Definition

Was ist Numeracy?

Numeracy oder auch Numeralität umfasst ein breites Spektrum an Fähigkeiten und Praktiken, die für die Bewältigung alltäglicher Anforderungen, die quantitative, rechnerische oder mathematische Kenntnisse erfordern, notwendig sind. In der aktuellen Debatte wird die Bedeutung von Numeralität oft der von Literalität gleichgesetzt, wie es beispielsweise in der Dekade für Alphabetisierung und Grundbildung in

Deutschland und in den Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen zum Ausdruck kommt (vgl. Grotlüschen et al., 2019, 323). Trotz dieser offiziellen Anerkennung ihrer Bedeutung wurde die Forschung zu Numeralität Erwachsener lange Zeit vernachlässigt und theoretisch nicht ausreichend erfasst, insbesondere im Vergleich zur Literalitätsforschung (vgl. ebd., 337).

Numeralität wird in der Literatur zunehmend als eine soziale Praxis verstanden, die über das reine Ausführen individueller mathematischer Leistungen hinausgeht und in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen und in verschiedenen sozialen Interaktionen praktiziert wird. Ein solches Verständnis rückt die Vielfalt und den sozialen Kontext numeraler Praktiken in den Fokus und erkennt an, dass numeralitätsspezifische Fähigkeiten und Handlungen kulturell, historisch und politisch geprägt sind (vgl. Pabst et al., 2019, 381).

 

Die Forschung zu Numeralität als soziale Praxis hat gezeigt, dass numerale Fähigkeiten und Praktiken in allen Lebensbereichen, einschließlich Arbeit, Gesundheit und persönliche Finanzen, eine Rolle spielen. Dabei wird deutlich, dass vulnerable Gruppen wie Arbeitslose, Überschuldete oder Personen im Übergang zum Ruhestand häufiger und intensiver mit numeralen Aktivitäten konfrontiert sind (vgl. Grotlüschen et al., 2019, 333). Ebenso eröffnen neue Herausforderungen durch die zunehmende Quantifizierung und Datafizierung in verschiedenen Lebensbereichen Bildungsbedarfe im Bereich der Numeralität (vgl. ebd., 337).

 

Trotz der anerkannten Relevanz von Numeralität für die individuelle und gesellschaftliche Teilhabe ist der wissenschaftliche Diskurs dazu im deutschsprachigen Raum bisher nur wenig entwickelt (vgl. Pabst et al., 2019, 379f.). Die vorhandenen Forschungen sind überwiegend quantitativ und fokussieren auf die Messung alltagsmathematischer Kompetenzen (vgl. ebd., 382f.). Jedoch gibt es auch qualitative Ansätze, die darauf abzielen, die subjektiven Perspektiven und sozialen Einbettungen numeraler Praktiken zu erforschen (vgl. ebd., 380f.). Ein Beispiel hierfür ist die Untersuchung numeraler Praktiken von Menschen mit Lernschwierigkeiten, die zeigt, wie diese Gruppe Numeralität im Alltag nutzt und welche Bedeutung sie ihr beimessen (vgl. ebd., 388f.).

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Numeralität eine Schlüsselkompetenz darstellt, deren Verständnis und Förderung essenziell für die Bewältigung alltäglicher Anforderungen und die Teilhabe an der Gesellschaft ist. Die Forschung zeigt, dass ein breites Spektrum an numeralen Praktiken existiert, die stark von sozialen, kulturellen und historischen Kontexten beeinflusst sind. Es bedarf weiterer Forschung, um die theoretischen Grundlagen von Numeralität zu vertiefen und praxisrelevante Konzepte für ihre Vermittlung zu entwickeln.

Literatur

Grotlüschen, A., Buddeberg, K., & Kaiser, G. (2019). Numeralität – eine unterschätzte Domäne der Grundbildung? Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 42, 319 – 342.

Pabst, A., Curdt, W., Benz-Gydat, M., Schreiber-Barsch, S., & Zeuner, C. (2019). Numeralität als soziale Praxis – forschungstheoretische Einordnung und empirische Zugänge. Zeitschrift für Weiterbildungsforschung, 42, 379 – 395.