Jul 12 2019

Abschlussreflexion

Posted at 13:17 under Allgemein

Im Rahmen der Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität“ im Bezug auf die Grundschule des Moduls E/P-Baumhet ging es um Fragen rund um die Förderung der Heterogenität von Lerngruppen und wie man diese als Lehrkraft möglichst effektiv fördern und im Unterricht präsent machen kann.

Erschreckend fand ich – beispielsweise in Bezug auf das Fach Deutsch – wie leistungsorientiert wir heute alle denken. So wird bei Kindern und Jugendlichen, die Deutsch als Zweitsprache oft erst erlernen müssen, ein Übertrag zwischen der Sprachfähigkeit und der Leistungsqualität vorgenommen. Man geht also davon aus, dass jemand, der die jeweilige Sprache (in diesem Fall Deutsch) nicht sicher beherrscht auch nicht imstande ist, die gleichen schulischen Leistungen zu erbringen wie jemand, dessen Deutsch fließend und gut ist.

Wenn jedoch immer mehr Kinder mit DaZ- (Deutsch als Fremdsprache) oder DaF- (Deutsch als Fremdsprache) Hintergründen an unsere deutschen Schulen kommen, ist es weder fair noch sinnvoll, die Qualität der Leistung von dem Beherrschen der Sprache abhängig zu machen.

Viel mehr sollte der Fokus noch stärker auf die intensive Förderung von DaZ- und DaF-Kindern – sowie im als auch außerhalb des Unterrichts – liegen. Im Unterricht sollte achtsam und bewusst mit der Einführung von Fachwörtern gearbeitet werden, sodass alle gut mitkommen und nicht aufgrund sprachlicher Unsicherheiten nicht gut am Unterricht teilnehmen können.

Zudem ist eine starke Zusammenarbeit mit den Eltern der Schüler und Schülerinnen notwendig, um auch im außerschulischen Umfeld des Kindes Bewusstsein für die Relevanz von Sprache im (Bildungs-)Alltag hervorzurufen. Teilweise kann dies mit Schwierigkeiten verbunden sein, da die Bezugspersonen selbst kaum/nicht gut Deutsch sprechen. Der Miteinbezug eines Dolmetschers/einer Dolmetscherin wäre hier durchaus angebracht.

Auch im Mathematikunterricht ist die Bedeutsamkeit der Sprache nicht außer Acht zu lassen. Hier ist die Sprachförderung ebenso von Relevanz wie auch im Unterrichtsfach Deutsch und eine Zusammenarbeit mit den Eltern unabdingbar.

Zudem bietet es sich im Mathematikunterricht in der Grundschule an, den Schülern und Schülerinnen spielerische Einstiege in eine neue Thematik zu bieten. Auch hier muss der Austausch mit der Elternschaft gewahrt bleiben, sodass nachvollzogen werden kann, dass „das Spiel“ auch im Unterricht durchaus sinnvoll und lehrreich sein kann. Findet dieser Austausch nicht statt, so könnte es zu Beschwerden aus der Elternschaft kommen, ihr Kind sei nicht in der Schule um zu spielen, das könne es schließlich nach der Schule noch genug.

Unterrichtsinhalte sollten also nicht nur für die Schüler und Schülerinnen, sondern auch für deren Bezugspersonen transparent gestaltet werden, um das Eingehen auf Heterogenitäten im Unterricht gewährleisten zu können.

Bei aller Berücksichtigung der Vielfalt jedes einzelnen Schülers, jeder einzelnen Schülerin sollte aber nicht außer Acht gelassen werden, auch die Homogenität der Klasse zu fördern, also das Einheitsgefühl der Klasse genauso wichtig ist wie die Erkenntnis, dass jedes Kind für sich wichtig und besonders ist – eben auch für die Homogenität/die Einheit „Klasse“.

Ob es nun um religiöse oder kulturelle Unterschiede geht – um nur ein Bruchteil von Heterogenitätskriterien zu nennen – ein offenes Ohr und Interesse für die Andersartigkeit der Anderen ist der Grundstein der Arbeit mit Heterogenität in der Grundschule.

Mit einem Blick auf die Schulen und Unterrichtspraktiken, die ich bisher kennenlernen durfte, ist mir mittlerweile sehr klar, dass eine positive Haltung gegenüber der Vielfalt anderer nur durch Kommunikation und Interesse für den Anderen entsteht. Das bewusste Einbauen von in der Klasse vertretenen Kulturen in den Unterricht finde ich daher äußerst sinnvoll, da die Kinder durch ihre eigenen Erfahrungen kulturelle Unterschiede für ihre MitschülerInnen greifbarer machen können.

Um auf den Aspekt der Leistungsorientierung – welche ich schon im Bezug aus das Fach Deutsch erläutert habe – zurück zu kommen, so spielt diese allgemein im Feld Schule eine große Rolle.

Hier sei die Frage gestellt, ob dieses System, so wie es jetzt ist, überhaupt noch für die Grundschule geeignet ist. Leistungsbewertungen dramatisieren die Heterogenität der Schüler und Schülerinnen sehr stark. Unterschiedlichkeiten werden bewertend und nicht immer im positiven Kontext hervorgehoben.

Dabei sind Leistungen nie nur von einem Faktor abhängig. Immer sind mehrere Umstände beteiligt, die beeinflussen, wie gut unsere Voraussetzungen sind, in einem gewissen Bereich eine gute oder eben weniger gute Leistung zu erzielen.

