Aufgabe zum 13. Vorlesungstermin am 15.07.2014 – Prof. Dr. Kenngott: Wie entstehen in didaktischen Prozessen kulturelle und religiöse Zuschreibungen und wie lassen sie sich reduzieren?

Pädagogische Konzepte, so gut sie auch gemeint sind, neigen manchmal dazu sich als kontraproduktiv herauszustellen. Ein Beispiel, im Hintergrund von Religionsheterogenität im Unterricht, wäre der Ansatz klassischer interkultureller bzw. religiöser Begegnungskonzepte. So wird gerne darauf gepocht, durch das Kennenlernen des Anderen und durch Austausch mit dem Anderen, diesen mehr zu verstehen zu respektieren und letztlich den eigenen kulturellen Horizont zu erweitern. Allerdings wird hierbei gerne übersehen, dass durch das Attribut Religion auch Identitäten geschaffen werden, die rein durch das religiöse Attribut gerechtfertigt oder gar kausal erklärt werden. Somit besteht die Gefahr, wie es Birgit Jagusch meiner Meinung nach treffend pointiert, dass interkulturelles Lernen „die Lebens- und Verhaltensweisen simplifizierend auf kulturelle Unterschiede reduziert und die Komplexität menschlichen Verhaltens außer Acht lässt.“ (vgl. Birgit Jagusch, Interkulturelles Lernen in internationalen Jugendbegegnungen – aber wie, S. 8, URL: http://www.idaev.de/cms/upload/PDF/Publikationen/Interkulturelles_Lernen_.pdf)

Zur Vermeidung einer solchen Realitätsreduktion und somit einer Reduktion religiöser respektive kultureller Zuschreibung, können aus meiner Sicht drei wesentliche Aspekte herangezogen werden:

Zunächst, wie bereits in meinem Blogbeitrag zur Veranstaltung „Leistung als soziale Konstruktion im individualisierenden Unterricht“ betont, gilt im Allgemeinen, dass die Lehrkraft fähig sein sollte ein „habitualisiertes Misstrauen“ der eigenen pädagogischen Handlungen zu entwickeln, um somit selbst der Bildung der Differenzkategorie „Religion“ vorzubeugen. Das bedeute, dass die Lehrkraft sich einer Selbstreflektion unterzieht und sich somit die Basis ebnet für einen Unterricht der Toleranzförderung, auf den die Sicht der Lehrkraft selbstredend einen signifikanten Einfluss hat.

Weiterhin ist der inhaltliche Unterrichtsgestaltung zu betrachten. Hier könnte der Fokus von reinen religiösen Themen, hin zu gesellschaftlichen Themen diskutieren werden, die im Kontext von Religion eine wichtige Rolle spielen oder diese wesentlich tangieren. Je nach Schulform, Leistungsstand und Klassenstufe sollten die Themen variabel ausgesucht werden. Beispiele hierzu wären Abtreibung, Sterbehilfe, Kopftuchverbot, religiöse Rituale oder historische Ereignisse. Somit wäre ein Schritt in Richtung eines Religionsunterricht getan, der sich konfessions-unabhängiger Unterrichtsformen öffnet, die praktische Philosophie mit den zuletzt genannten Beispielen an Themenkomplexen verknüpft und eine Einbindung von konfessionsloser SchülerInnen in diese Art von Unterricht erleichtert.

An dritter Stelle steht die Wahl des Unterrichtssettings: In Verbindung mit der oben beschriebenen Unterrichtsgestaltung, wäre es sicherlich als positiv anzusehen, ein individualisiertes Unterrichtssetting in Verbindung mit einer Dezentralisierung der Ordnung im Klassenraum zu wählen. Hierdurch werden Diskussionen stärker angeregt und die Lehrkraft steht nicht mehr als Orientierungsperson im Mittelpunkt, sondern die SchülerInnen agieren direkter miteinander und diskutieren dezentral über Gesellschaftsthemen unter der Obhut der moderierenden Lehrkraft.

 

 

Ein Gedanke zu „Aufgabe zum 13. Vorlesungstermin am 15.07.2014 – Prof. Dr. Kenngott: Wie entstehen in didaktischen Prozessen kulturelle und religiöse Zuschreibungen und wie lassen sie sich reduzieren?“

  1. Lieber Roman,
    deinem Blogeintrag konnte man die wichtigsten Ursachen und gut durchdachte Lösungen herauslesen. Deine Äußerungen bezüglich der Fragestellungen haben mir gut gefallen und haben mir neue Sichten verschafft. Besonders gut finde ich, dass du ein Zitat mit eingebaut hast und eine übersichtliche Struktur in deinem Blogeintrag hast. Durch die bewusst durchgeführten Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozesse in der Gesellschaft wird die Stellvertreterfunktion eines Zeichens ausgenutzt, in dem in den unterschiedlichsten Lebensbereichen eines Menschen zu alles sinnlich Wahrnehmbaren einer Bedeutung zugewiesen wird. Die religiös-kulturellen Zuschreibungen sind meiner Meinung nach die Kategorien, die am meisten durchgeführt werden. Durch das stark kategorisierte Denken leiden Menschen unter einer eingeschränkten Wahrnehmungsfähigkeit, wodurch sie die Menschen nicht nach ihrer Individualität betrachten können. Als eine professionelle Lehrkraft ist man dazu verpflichtet sein pädagogisches Handeln zu reflektieren und seine Kompetenzen (Sach-, Fach-, Methoden-, und Selbstkompetenz) zu überprüfen. Bei der Unterrichtsplanung muss man die Materialien differenziert konzipieren und den heterogenen Leistungsebenen und den unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten der SuS aus den unterschiedlichen Jahrgangsstufen beachten. Die inhaltliche Auswahl sollte nicht allein von der Lehrkraft bestimmt werden, sondern befürworte eher mehr kindorientiert zu handeln, um einer unglücklichen Auswahl vorbeugen zu können. Das Arbeiten an einem gemeinsamen Lerngegenstand ist immer zu befürworten, denn es ermöglicht eine Plattform, wo durch Individualisierung und innere Differenzierung ein optimaler Lernerfolg erzielt werden kann.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert