- Fassen Sie die für sie wichtigsten Einsichten, die ihnen diese Perspektive eröffnet hat, zusammen.
Ich sehe im individualisierten Unterricht viele Vor- und Nachteile. Besondere Schwierigkeit sehe ich in den erforderten Fähigkeiten der Schüler, die zum Erfolg individualisierten Unterrichts führen. Selbststeuerung und Evaluation ist selbst für Erwachsene ein hartes Pflaster. Sich zur Arbeit aufzuraffen ist nicht für jeden selbstständig möglich. Dies muss von der ersten Klasse an gefördert werden, wie es die Montessori und Waldorfschulen machen, um im Alter und dementsprechend höheren Klassen diese Fähigkeiten von Schülern fordern zu können. Und auch eine engagierte und „coole“ Präsentation ist kaum für jeden durchführbar. Besonders am Beispiel Tarkan sieht man die Schwierigkeit der Normierung besonders. Eine Inklusion dieses scheinbar schwächeren Schülers wäre durchaus möglich, scheinbar liegen seine Probleme jedoch tiefer und er ist auf einem gänzlich anderen Lernniveau als seine Mitschüler. Vorteile sind durchaus auch zu sehen. Die Akzeptanz und Arbeit mit der klasseninternen Heterogenität ist bei individualisiertem Unterricht besonders stark hervorzuheben. Frontalunterricht und klare Strukturen sind immer noch durchführbar, während weiterhin die Schüler eine gewisse Selbstständigkeit an den Tag legen können. Für mich wäre es denkbar, einige Unterrichtsstunden des Jahres derart zu gestalten, die Schüler aber auch stark darauf vorzubereiten, weiß ich doch schließlich selbst, wie es in der Klasse aussah, wenn der Lehrer mal nicht da war oder eine Gruppenarbeit zu tun war.
- Welchen Beitrag leistet Ihrer Meinung nach eine solche schultheoretische Sichtweise für die Reflexion des Umgangs mit Heterogenität im Unterricht?
Durch diese Sichtweise sind wir in Bezug auf Heterogenität auf einem guten Weg. Meiner Meinung nach ist Schule immer noch ein Ort der Sozialisation und Gesellschaftsfähigkeit die obligatorisch einhergeht mit einer gewissen Homogenisierung. Dass aber die Akzeptanz der Heterogenität eine wichtige Fähigkeit der Lehrer und Schüler ist, lässt sich nicht von der Hand weisen. Vielleicht wird eine Steigerung des Vorkommens individualisierten Unterrichts die Wichtigkeit dieser Akzeptanz verstärken. Aber auch das wird erst binnen der nächsten Jahre Einzug in den Unterricht finden, Lehrer die im Augenblick unterrichten sind immer noch von der alten Schule und man muss Glück haben, einen heterogenität-anerkennenden Lehrer zu finden.