die Vermutung, dass wütende Menschen schneller unethisches und süchtiges Verhalten (z.B. Drogenkonsum, Bulimie, Kaufzwang) zeigen. Personen die häufig das Gefühl von Schuld spüren verhalten sich nicht nur ethischer sondern kümmern sich auch vermehrt um ihre Mitmenschen. Die Forschergruppe um Daphna Motro untersuchte die Auswirkungen von Schuld und Wut auf unethisches Verhalten. Dazu führten sie zwei Studien mit Geldeinsatz an öffentlichen amerikanischen Universitäten durch. Die Teilnehmenden starteten mit einer Leistungsaufgabe auf Zeit und mit Geldeinsatz. Gefolgt von einer Schreibaufgabe bei der entweder über Wut oder Schuld geschrieben wurde. Im Anschluss fand eine Überprüfung der Emotionsmanipulation statt. Abschließend sollten die Teilnehmenden ihre eigene Leistung bei der Leistungsaufgabe bewerten. Dies bot ihnen die Möglichkeit sich unethisch zu verhalten. Indem sie ihre Leistung zu hoch angaben und gleichzeitig eine unverdiente Entschädigung einforderten.

Geldscheine und Taschenrechner auf dem Tisch liegendBei der Leistungsaufgabe der ersten Studie mussten die Teilnehmenden 20 Kopfrechenaufgaben lösen. Für jede richtige Antwort gab es 0,25 Dollar, maximal 5 Dollar. Die Auszahlung erfolgte nach eigener Leistungseinschätzung. Durch einen Zahlencode konnten die Aufgabenblätter den entsprechenden Briefumschlägen und Auszahlungen zugeordnet werden. Bei den „wütenden“ Teilnehmenden nahm das unethische Verhalten, im Vergleich zu einer neutralen Gruppe, um das Doppelte zu. Während es bei den Teilnehmenden mit Schuldgefühlen eindeutig ethisch erwünschter ausfiel.

Bei der Leistungsaufgabe der zweiten Studie handelte es sich um spieltheoretische Aufgabe. Die Teilnehmenden erhielten ein Startkapital von 100 Dollar und mussten bei 40 Versuchen angeben, ob eine „J“oker-Karte abgebildet wurde. Durch das Melden von „J“ verringerte sich der Gewinn, sodass durch eine ehrliche Spielweise maximal 20 Dollar übrig blieben. Auch bei der zweiten Studie zeigten die wütenden Teilnehmenden vermehrt unethisches Verhalten. Die beiden Studien belegen, dass ein konsistentes Verhaltensmuster zwischen den Emotionen Wut und Schuld, in Verbindung mit unethischen Handeln, besteht. Emotionen beeinflussen unser handeln stark. Je nachdem ob wir uns Zeit für Selbstreflexion nehmen oder impulsiv handeln wird das IS oder RS aktiviert. Dadurch werden die gewonnen Erkenntnisse durch die Theorie der dualen Prozesse gestützt.

Um genau dieselbigen Prozesse geht es in unserem Gehirn. Ein Dirigent leitet sowohl einen Chor als auch ein Orchester. Synchron gestaltet und interpretiert er das Kunststück. Wir können die Stimmen bzw. Instrumente besetzen und dadurch unser Arbeitsverhalten langfristig prägen. Umso häufiger eine Nervenzelle aktiviert wird, desto stärker wird die Verbindung. Wodurch das Verhalten immer routinierter wird. Dies lässt uns leistungsfähiger werden. Das IS und RS stehen bei jeder alltäglichen Verlockung im Konflikt zueinander und kämpfen um die Vorherrschaft. Chatte ich, während der Arbeitszeit mit Freunden? Oder lenke ich meine Konzentration mit voller Energie auf die Arbeit? Wer nun den Verlockungen im Arbeitsalltag nachgibt erreicht seine beruflichen Ziele höchstwahrscheinlich nicht, so der Forscher Jürg Dietrich. In Führungspositionen gilt es den richtigen Mix zu finden. Die bewusste und situative Anpassung unseres Verhaltens, kann nicht nur bei der Teamführung, sondern auch bei der Interaktion mit Bewerbern hilfreich sein. Mithilfe der Erkenntnisse wird deutlich, wie wichtig es ist, dass wir uns unserer Gefühle bewusst sind. So sollten wir versuchen eine gute emotionale Wegweisung zu bilden, um uns bei wichtigen Entscheidungen oder in Beziehungen moralisch und ethisch leiten lassen. Zudem kann so sichergestellt werden, dass wir dauerhaft der Dirigent unser eigenen Emotionen bleiben.

Mit einem Spillover-Effekt können Emotionen in einem bestimmten Kontext, Ergebnisse in einer nicht damit verbundenen Situation beeinflussen. Das ist der Zeitpunkt in dem Emotionen beginnen unser Handeln zu kontrollieren und teilweise aus der Intuition heraus ein Handeln hervorrufen. Wir können also festhalten, dass Emotionen nicht nur die spontane Verarbeitung (IS) beeinflussen. Jedoch unter dem Einsatz von Druckmitteln wie bspw. einem belohnenden Geldgewinn schnell die Oberhand übernehmen. Emotionen können sich durch erneutes triggern verstärken. Die Aufmerksamkeit darf nicht nur den Emotionen der Schuld und Wut geschenkt werden. Vielmehr wäre eine weitere Forschung in Verbindung mit den Grundemotionen Freude, Überraschung, Ekel und Angst sehr interessant. Verlasse ich mich hierbei ebenfalls auf mein Langzeitgedächtnis oder benötige ich Bedenkzeit um meine Entscheidung zu fällen? Da es sich hier um nur eine Studie zu Schuld und Wut handelt, ist das lesen von weiteren Studien zu diesem Thema wichtig. Zudem sollte weitere Forschungsarbeiten in dem Bereich getätigt werden, um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten. Und am Ende der Geschicht’ bleibt nur zu sagen: „Es gibt nichts besseres, als ruhig zu bleiben, in einer Situation, wo jeder von dir erwartet, dass du die Beherrschung verlierst.“ (Joker). Denn Emotionen mögen dich kontrollieren, aber du kannst sie genauso beherrschen.

 

Literatur

Deutsch, R., & Strack, F. (2006). Duality models in social psychology: From dual processes to interacting systems. Psychological Inquiry, 17(3), 166-172. https://doi.org/10.1207/s15327965pli1703_2.

Dietrich, J. (2014). Gehirngerechtes Arbeiten und beruflicher Erfolg – Eine Anleitung für mehr Effektivität und Effizienz. In: Den eigenen Dirigenten bewusst aktivieren und einsetzen. S. 11ff., Springer Fachmedien. https://doi.org/10.1007/978-3-658-04862-4

Motro, D., Ordóñez, L. D., Pittarello, A., & Welsh, D. T. (2018). Investigating the effects of anger and guilt on unethical behavior: A dual-process approach. Journal of Business Ethics, 152(1), 133-148. https://doi.org/10.1007/https://link.springer.com/article/10.1007/s10551-016-3337-x#citeass10551-016-3337-x.

 

Bildquelle

https://www.pexels.com/de-de/foto/geschaftsmann-fashion-mann-person-7640433/