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Reflektieren Sie die Konsequenzen der Aussonderung von Schüler:innen mit Förderbedarf?

Wenn Schüler:innen mit Förderbedarf aus dem Regelschulbetrieb ausgesondert werden, wird ihnen auch gesellschaftlich der Status „ausgesondert“ zugeordnet.  Die Schüler:innen mit Förderbedarf werden nicht als Teil einer heterogenen Gemeinschaft aufgefasst, der Unterschied, der ihren Förderbedarf begründet, wird als so gravierend gewertet, dass er die Exklusion aus der Gemeinschaft erfordert. Schüler:innen mit Förderbedarf und Schüler:innen ohne Förderbedarf werden so in zwei Gruppen eingeteilt und getrennt, die im Schulbetrieb als nicht vereinbar erscheinen. Als wesentliches Merkmal zur Zuordnung einer der Gruppen gilt die diagnostizierte Fähigkeit, im Regelschulwesen grundsätzlich unterwiesen werden zu können. Aufgrund der Relevanz der Schule auch in der Bildung sozialer Fertigkeiten und Kontakte schlägt diese Unterscheidung auch in den außerschulischen Bereich durch. (vgl. Boban 2023 (2000), 357) Die grundsätzliche Scheidung in Menschen mit und ohne Förderbedarf wird so festgeschrieben.

Welche Informationen sind in der Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung&Entwicklung“
bzw. „Förderschwerpunkt Lernen“ enthalten? Nützt die Diagnose „Trisomie 21“ Ihnen als Lehrer:in
mehr? Welche Informationen benötigen Sie von einer Schüler:in um Ihren Unterricht ggf. anzupassen?

Aus der Diagnose „Förderschwerpunkt Wahrnehmung&Entwicklung“ ist zu entnehmen, dass dem:der Schüler:in ein aus einem, ihm diagnostizierten und mit dem umstrittenen Begriff „geistige Behinderung“ gekennzeichneten Zustand Schwierigkeiten beim Lernen entstehen. (vgl. Ratz 2019, 30f.) Die Diagnose „Förderschwerpunkt Lernen“ gibt Auskunft darüber, dass bei dem:der Schüler:in eine zuständige Institution Lernschwächen festgestellt hat, auf die mit gewöhnlicher Förderung nicht angemessen zu reagieren sei. (vgl. Heimlich 2019, 74)

Die Diagnose „Trisomie 21“ gibt Ausschluss über eine Chromosomenanomalie des 21. Chromosoms (vgl. Rieckmann 2022, S.5f.). Auch diese Diagnose verweist damit, zwar konkreter, aber doch nur auf eine Kategorie, die zur konkreten Vorbereitung von Unterricht an den Bedürfnissen der Schüler:innen nicht taugt.

Um Unterricht an die Bedürfnisse von Schüler:innen anzupassen, muss man diese Bedürfnisse möglichst genau kennen. Aus Gesprächen mit dem:der Schüler:in, den Mitschüler:innen, Eltern und anderen Personen aus dem Umfeld kann erschlossen werden, auf welchem Lernstand der:die Schüler:in ist, welche Hilfestellungen benötigt werden, welche gut funktionieren und welche Besonderheiten es zu beachten gibt.

 

Wie können Sie in Ihrem Unterricht die Zugänglichkeit und Anschaulichkeit von
Medien/Materialien verbessern? Welche Verbündeten können sie dazu gewinnen?

Für Schüler:innen, die den Text des Unterrichtsmaterials nicht lesen können, kann dieser durch, ihrer Lesestufe entsprechende Gestaltung, erlesbar gemacht werden. Ein Text kann auch in gesprochener oder audio-visuell gestalteter Form vorliegen. Der Zeitaufwand zur Erarbeitung dieser Formen könnte durch Kooperation und die frei zugängliche Bereitstellung bereits erarbeiteter Materialien reduziert werden.

 

Wählen Sie eines der Lernvideos/der Podcasts/Interviews auf path2in.uni-bremen.de aus,
schauen Sie es sich an und schreiben Sie kurz eine begründete Empfehlung für Ihre
Kommiliton_innen, warum es sich ggf. lohnt sich das Video/den Podcast/den Text anzusehen.

Der Beitrag mit Ines Boban und Andreas Hinz über die begrifflichen Grundlagen bietet einen Überblick über den Begriff der Inklusion, insbesondere über Definitions- und Abgrenzungsschwierigkeiten. Er ermöglicht ein besseres Verständnis der unter dem Begriff der Inklusion diskutierten Fragestellungen und bietet eine weitere Orientierung für tiefergehende Recherche aufbauend auf den Inhalten des Videos und dürfte als Ein- und Hinführung gut geeignet sein.

 

Boban, Ines, It’s not Inclusion ….Der Traum von einer Schule für alle Kinder. In: Müller, Frank J. (Hg.): Blick zurück nach vorn. WegbereiterInnen der Inklusion. Bd.3. Gießen 2023. S. 355-363.

Heimlich, Ulrich, Förderschwerpunkt Lernen. In: Heimlich, Ulrich/Kiel, Ewald (Hg.): Studienbuch Inklusion. Ein Wegweiser für die Lehrerbildung. Bad Heilbrunn 2020, S.73-83.

Ratz, Christoph, Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. In: Heimlich, Ulrich/Kiel, Ewald (Hg.): Studienbuch Inklusion. Ein Wegweiser für die Lehrerbildung. Bad Heilbrunn 2020, S.30-42.

Rieckmann, Torben, Internalisierbare Mengenbilder im individualisierten Mathematikunterricht. Eine Studie zur Entwicklung eines Lernmaterials für Personen mit Besonderheiten in der Simultanerfassung. Wiesbaden 2022.

 


Kommentare

Eine Antwort zu „rv08“

  1. Avatar von Antonia
    Antonia

    Aus persönlicher Erfahrung durch meine eigene Schulzeit kann ich dir besonders bei der Ausgrenzung von Schüler*innen mit Förderbedarf zustimmen. Da es bei uns eine Inklusionsklasse gab, wurden Schüler*innen mit gesondertem Förderbedarf in der Regel in dieser Klasse aufgenommen. Da dadurch ausschließlich in den Pausen Kontakt mit den Schüler*innen der anderen Klassen bestand kann von „Inklusion“ dabei kaum die Rede sein.
    Durch die getrennten Unterrichtszeiten und die speziellen Klassen und Klassenbezeichnungen, wurde auch von den Schüler*innen dieser Unterschied zwischen sich und den Schüler*innen aus den „Inklusions“klassen gezogen, sodass auch in geteilten Pausenzeiten eine klare Trennung zu erkennen war.
    Auch bei der Trisomie 21 Thematik gebe ich dir insofern Recht, dass die Diagnose als solche ein Begriff ist, der der Lehrkraft keinen konkreten Anhaltspunkt zur Integration/Förderung innerhalb des eigenen Unterrichts gibt. Es kann jedoch eventuell als Hilfe genutzt werden, um unterschiedliche Förderungsmöglichkeiten zu recherchieren und im Anschluss durch Kontakt mit Familien und dem/der Schüler/in herauszufinden ob eine dieser Förderungsmaßnahmen in dem vorliegenden Fall hilfreich ist. Auch wenn es keine direkte Hilfsmaßnahme ist, die Diagnose vorliegend zu haben, so kann man dennoch konkreter nach Hilfsmöglichkeiten suchen die eventuell helfen können.
    Im Bestfall kann diese spezifische Recherche einen Teil des zeitlichen Aufwandes verkürzen, da die spezifische Föderung des Schülers/der Schülerin sich zeitliche über das Schuljahr erstrecken wird um die richtige Förderungsmaßnahme zu finden.

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