Abschlussreflexion

  1. Zentrale theoretische Erkenntnisse der Ringvorlesung

Rückblickend auf die Ringvorlesung stelle ich fest, dass für mich als ein zentrales und in vielen einzelnen Beiträgen wiederkehrendes Element die Individualisierung von Unterricht zu nennen ist.

Professor Idel hat in seinem Vortrag von „Individualisierung als auf Heterogenität reagierendes didaktisches Prinzip“ gesprochen. Dieser Satz ist für mich zu einem Leitsatz geworden, weil er aus meiner Sicht bei der Planung und Durchführung von Unterricht immer eine zentrale Rolle spielt. Dabei ist es ganz egal, an welcher Schule, in welcher Klassenstufe und welches Fach unterrichtet wird. In jeder Klassen finden sich sehr unterschiedliche Kinder, mit unterschiedlichen Begabungen, unterschiedlichen Sprachkenntnissen und unterschiedlichem sozialen Hintergrund. Da liegt es eigentlich auf der Hand, dass eine sehr heterogene Gruppe nur schlecht einheitliche Aufgaben gleich gut bearbeiten kann.

Was in der Theorie einleuchtend und notwendig erscheint, ist in der praktischen Umsetzung allerdings eine große Herausforderung und gelingt nicht immer. Ich fand es sehr interessant, dass in der Vorlesungsreihe neben der der theoretischen Herleitung auch fachdidaktische und methodische Möglichkeiten zur Umsetzung aufgezeigt wurden. Mir ist klar geworden, dass ich zunächst ein Verständnis für die Lernausgangslage der einzelnen Kinder entwickeln muss (. Z.B. über verschiedene Diagnostikverfahren), bevor die tatsächliche inhaltliche Unterrichtplanung beginnen kann. Spannend finde ich auch, die Idee, den Klassenraum unter bestimmten sozialen Aspekten zu gestalten. Das Thema „Classroom Management“ interessiert mich sehr, da ich zu der Überzeugung gelangt bin, dass eine klug durchdachte räumliche Gestaltung die Lernatmosphäre verbessern kann.

1a. Fachdidaktische Aspekte

Meine gewählten Fächer sind Chemie und Deutsch. Da ich noch keine Unterrichtserfahrung habe und auch noch kein Praktikum absolviert habe, basieren meine Ausführungen hier auf der Theorie, bzw. auf den Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit.

Eine erstaunliche Erkenntnis für das Fach Chemie geht zurück auf den Vortrag von Herrn Kulgemeyer, der eine TIMSS/PISA E Studie vorgestellt hat, aus der hervorgeht, dass Schüler bessere Ergebnisse in Physik und Chemie erreichen als Schülerinnen, obwohl grundsätzlich die Lernerfolge von Mädchen in allen Fächern besser sind als die der Jungen. Das Ergebnis der Studie zeigt, dass offensichtlich geschlechtsspezifische Interessenslagen Auswirkungen auf die Lernmotivation haben. Mädchen sind scheinbar an den klassischen Fragestellungen in den Fächern Chemie und Physik weniger interessiert als Jungen. Daraus ergibt sich ein spannendes didaktisches Arbeitsfeld: wie kann es gelingen, im Rahmen der curricularen Vorgaben Aufgaben zu entwickeln, die Mädchen stärker ansprechen und motivieren. Entscheidend ist wohl auch, diese „Jungen- Mädchen Problematik“ in der Unterrichtsplanung immer mitzudenken.

Für das Fach Deutsch beschäftigt mich das von Herrn Kesper vorgestellte Konzept der „Sprachaufmerksamkeit“ (language awareness)., weil es davon ausgeht, dass in einer Schulklasse die Sprachvielfalt nicht die Ausnahme, sondern die Normalität ist. Es ist für den Deutschunterricht eine große Herausforderung, wenn in einer Lerngruppe Schülerinnen und Schüler sitzen, die Deutsch als Erst-, Zweit- oder Drittsprache auf unterschiedlichem Niveau sprechen. Das Ziel muss ja sein, einen Lernzuwachs für alle zu ermöglichen. Den Ansatz, zunächst zu prüfen, was an Kenntnissen bereits da ist, und wie Kommunikation auch ohne vollständigen Wortschatz und ohne korrekte Grammatik funktioniert, finde ich gut und motivierend, weil nicht zuerst die Defizite herausgestellt werden. Skeptisch bin ich allerdings, ob die Sprachentwicklung sich tatsächlich verbessert, wenn klar ist, dass man auch mit Halbsätzen wie „Ich geh Edeka“ oder „Geb Trinken“ verstanden wird .