Wenn ich an meine Schulzeit zurück denke, in der ich eine Waldorfschule besuchte, war der Heterogenitätsaspekt immer sehr präsent. In meiner Erinnerung hatte ich immer das Gefühl, dass es im Unterricht viel darum ging, dass jedes Schulkind auf seine eigene Weise und in seinem eigenen Tempo lernt, was gut ist. Zudem war die Schule, die ich besuchte, nur einzügig und sowohl SchülerInnen und LehrerInnen als auch die SchülerInnen untereinander kannten sich alle.

Der Unterricht war oft interaktiv gestaltet, später gab es aber auch viel Frontalunterricht. Im handwerklichen und künstlerischen Unterricht wurde oft individuell oder in Kleingruppen gearbeitet, aber auch die Förderung des Einheitsgefühls der Klasse wurde durch Projekte wie das gemeinsame Bauens eines Hühnerstalls und Tagesausflüge immer wieder gefördert – vielleicht ist dieser Aspekt in der Waldorfschule noch etwas relevanter als in der Grundschule, da eine Klassengemeinschaft meist vom Schulbeginn bis zum Abschluss besteht.

Wenn ich zwischen regulärer Grundschul- und Oberschulzeit differenzieren müsste, so würde ich sagen, dass sowohl Homogenität und Heterogenität vor allem in den ersten Schuljahren sehr stark im Fokus standen. Homogenität gefordert durch gemeinsame Aktionen und zur Verdeutlichung und Wertschätzung der Heterogenität der Klasse bestimmte Rituale. Zu einem dieser Rituale fallen mir dir Zeugnissprüche ein – jedes Kind bekam zu Beginn des neuen Schuljahres ein Gedicht zugeteilt, welches es jedes Woche am Tag seiner Geburt vor der Klasse vortrug. Jedes Kind der Klasse tat dies, aber jedes auf seine Weise und mit seinem ganz eigenen Spruch.

Zudem wurden sowohl Homogenität als auch Heterogenität in Klassenprojekten wie die Aufführung von Theaterstücken präsent. Die ganze Klasse arbeitete hier gemeinsam an einem Projekt, in dem jeder gebraucht wurde, aber in der auch jedes Kind seine Rolle verkörperte und ihr einen individuellen Charakter gab.

Rückblickend habe ich meiner Meinung nach eine sehr gute Förderung im Bereich Heterogenität erhalten, die mir heute oft zu Empathie und dem Interesse am „Anderssein“ des Gegenübers verhilft.

In Praktika an Grundschulen erlebte ich oft Ansätze, die Heterogenität der Lerngruppe möglichst gut zu fördern. Diese gerieten aber teilweise an Grenzen, gerade dann, wenn SchülerInnen mit besonderem Förderbedarf die Klasse im Unterrichtsablauf „aufhielten“ oder ablenkten. Dies führte meist zu Genervtheit und auch Ratlosigkeit sowohl bei Lehrkraft als auch den MitschülerInnen, was oft zum Ausschluss des Kindes, welche die „Störquelle“ darstellte, führte. Hier wurde die Heterogenität eben dieses Schulkindes also eher abwertend betrachtet, da es aus der Klasse quasi ausgeschlossen wurde – wenn auch nur zeitweise.

Sehr oft jedoch wurden kulturelle Unterschiede innerhalb einer Klasse als Chance der Förderung von Interessen für Heterogenität genutzt.

In Sachkunde wurde auf unterschiedliche Essensrituale eingegangen oder wenn ein Kind aufgrund einer kulturellen Festlichkeit fehlte, so erzählte es am nächsten Tag seinen MitschülerInnen davon, sodass ein direkter Austausch zwischen den Kindern mit kulturellen Unterschieden stattfinden konnte.

Sehr positiv empfand ich auch immer das Prinzip der Leistungsrückmeldung von Schulkind zu Schulkind. In meinem Orientierungspraktikum dieses Studiums ist mir ganz besonders positiv das Klassenritual der „warmen Dusche“ in Erinnerung geblieben. Dabei wurde jede Woche ein Schüler, eine Schülerin ausgewählt, die am Ende der Woche die warme Dusche bekam, bei der alle MitschülerInnen etwas nennen sollten, was sie an dem-/derjenigen besonders mögen oder lobenswert fanden. Eine sehr schöne Übung zur Wertschätzung jedes einzelnen, wie ich finde.

Im Bereich der Forschung würde ich mich im weiteren Verlauf des Studiums sehr dafür interessieren, noch mehr über den Aspekt der Leistungsheterogenität zu erfahren. Also wie die Rückmeldung und Bewertung erfolgen sollte, ohne Heterogenitäten jedes Schulkindes zu vernachlässigen und welche Wege es gäbe, den Fokus etwas vom Leistungsergebnis weg zu bewegen – vielleicht hin zum Blick auf den Lernprozess jedes individuellen Schülers, jeder individuellen Schülerin.

Zudem fände ich es sehr interessant, wenn Möglichkeiten aufgezeigt werden würden, in der die Leistungsbeurteilung nicht so stark an der Sprache orientiert ist, da ich weiß, dass ich in der späteren Praxis sehr viel mit Kindern mit DaZ- oder DaF-Hintergrund zu tun haben werde und diesen gerne ein genauso positives Lernerlebnis bieten will wie den Kindern mit Deutsch als Muttersprache.

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