1. Vorwissen ist extrem wichtig fürs Lernen – sogar noch wichtiger als Intelligenz (vgl. Ausubel, 1968, S. 127). Es fällt SchülerInnen viel leichter, neue Inhalte zu verstehen, wenn sie über ein Thema schon etwas wissen. Die Intelligenz hilft zwar beim Denken und Problemlösen, aber ohne Vorwissen bringt das oft nicht viel. Die Studie von Schneider, Körkel & Weinert (1989, S. 177–178) zeigt: Kinder mit viel Fußballwissen verstanden eine Geschichte besser – unabhängig von der Intelligenz. Zusammen wirken sie sehr gut, aber Vorwissen scheint im schulischen Kontext wichtiger zu sein. Aber auch umgekehrt ist es so: Wissen alleine genügt nicht ohne intelligente Verarbeitung. Interessant fand ich auch, dass schon ein paar Monate mehr Unterricht den IQ steigern kann (vgl. Rost & Wild, 1995, S. 42 f.; Langfeldt, 2006, S. 73). Das zeigt, wie sehr Umwelt, in dem Fall Schule, Intelligenz beeinflusst. Das gibt mir Hoffnung, dass jeder belehrbar ist und „richtig Lernen” nicht angeboren und eine Begabung ist.
2. In meinem bisherigen Praktikum in einer jahrgangsgemischten Grundschulklasse habe ich vieles beobachten können. Besonders bei den ZweitklässlerInnen fiel mir auf, dass ich fälschlicherweise annahm, alle könnten schon lesen oder einigermaßen die Buchstaben kennen. Manche Kinder mit älteren Geschwistern konnten tatsächlich schon flüßig lesen – das war aber nicht bei allen so. Ein Zweitklässler konnte zum Beispiel noch nicht alle Buchstaben erkennen. Ich war zunächst überfordert, wie ich ihn unterstützen könnte. Die Lehrerin gab mir dann den Tipp, mit einer Alphabetstabelle zu arbeiten, auf der zu jedem Buchstaben ein Tier oder Objekt abgebildet war. Dazu gab es bestimmte Bewegungen, die die Kinder auswendig gelernt hatten. Der Schüler konnte durch die Bewegung den Buchstaben erkennen – sein motorisches Vorwissen half ihm dabei. Diese Erfahrung hat mir deutlich gezeigt, wie wichtig Vorwissen beim Lernen ist – und wie man es auch auf unterschiedlichen Wegen aktivieren kann (vgl. Langfeldt, 2006, S. 71).
3. Ich finde, dass Vorwissen zu wenig beachtet wird, als Intelligenz. Helmke (2009, S. 236 f.) kritisiert ebenfalls, dass der Unterricht selten an die Voraussetzungen der SchülerInnen angepasst wird. Dabei finde ich, dass leistungsschwächere Kinder aus dem Blick verloren gehen, wobei diese Kinder auch ihre Intelligenz weiterführen könnten, wenn es ihnen beigebracht wird, statt davon auszugehen, dass sie bestimmte Dinge bereits können Blick „Das können sie bestimmt” oder „Das müssen die schon können”. Für mein nächstes Praktikum würde ich die Forschungsfrage „Wie erfassen Lehrkräfte das Vorwissen – und wie setzen sie es im Unterricht um?“ Ich könnte dazu Gespräche mit Lehrkräften führen oder beobachten, wie neue Themen eingeführt werden. Vielleicht findet man dabei auch gute Beispiele für adaptiven Unterricht, der wirklich alle mitnimmt (vgl. Langfeldt, 2006, S. 73).
Literaturverzeichnis:
• Ausubel, D. P. (1968). Educational psychology: A cognitive view. New York: Holt, Rinehart & Winston.
• Helmke, A. (2009). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität: Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts (3. Aufl.). Seelze: Kallmeyer.
• Langfeldt, H.-P. (2006). Psychologie für die Schule (Kap. 3: Voraussetzungen schulischen Lernens, S. 69–82). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
• Rost, D. H., & Wild, K.-P. (1995). Intelligenz und Schulleistung: Ergebnisse aus Längsschnittuntersuchungen. In D. H. Rost (Hrsg.), Entwicklungspsychologie des Schulalters (S. 29–47). Weinheim: Beltz.
• Schneider, W., Körkel, J., & Weinert, F. E. (1989). Domain-specific knowledge and memory performance: A comparison of high- and low-aptitude children. Journal of Educational Psychology, 81(3), 306–312.
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