Grundsätzlich bin ich aber überzeugt, dass ein sensibler Umgang mit Sprache und auch mit Fachsprache in allen Fächern nötig ist, wenn man den verschiedenen Sprachniveaus gerecht werden will. In einer Untersuchung von Matheprüfungsleistungen ist herausgekommen, dass die Ergebnisse nicht schlecht waren, weil die Schüler die Probleme nicht mathematisch lösen konnten, sondern weil sie die Aufgabenstellung sprachlich nicht richtig erfassen konnten.

1b. Generelle erziehungswissenschaftliche Erkenntnisse

  • Für die Planung von Unterricht sind neben den fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Kenntnissen eine Reihe von Faktoren (z. B. Zusammensetzung der Lerngruppe, Wahl der Methode) zu berücksichtigen.
  • In stark heterogenen Lerngruppen ist es wichtig, auch kulturelle, geschlechtsspezifische, religiöse und soziale Aspekte bei der Wahl von Unterrichtsthemen und Materialen zu berücksichtigen.

3.Zu welchen Fragestellungen möchte ich mehr erfahren?

Ein großes Themenfeld, wo für mich noch Fragen offen sind, ist der Bereich der Inklusion. In den Vorlesungen wurde über die rechtlichen Grundlagen und auch über einzelne Verfahrensschritte der Sonderpädagogischen Testung informiert.

Meine offene Frage hat Herr Fischer in seinem Beitrag gestellt: „Gibt es eine Grenze für den gemeinsamen Unterricht?“.

Diese Frage ist für mich nicht beantwortet, insbesondere  nicht für den Unterricht an Gymnasien, wo die Schüler unter großem Zeitdruck (G8) viele Inhalte lernen müssen, die in zentralen Prüfungen abgefragt werden. Zudem wird an Gymnasien explizit auf „einen erhöhten Niveau“ unterrichtet, selbst Binnendifferenzierung kommt nur in geringem Maß vor.

Ich bin auch nicht sicher, ob „eine Schule für alle“ immer im Sinn gehandicapter Schüler ist. Aus meiner eigenen Schulzeit kenne ich den Fall eines Autisten, der mit seiner persönlichen Assistenz mehr Zeit auf dem Schulhof oder in stillen Ecken auf dem Flur verbracht hat als in seiner Klasse, weil er die Unruhe und den Lärmpegel im Klassenraum nicht ausgehalten hat. Außerdem musste sein Tisch häufig in einer Ecke mit dem Blick zur Wand stehen, um eine Reizüberflutung zu vermeiden und dem Neonlicht der Deckenbeleuchtung auszuweichen.

Daraus ergibt sich ein weiterer offener Themenkomplex.: inwieweit werde ich als Fachlehrerin auf die Arbeit in inklusiven Klassen, bzw. mit inklusiven Schülerinnen und Schülern vorbereitet? Für mich wäre es auch interessant zu erfahren, wie in einem konkreten Fall die Zusammenarbeit von Sonderpädagogen, persönlicher Assistenz und Fachlehrerin idealerweise aussehen könnte.

4.Persönliche Herausforderungen

Auf der theoretischen Grundlage der Ringvorlesung sehe ich eine große Herausforderung für mich täglich einen sinnhaften binnendifferenzierten Unterricht auf verschiedenen Niveaustufen zu planen und in der Durchführung jeden Schüler zu begleiten.

In einer inklusiven Oberschulklasse finden sich theoretisch Schülerinnen und Schüler auf vier Lernniveaus, die alle individualisierte Lernpakete bekommen sollten. Das ist für mich in der Praxis im Augenblick nur schwer vorstellbar und ich habe diesbezüglich auch keine eigenen Schulerfahrungen.

Im Rahmen der Schulpraktika möchte ich möglichst viel Unterricht anschauen um methodische und praktische Ideen zu entwickeln oder diese kritisch zu verwerfen.

Im Rahmen der universitären Ausbildung denke ich, dass ich mir über fachdidaktische Seminare und erziehungswissenschaftliche Veranstaltungen zu Unterrichtmodellen, Konzepten oder Methoden einen persönlichen Fundus zur Unterrichtsgestaltung erarbeiten kann.

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