Die erste wichtige Erkenntnis aus der Ringvorlesung war die Bedeutung von Differenzierung und Personalisierung im Unterricht für mich. Ich fand den Punkt von Ainscow und Booth (2017) sehr wichtig, dass eine qualitativ gute inklusive Schule immer an Bildungsgerechtigkeit und Demokratie ausgerichtet ist (vgl. Ainscow, 2020; Booth & Ainscow, 2017). Vielfalt wird nicht durch Separierung gestaltet, sondern durch gemeinsames Arbeiten und differenzierte Förderung, was auch Booth und Ainscow (2017) in Index für Inklusion beschreiben. Für Fächer Deutsch und Mathematik bedeutet es, Aufgaben zu erstellen, die jedes Kind auf seinem Niveau lernen kann, zum Beispiel Schreibaufgaben, die unterschiedlich in der Länge sind oder auf unterschiedlichem Niveau ein Lückentext. In Mathe könnte man Aufgaben geben, in denen man unterschiedliche Lösungswege nutzen kann. Bei manchen SchülerInnen können die Antworten gegeben sein, damit sie nur die passende Aufgabe dazu finden, während bei einigen SchülerInnen keine Lösungen stehen.
Die zweite Erkenntnis betrifft die Beziehungsarbeit. Beziehungen zwischen Lehrkräften und SchülerInnen sind sehr entscheidend für den Lernerfolg. Es ist kein Geheimnis, dass Mädchen in der Schule erfolgreicher sind, als Jungen. Christoph Fantini hatte in seinem Beitrag über Männlichkeitsentwürfe in der Grundschule thematisiert, dass Jungen schon früh das Gefühl haben, Mädchen seien „schlauer“, was auch mit der Dominanz weiblicher Lehrkräfte im Grundschulbereich zusammenhängt (vgl. Fantini, 2020: 8). Steele und Aronson (1995: 797) beschreiben dies auch als „Stereotype Threat: Wenn Kinder nach negativem zugeschrieben werden, beeinflusst das ihr Lernverhalten. Auch die Podiumsdiskussion im LIS von Herr Fantini hat mir diese Erkenntnis nochmal verstärkt. Während dort männliche Teilnehmende ihre Erfahrungen und Gefühle mitgeteilt haben, konnte ich die theoretischen Inhalte der Vorlesung vertiefen.
2. In meinem Orientierungspraktikum habe ich gesehen, wie unterschiedlich Heterogenität in der Schule gelebt wird. Die Klassen waren jahrgangsgemischt, und die älteren Kinder sollten die Jüngeren bei der Eingewöhnung unterstützen. Eine Zeitlang funktionierte dieses Patensystem auch gut, doch nach einer Weile ließ die Motivation der Älteren nach. Leider habe ich auch miterlebt, wie ältere SchülerInnen die jüngeren ausgelacht oder gehänselt haben. In einer anderen Klasse habe ich es dagegen ganz anders empfunden. Dort herrschte ein angenehmes Klima, die Kinder halfen sich gegenseitig und lachten wenn dann, miteinander. Hier wurde die Heterogenität tatsächlich zu einer Bereicherung. Heterogenität gelingt nur dann, wenn Unterschiede nicht hierarchisch interpretiert werden (Prengel, 2007). In einer Klasse wurde das Alter zur Hierarchie und in der anderen Klasse zur Ressource. Mir wurde bewusst, dass ein gutes Konzept auch schnell kippen kann. Es hängt sehr stark von der Lehrkraft ab, ob Heterogenität gelingt oder nicht. Strukturen wie Jahrgangsmischung reichen alleine nicht aus. Entscheidend ist, ob die Lehrkraft Konflikte aufgreift, bewusst kooperiert und eine gute Beziehung miteinander aufbaut. Diese Erfahrung hat mir auch noch einmal gezeigt, wie wichtig Beziehungsarbeit ist.
3. Ich nehme folgende zwei Fragen mit:
Ich habe verstanden, dass Differenzierung und sprachsensibler Unterricht im Mathematikunterricht in heterogenen Gruppen eine große Rolle spielen. Was mir jedoch fehlt, ist die richtige Herangehensweise. Ich frage mich, wie Aufgaben so gestaltet werden können, dass wirklich alle Kinder profitieren. Die SchülerInnen sollten nicht überfordert und nicht unterfordert werden. Ich wünsche mir, im Studium noch mehr praktische Beispiele und Methoden kennenzulernen, die sich direkt im Unterricht einsetzen lassen. Besonders hilfreich wären Unterrichtsbeispiele,Materialien oder auch Stundenentwürfe, damit man eine Vorstellung kriegt.
Die zweite Frage betrifft die Elternarbeit in vielfältigen Klassen. Ich habe in meinem Praktikum erlebt, dass viele Eltern nicht zum Elternabend gekommen sind, weil ihre Deutschkenntnisse nicht ausreichten. Das hat mir gezeigt, dass es dringend andere Wege geben muss, um nicht-deutschsprachige Eltern einzubinden. Ich frage mich, welche Möglichkeiten und Konzepte es braucht, um Eltern, unabhängig von ihrer Sprache oder ihrem Hintergrund, wirklich teilhaben zu lassen. Mich interessiert, wie man Elternabende, Gespräche und Informationen für alle verständlich und zugänglich gestaltet. Darüber hinaus hätte ich mir in der Vorlesung gewünscht, die Perspektive des SchülerInnen einzubeziehen.
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