Gemeinsamer Unterricht

Die letzte Vorlesung handelte von Inklusion von SuS mit Förderbedarf. Um sich praktisch mit der Idee des gemeinsamen Unterrichts auseinanderzusetzen hatten wir von drei sondernpädagogischen Bedarfen gesprochen. Nämlich vom Bedarf in Bezug auf Lernen, Wahrnehmung und Entwicklung sowie emotional-soziale Entwicklung.

Nicht selten bilden die förderbedürftigen Kinder eine Restklasse. Was sehr praktisch von der Schule gedacht ist, führt leider zu dem kompletten Ausschließen der SuS mit Förderbedarf von dem Bildungssystem. Durch Restklassen wird den SuS mit sondernpädagogischem Bedarf kein Kontakt mit anderen Kommilitonen garantiert. Dieser bedeutsame Zugang zu der Welt der nicht förderbedürftigen SuS verbessert nämlich die Entwicklung der SuS auf der sprachliche und motorische sowie soziale und emotionale Ebene.

Zur Gestaltung eines Unterrichts, an dem SuS mit sondernpädagogischem Bedarf teilnehmen werden, braucht die Lehrkraft vielmehr als einen allgemeinen Begriff über dem Förderbedarf des Kindes. Beispielsweise über dem Kind mit Lernschwächen werden Informationen über solchen Schwepunkten wie Lerntempo, Konzentration oder Frustrationstolerant benötigt. Bei einem Kind mit Förderbedarf im Bereich Wahrnehmung und Entwicklung bräuchte die Lehrkraft mehr über seinem Gedächtnis oder Denkenfähigkeit wissen. Bei einem Schüler mit Förderbedarf im Bereich emotionale-soziale Entwicklung wäre es wichtig, mehr über seiner Stabilität, Empathie, Kooperationsfähigkeit oder Kontaktaufnahmefähigkeit wissen.

Um den SuS mit sondernpädagogischem Bedarf die Teilnahme an dem Regelunterricht zu ermöglichen, müsste man vor allem individuell auf die Bedürfnisse jedes SuS achten. Bei manchen Kindern würde alleine größere Schrift oder klare und einfache Formulierung der Aufgaben reichen. Für andere SuS wäre es sinnvoll, das Tempo oder Umfang des Unterrichts an die etwas schwächere SuS anzupassen. Für Sprachbedarf wären die Piktogramme oder andere Abbildungen den Worten hilfreich. Es gibt wirklich viele Lösungen, den Zugang den förderbedürftigen SuS zu ermöglichen. Dafür brauchen die Lehrkräfte vor allem Zeit, eigene Interesse, Zugänglichkeit der Materialien sowie richtige Diagnostik.

Inklusion für Alle

In der letzten Vorlesung handelte es sich um Inklusion von SuS mit Förderbedarf oder Behinderung. Förderbedarf besteht bei den Kindern, die u.a. Lernschwäche aufweisen, die motorisch oder geistig beeinträchtigt sowie taubstumm oder blind sind. Allgemein gesagt, gibt es zwei Umgangsweisen mit dem Thema Inklusion. Entweder werden förderbedürftige SuS vom Schulsystem berechtigt, damit sie den gestrebten Schulabschluss in einer regulären Schule erreichen, oder werden die entrechtigt, in dem sie auf einer homogenen Sonderschule geschickt oder von zu Hause unterrichtet werden.  

Was wahrscheinlich viele von uns Studenten falsch behaupten, wäre dass bei der Inklusion es meistens von körperlich oder geistig beeinträchtigten SuS gesprochen wird. Dennoch mehr als 40% (Daten aus dem Jahr 2012/13) von dem Förderbedarf aller SuS bezieht sich auf Lernschwäche! Nicht die Mehrheit, sondern knappe 16% von den SuS sind geistig und nur 7% motorisch schwächer entwickelt. 

Was wir als zukünftige Lehrer nicht vergessen dürfen, ist die Tatsache, dass diese besondere Gruppe SuS auch sehr binnendifferenziert ist. Wie alle anderen Kinder, auch die förderbedürftige SuS kommen aus zahlreichen Kulturen, bekennen sich zu verschiedenen Glauben, leben in heterogenen Bedingungen.

Mein Abitur habe ich in Polen gemacht. In zwölf Jahren meiner schulischen Ausbildung hatte ich keinen förderbedürftigen Kommilitonen kennengelernt. Doch meine Mutter, die als Gymnasiumlehrerin in Polen tätig ist, hatte mehrmals von dem Sondernunterrichtsmodell erzählt. Jedes geistig oder körperlich schwächer entwickelte Kind wurde leider vom Regelunterricht ausgeschlossen. Doch nicht wie in dem aus der Vorlesung besprochenem Beispiel aus Gymnasium an der Hamburgerstraße, wurde dem Kind ausschließlich Videounterricht angeboten. Denn in der Schule meiner Mutter wurden die förderbedürftige SuS von den Lehrern besucht, sodass der Regelunterricht von zu Hause stattfinden könnte und der Lehrer einer Art Beziehung mit dem Schüler aufbauen dürfte.  Natürlich, so wie in dem Beispiel aus der Vorlesung, fehlte auch hier der alltägliche Kontakt mit den Kommilitonen.

In Praktikum in einem neu gebauten mittelstätigen Gymnasium konnte ich gut beobachten, wie die Inklusion aller SuS funktioniert. Das Gebäude und Klassen wurden barrierefrei gebaut, sodass jedes Kind auf dem Rollstuhl sich ohne Hilfe bewegen durfte. In einer von mir besuchten Kursen gab es eine Schülerin, die unter Asperger-Syndrom leidet. Sodass sie an dem Regelunterricht teilnehmen dürfte, bekam sie Unterstützung von einer Assistentin, die ihr in jedem Unterricht und in dem Kontakt mit anderen Kommilitonen half. Ein anderes Kind mit Schreibschwächen hatte auch einen Assistenten, der für ihn alles notiert hatte. Das waren sehr gute Beispiele von voller Inklusion.   

In dem kommenden Orientierungspraktikum möchte ich beobachten, welches Bedinderungsmodell die von mir besuchte Schule prägt. Mit dem aus der Vorlesung erworbenem Wissen wird es desto intressanter zu analysieren, welcher Art Hilfe den förderbedürftigen SuS angeboten wird. Nach dem neusten, leicht schockierenden Geschehen in Gymnasium Horn in Bremen, in der Stadt wo mehr als 80% aller Sonderschüler in Regelklassen geschult werden und die Inklusion wirklich stark geprägt wird, werde ich gespannt beobachten, ob die Inklusion wirklich für alle ist.  

Deutsch als Zweitsprache

All die aus verschiedenen Ländern zugewanderten Schulkinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, werden Seiteneinsteiger genannt. Mittlerweile ist jeder Fünfte ein Schüler mir Migrationshintergrund. Um ihre schulische und sprachliche Integration zu ermöglichen, gibt es mehrere Lösungen. Bundesweit werden Alphabetisierungskurse angeboten. Die sind besonders für all die SuS gedacht, die weder lesen noch schreiben können. Dies bezieht sich auch auf die Herkunftssprache. Das Ziel solcher Kurse ist den Seiteneinsteiger ein grundlegendes Sprachwissen zur Erweiterung der allgemeinsprachigen Kompetenzen anzubieten.

Bremische Schulen bieten reguläre Vorklassen, die auf Alter, soziokulturellen Hintergrund oder Muttersprache bezogen, sehr binnendifferenziert sind. Die Vorklassen bestehen in Regel aus etwa 15 SuS und bieten 20 Unterrichtsstunden pro Woche an. Eines von mehreren Zielen solcher Kurse ist es, den SuS Sprach- und Lesekompetenz bis zu A2 Niveau aufzubauen. Je nach Fächer (z.B. Sport oder Musik) dürfen die Seiteneinsteiger schnell in die Regelklassen wechseln. Zu den Fächern, die höheres Sprach- und Verständnisniveau fordern, wird  erst nach einem Jahr gewechselt.

Während eines außerstudentlichen Praktikums in einem Gymnasium konnte ich sehr gut beobachten, wie die Sprachförderung der Seiteneinsteiger durchgeführt wird. Die DaZ Kurse wurden von jungen und unerfahrenen Bundesfreiwilligendienstlern geführt. Die für diesen Zweck gebildeten Gruppen waren sehr heterogen. Aus den 8 SuS war die Hälfte polnischer Herkunft, jeweils zwei Jungen aus Syrien und aus Rumänien. Die letzten vier SuS haben sehr schnell große Fortschritte mit der Sprache gemacht. Leider war keiner von den polnischen SuS dazu motiviert, die deutsche Sprache zu beherrschen. Die Kurskräfte fanden dazu keine Lösungen, daher bestand der DaZ Kurs aus nur gut sprechenden oder kaum sprechenden Seiteneinsteigern.

Die gleichen SuS nahmen zwar Teil an dem Regelunterricht, z.B. Erdkunde oder Englisch. Dennoch, zu meiner Überraschung, wurden sie ganz nach vorne zum Lehrer gesetzt und wurden gefordet Buchstabenaufgaben oder ähnliches aus dem zusätzlichen DaZ Kurs zu machen, anstatt gemeinsam mit den anderen SuS an dem Regelunterricht teilzunehmen. Es war wahrscheinlich gut von dem Lehrer gemeint, dennoch aus meiner Sicht musste es für schwache Seiteneinsteiger, die vorne sitzen müssen und nicht die gleichen Aufgaben wie der Rest der Klasse bekommen, sehr demotivierend und peinlich gewesen sein.

Ich stehe immer noch in Kontakt mit einer Deutschlehrerin aus diesem Gymnasium und habe sie gefragt, wie sie Lesekompetenzen der Seiteneinsteiger einschätzt. Ihrer Meinung nach sind die meisten Kinder, die erst nach der Zuwanderung nach Deutschland die Sprache erworben haben, noch sehr lange verunsichert, wenn sie ein Abschnitt oder Text vor der ganzen Klasse vorlesen sollten. Sie kennen zwar die allgemeinen Sprachregeln, brauchen aber mehr Zeit um die richtige Betonung des Satzes zu finden. Die Lehrerin konnte bestätigen, dass Seiteneinsteiger sehr gut Texte verstehen. In den meisten Fällen schneiden sie sogar besser als die SuS mit Deutsch als Erstsprache ab.