Mehrsprachigkeit in der Pflegeausbildung

Fallbeispiel: Gymnasium trotz nicht ausreichenden Deutschkenntnissen?

Inklusion und individuelle Förderung sind zentrale Prinzipien moderner Bildungsarbeit. Statt die Schüler*innen aufgrund temporärer sprachlicher Defizite auf eine andere Schulform zu verweisen, sollte überlegt werden, wie die Schule Rahmenbedingungen schaffen kann, um die sprachliche Bildung parallel zum Fachunterricht gezielt zu unterstützen. Dazu zählen etwa sprachsensible Unterrichtsansätze, Förderstunden, Team-Teaching-Modelle oder zusätzliche Sprachfördermaßnahmen (Brungs 2018: 475f).

Außerdem zeigt die Tatsache, dass die Schüler*innen bereits soziale Kontakte aufgebaut haben und eine Bindung zur Schule empfinden, ein hohes Maß an Motivation und Integrationsbereitschaft. Ein Schulwechsel könnte diese positiven Entwicklungen empfindlich stören und kontraproduktiv wirken.

Abschließend lässt sich festhalten: Im Sinne einer chancengerechten und inklusiven Bildung sollte den Schülerinnen der Verbleib am Gymnasium ermöglicht werden. Die Schule sollte stattdessen geeignete Maßnahmen entwickeln, um die sprachlichen Kompetenzen im Unterricht weiter aufzubauen, anstatt die Schülerinnen auszugrenzen. (Szymanski 2006: 209)

Eigene Erfahrungen mit Mehrsprachigkeit

In der heutigen Pflegeausbildung ist deutlich zu erkennen, dass viele Auszubildende einen Migrationshintergrund haben und verschiedene sprachliche sowie kulturelle Hintergründe mitbringen. Rückblickend auf meine eigene Schulzeit in der Pflegeausbildung war Mehrsprachigkeit vor allem in der Weise präsent, dass Mitschülerinnen mit unterschiedlichen Herkunftssprachen teilweise Schwierigkeiten hatten, sich in Gruppenarbeiten einzubringen. Besonders auffällig war die Tendenz, dass sich in Gruppenarbeiten oft sogenannte „Wohlfühlgruppen“ bildeten. Oft arbeiteten Muttersprachlerinnen zusammen, während die anderen Mitschüler*innen mit Migrationshintergrund Gruppen bildeten oder sich eher isoliert fühlten.Eine wichtige Stütze für Schüler*innen mit Deutsch als Zweitsprache war damals der speziell eingerichtete Deutschförderunterricht, der eine gezielte sprachliche Unterstützung bot. Bedauerlicherweise gibt es eine solche gezielte sprachliche Förderung im Rahmen der aktuellen generalistischen Pflegeausbildung in dieser Form nicht mehr, obwohl der Bedarf weiterhin hoch ist.

In meiner späteren Tätigkeit als Praxisanleiterin in der Pflegepraxis habe ich die Mehrsprachigkeit meiner Kolleginnen und Auszubildenden nie als Problem wahrgenommen. Im Gegenteil: Ich empfand den Austausch mit Menschen unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Hintergründe als große Bereicherung. Unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen flossen in die Teamarbeit ein und erweiterten mein eigenes Wissen. Besonders beim sensiblen Thema der Palliativversorgung konnte ich persönlich viel lernen. Durch die Betreuung muslimischer Bewohnerinnen ergaben sich neue Einblicke und Verständnis für andere kulturelle und religiöse Praktiken, mit denen ich zuvor wenig Berührung hatte.

Zukünftige Unterichtsgestaltung

Nach dem Besuch dieser Vorlesung ist mir besonders bewusst geworden, wie wichtig ein bewusster, wertschätzender und sprachsensibler Umgang mit Mehrsprachigkeit und Heterogenität im Unterricht ist. In meiner zukünftigen Unterrichtsgestaltung möchte ich daher besonders darauf achten, dass Sprachförderung nicht isoliert, sondern als integraler Bestandteil des Fachunterrichts verstanden wird. Ziel soll es sein, alle Lernenden so zu unterstützen, dass sie sich sprachlich weiterentwickeln und gleichzeitig fachlich erfolgreich lernen können. Zukünftig werde ich in meiner Unterrichtsplanung darauf achten die Gruppen so aufzuteilen, dass sowohl Muttersprachler als auch Schüler*innen mit Deutsch als Zweitsprache in Gruppen sind.

Gestaltung der Schule in einer mehrsprachigen Gesellschaft

In einer zunehmend mehrsprachigen und kulturell vielfältigen Gesellschaft muss Schule ein Ort sein, der sprachliche Vielfalt nicht nur toleriert, sondern aktiv wertschätzt und gezielt fördert. Es erfordert jedoch zunächst bestimmte strukturelle Rahmenbedingungen um die Mehrsprachigkeit der Schüler*innen einzubeziehen und ein registersensiblen Fachunterricht gestalten werden kann. Bildungsungleichheiten lassen sich laut Bourdieu (1983) durch ungleiche Verteilung von ökonomischem, kulturellem und sozialem Kapital erklären. Migrantenfamilien verfügen oft über weniger dieser Ressourcen, was Bildungschancen einschränkt. Bildungsmuster werden nicht nur durch individuelle Merkmale wie soziale Herkunft bestimmt, sondern auch durch innerschulische, systembedingte Faktoren. Das Konzept der institutionellen Diskriminierung beschreibt, wie Schulen durch gewohnte Praktiken bestimmte Gruppen benachteiligen können. Entweder direkt (bewusste Regeln) oder indirekt (scheinbar neutrale Maßnahmen). Um Bildungsungleichheit für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund abzubauen, werden Veränderungen am Schulsystem, Qualitätsverbesserungen und gezielte Förderangebote (z. B. Sprachkurse, Mentoring) diskutiert. Schulsozialarbeit spielt eine zentrale Rolle: Sie soll migrationssensibel arbeiten, gleiche Bedürfnisse anerkennen, individuelle Unterstützung bieten (z. B. Sprachförderung, psychosoziale Hilfe, Elternarbeit) und Diskriminierung entgegenwirken. Dabei ist eine offene Haltung der Fachkräfte wichtig, die Heterogenität als Normalität sieht und strukturelle Benachteiligungen aktiv bekämpft. (Brungs 2018: 477f)

Literaturangaben:
Bourdieu, P. (1983). Ökonomisches Kapital, kulturelles Kapital, soziales Kapital. In: R. Kreckel (Hrsg.). Soziale Ungleichheiten. Göttingen: Schwartz.
Brungs, M. (2018).  Bildung, Schule und Schulsozialarbeit in der Migrationsgesellschaft. In: Blank, B. et al. (Hrsg.). Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft. Wiesbaden: Springer Verlag
Szymanski, D.-B. (2006). Unzureichend gefördert? Eine Analyse der Bildungssituation und der Förderbedingungen für Migrantenkinder an Frankfurter Schulen – auch aus der Perspektive von Schulleitern. In: Auernheimer, G. (Hrsg.). Schieflagen im Bildungssystem. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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