Inklusion

Konsequenzen der Aussonderung von Schüler*innen mit Förderbedarf

Die Aussonderung von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf in separate Förderschulen oder Sonderklassen stellt eine tiefgreifende bildungs- und gesellschaftspolitische Maßnahme dar, deren Konsequenzen sowohl auf individueller als auch auf systemischer Ebene zu betrachten sind. Zahlreiche wissenschaftliche Studien und bildungspolitische Stellungnahmen weisen darauf hin, dass segregierende Bildungsformen langfristig mit negativen Auswirkungen auf die Bildung und soziale Teilhabe der betroffenen Schüler*innen verbunden sind (vgl. Hoffman-Lun 2016).

Hoffman-Lun (2016) zeigt in ihrer Studie zu inklusionsorientierten Ganztagsschulen, dass Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf trotz ihrer Teilnahme am gemeinsamen Unterricht häufig weiterhin als „Förderschüler*innen“ stigmatisiert werden. Die befragten Schüler*innen berichten von oberflächlich toleranten Umgangsformen, in denen Hilfsbereitschaft durch Mitschüler*innen eher strategisch zur Selbstdarstellung dient, anstatt die tatsächlichen Kompetenzen der betroffenen Kinder anzuerkennen. Die Autorin weist auf die Gefahr hin, dass Lehrkräfte diese Schüler*innen vorrangig defizitorientiert wahrnehmen und damit bestehende Ausgrenzungstendenzen im inklusiven Setting reproduzieren.

Quelle:
Hofmann-Lun, I. (2016). Schülerinnen und Schüler in inklusiven Ganztagsschulen. Ergebnisbericht. München: DJI.

 

Welche Informationen können helfen?

Der Förderschwerpunkt Lernen bezieht sich auf umfassende, langandauernde Schwierigkeiten im Erwerb schulischer Grundkompetenzen, insbesondere in den Bereichen Lesen, Schreiben und Rechnen. Der Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung umfasst hingegen komplexe Entwicklungsverzögerungen, die sensorische, motorische oder sozial-emotionale Bereiche betreffen. (Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2021: 28ff.)

Im Vergleich dazu liefert eine medizinische Diagnose wie Trisomie 21 nur begrenzte pädagogisch relevante Informationen. Zwar kann sie Hinweise auf potenzielle kognitive, sprachliche oder motorische Besonderheiten geben, doch erlaubt sie keine präzise Aussage über die individuellen Lernvoraussetzungen eines Auszubildenen. Vielmehr ist es notwendig, Diagnosen in einen kontextualisierten, subjektorientierten Rahmen zu stellen, der die Persönlichkeit, Interessen, Kompetenzen und Bedürfnisse mit einbezieht. Aus pädagogischer Sicht sind daher differenzierte Informationen über die individuellen Lernvoraussetzungen zentral: Wie kommuniziert der Auszubildende? Welche Formen der Unterstützung haben sich bewährt? In welchen Kontexten zeigt es besondere Lernbereitschaft oder Interessen? (Ricken 2017:190ff.).

Quelle:
Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur (2021). Verordnung über die Ausgestaltung der sonderpädagogischen Förderung. Verfügbar unter: https://www.bildung-mv.de/export/sites/bildungsserver/.galleries/dokumente/schule/FoeSoVo [Letzter Zugriff: 22.05.2025]

Ricken, G. (2017). Kompetent sein für Inklusive Schulen heißt auch Diagnostizieren lernen. Hrsg.: Magdalena Gercke, M., Opalinski, S., Thonagel, T. In: Inklusive Bildung und gesellschaftliche Exklusion Wiesbaden: Springer Fachmedien

Verwendung von Medien

Die Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von Unterrichtsmaterialien sind zentrale Voraussetzungen für inklusives Lernen. Durch visuelle Hilfen, vereinfachte Sprache, konkrete Anschauungsmaterialien und den Einsatz digitaler, barrierefreier Medien können unterschiedliche Lernvoraussetzungen berücksichtigt werden. Dabei ist ein mehrkanaliger Zugang, etwa durch Kombination von Bild, Text und Handlung, besonders wirksam (Hartung-Ziehlke 2020: 39ff.).

Die Umsetzung gelingt am besten in Kooperation mit Sonderpädagog*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Therapeut*innen und den Eltern. Auch die Schüler*innen selbst sollten aktiv einbezogen werden, da sie über wichtiges Wissen zu ihren eigenen Lernbedingungen verfügen. (Demmer & Hopmann 2020: 1468)

Quelle:
Hartung-Ziehlke, J. (2020). Inklusion durch digitale Medien in der beruflichen Bildung. Wiesbaden: Springer Fachmedien

Demmer, C., Hopmann, B. (2020). Multiprofessionelle Kooperation in inklusiven Ganztagsschulen. Hrsg.: Petra Bollweg, P., Buchna, J., Coelen, T., Otto, H. U. In: Handbuch Ganztagsbildung. Wiesbaden: Springer Fachmedien

Empfehlung: Podcast Prof. Dr. Frank J. Müller – Digitalisierung und Inklusion

Das Interview thematisiert, wie digitale Medien inklusiven Unterricht unterstützen können, etwa durch individualisierbare, barrierearme Lernmaterialien. Prof. Dr. Frank J. Müller betont, dass digitale Werkzeuge gezielt gestaltet und kritisch reflektiert werden müssen, um inklusiv zu wirken. Besonders wertvoll sind seine Hinweise zur Bedeutung freier Lernmaterialien (OER) und zur Medienkompetenz von Lehrkräften.

Fazit: Eine sehenswerte Ressource für alle, die digitale Bildung inklusiv und professionell gestalten möchten.

Quelle:
Müller, F. J. (2020) Digitalisierung und Inklusion. Verfügbar unter: https://path2in.uni-bremen.de/themen/digitalisierung-und-inklusion/ [Letzter Zugriff: 22.05.2025]

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