Migration und der Umgang damit im deutschen Schulsystem
16. April 2025Das deutsche nationalstaatliche Schulsystem ist auf ein homogenes Idealbild ausgerichtet. Doch dieses Idealbild entspricht nicht der Realität. Ein Grund dafür ist die Migration. Folgen wir der Erklärung des Begriffes „nationalstaatlich“ aus der Präsentation, wird deutlich, dass unser Schulysystem auf eine einheitliche Sprache, Geschichte und Staatsvorstellung der Schüler*innen ausgerichtet ist. Wird nun die Migration hinzugezogen muss man jedoch festhalten, dass eine solche Einheit dadurch nicht besteht bzw. bestehen kann. Durch die Zuwanderung unter anderem in Krisenzeiten anderer Länder bzw. Nationen oder das Anwerben von Arbeitskräften aus dem Ausland wie die Grafik des Statistischen Bundesamtes von 2022 zeigt, wird das homogene Idealbild erschüttert bzw. außer Kraft gesetzt. Denn die Kinder der zugewanderten Familien bringen eine oder sogar mehrere andere Sprachen sowie einen differenten kulturellen/geschichtlichen Hintergrund mit. Betrachten wir dahingehend die aktuellste Fluchtsituation, den Ukraine Krieg. Laut Kultusministerkonferenz wurden im Jahr 2023 rund 207.000 ukrainische Schüler*innen an deutschen Schulen aufgenommen, rund 203.000 davon werden beschult. Die Integration dieser unterscheidet sich dabei je nach Bundesland. Der bedeutenste Unterschied liegt indessen darin, wie die Schüler*innen in den Schulen aufgenommen werden. So haben einige Bundesländer wie Berlin und Hessen „Wilkommensklassen“ eingerichtet, andere wie Thüringen wiederum integrieren sie direkt in die Regelklassen.(Walther/Jeske, 2023, online) Diese direkte Integration kann als eine Herausforderung für die Routinen des nationalstaatlich verfassten Schulsystems gesehen werden, denn nicht alle der ukrainischen Schüler*innen haben die deutsche Sprache erlernt, das heißt es besteht eine Kommunikationsbarriere zwischen Lehrkraft und den Schüler*innen sowie zwischen den deutschen und ukrainschen Schüler*innen. Doch dies sollte im Normalfall kein Hindernis darstellen, denn das Bewusstsein, dass wir eine Migrationsgesellschaft sind, sollte auf diese Herausforderung vorbereitet sein und sich darauf einstellen, anstatt „Willkommensklassen“ als Sondermaßnahme zu bilden. Das heißt die direkte Integration stellt in meinen Augen eine bessere Reaktion dar und ist für mich eine Art der migrationsgesellschaftlichen Öffnung, welche im deutschen Schulsystem generell praktiziert werden sollte. Zudem bietet diese Öffnung auch für den Unterricht neue Chancen. Folgen wir dafür der Bundeszentrale für politische Bildung zum Beispiel im Hinblick auf die politische Bildung an deutschen Schulen und damit verbundene Themenskomplexe wie beispielsweise der Friedenspädagogik. (Abs, 2023, online) Das heißt der Ukraine Krieg beeinflusst zentral den Politik- oder Sozialkundeunterricht der Bundesländern und die Integration der ukrainischen Schüler*innen kann dabei eine zentrale Rolle einnehmen. Aus eigener Erfahrung kann ich hier berichtet, dass dies hervorragend funktionieren kann, wenn die persönlichen Grenzen der Schüler*innen gewahrt werden. So hatte ich selbst ukrainische Schüler*innen für eine gewisse Zeit in meinem Sozialkundekurs und unser Lehrer hat sie aktiv in unsere Thematik des Friedens einbezogen. Unter anderem haben sich die Schüler*innen geöffnet und ihre Erfahrungen des Krieges mit uns geteilt sowie, was sie sich für ihre Zukunft wünschen und erhoffen, wobei Frieden für sie zentral war und somit in unsere thematische Betrachtung des Friedensbegriffs und damit einhergehende Voraussetzungen passte. Dahingehend kann auf die von Fend formulierte Schulfunktion der politischen Stabilisation eingegangen werden. Das Beispiel aus meiner Schulzeit zeigt, dass eine Berücksichtigung der zugewanderten Schüler*innen durchaus konkret in die politische Bildung erfolgen kann. Und nicht nur ukrainische Schüler*innen bieten diese Chance der Berücksichtigung, sondern auch beispielsweise aus Syrien stammende bzw. aus anderen Kriegsgebieten, denn sie alle zeigen, wie wichtig das Kennen und die Akzeptanz von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für ein friedvolles Miteinander sind. Auch stärkt dies den gesellschaftlichen Zusammenhalt, welcher als nach Fendts Kohäsionsfunktion der Schule durch eben diese hergestellt werden soll. Ein solcher Zusammenhalt kann nur entstehen, wenn eben eine Integration stattfindet und nicht von vorherein eine Ausgrenzung durch beispielsweise „Willkommensklassen“ praktiziert wird. So sollte für eine bessere Berücksichtigung der Migration von Schüler*innen eine direkte Integration stattfinden. Dadurch baut sich ein Zusammenhalt der Schüler*innen auf, welcher definitiv angestrebt werden sollte. Es muss durchaus beachtet werden, dass die direkte Integration oftmals herausfordernd für die Lehrkräfte und Schulen zu bewerkstelligen ist, sie jedoch für das gesellschaftliche Miteinander von deutlicherer Effektivität zeugt.
Das in der Präsentation geschilderte Beispiel stellt insofern eine Kulturalisierung durch Lehrer*innenhandeln im Unterricht dar, als das nur aufgrund des Aussehens eine Annahme über das Können der Schülerin von der Lehrkraft erfolgt. Durch das vermutlich asiatische Aussehen wird das weit verbreitete Vorurteil bekräftigt, die Schülerin sei gut in Mathe, daran ist problematisch, dass jeder Schüler und jede Schülerin vorurteilsfrei behandelt werden sowie als ein Individuum unabhängig von der vermutlich kulturellen Herkunft gesehen werden sollte. In meiner Schulzeit konnte ich eine solche Beobachtung oder Erfahrung nicht miterleben. Ich komme aus einer sehr ländlichen Region Sachsen-Anhalts, in der der Anteil an Schüler*innen mit Migrationshintergrund bzw. Zuwanderungsgeschichte der Eltern gering ist. Die wenigen Schüler*innen an meiner Schule wurden respektvoll und vorurteilsfrei behandelt. Eine solches Othering durch Kulturalisierung ist schlicht durch eine unabhängige Wahrnehmung der Schüler*innen vermeidbar. Man sollte als Lehrkraft nicht aufgrund des Aussehens oder anderer Kriterien Vorurteile über den Kulturraum aufgreifen und die Schüler*innen dadurch in ihrem Können beurteilen.
Abs, Hermann J.: Der Krieg in der Ukraine als neuer Horizont für politische Bildung und Demokratiepädagogik, 2023, online unter: https://www.deutschlandfunk.de/ukranische-kinder-schule-deutschland-100.html (Stand 16.04.2025)
Walther, Josephine; Jeske, Ann-Kathrin: Wie geflüchtete Kinder aus der Ukraine in Deutschland beschult werden, 2023, online unter: https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/523503/der-krieg-in-der-ukraine-als-neuer-horizont-fuer-politische-bildung-und-demokratiepaedagogik/ (Stand 16.04.2025)