Rv07 – Dr. Eileen Schwarzenberg: „Meint Inklusion wirklich alle?“

Die siebte Vorlesung, vorgetragen von Dr. Eileen Schwarzenberg, beschäftigte sich mit dem Thema der Inklusion und dem in Bremen durchgeführten Modell dieser. Unter der Überschrift „Meint Inklusion wirklich alle?“ zeigte uns Frau Dr. Schwarzenberg einleitend eine Grafik, auf der die Verteilung von Schülerinnen und Schülern mit Förderbedarf in Deutschland aus dem Schuljahr 2012/13 zu sehen war. Diese sagte aus, dass es sehr viele und vielfältige Förderschwerpunkte gibt, von denen der des Lernens mit 40,7% den größten Anteil darstellt. Jedoch gibt es neben dem Förderschwerpunkt „Lernen“ noch 8 weitere Schwerpunkte, die verdeutlichen, wie komplex sich das Thema der Inklusion darstellt.
Es werden zwei Ansätze vorgestellt, die den Begriff Behinderung verschieden definieren. Zum einen gibt es das sogenannte medizinische Modell, bei dem die Behinderung an personenspezifischen Merkmalen festgemacht wird. Dabei gibt es schlussendlich zwei Möglichkeiten, eine Person zu beurteilen: Entweder sie ist behindert oder eben nicht.
Das zweite theoretische Modell ist das sogenannte soziale Modell, bei dem davon ausgegangen wird, dass eine Behinderung das Ergebnis einer Gesellschaft ist, die Menschen mit Handicaps Barrieren in den Weg stellt bzw. diese nicht ausräumt und so die Individuen einschränkt. Dadurch ist eine Person letztendlich nicht behindert, sondern sie wird durch verschiedenste Hindernisse, die dieser in der Umwelt begegnen, ge- und behindert.
Es gibt drei Diskussionslinien, die in der Debatte um die Inklusion zum Tragen kommen.
Der erste Ansatz vertritt die Idee, dass das gesamte Schulsystem umgestellt werden sollte, damit eine „vollständige Inklusion“, auch „full inclusion” genannt, von Schülerinnen und Schülern mit einer Behinderung möglich ist. So soll eine Pädagogik der Vielfalt im Vordergrund stehen und sich um jedes Kind bestmöglich gekümmert werden.
Die zweite Diskussionslinie, die sich auch „Two track approach“ nennt, fordert dagegen eher eine Vielzahl an Beschulungsformen, sodass Schülerinnen und Schüler mit Behinderung auf eine eigene Förderschule gehen, wo sie bestmöglich individuell gefördert werden können und so eine emotionale Sicherheit verspüren sollen.
Der dritte und letzte Ansatz, der sogenannte „Twin track approach“ schätzt den ersten Ansatz der vollständigen Inklusion und den dahinterstehenden Systemwandel als sehr problematisch ein, da befürchtet wird, dass die Belange derjenigen Kinder mit Förderbedarf auf der Strecke bleiben könnten. Jedoch wird auch ein Parallelsystem von Regel- und Förderschulen als kritisch angesehen, sodass dieser Ansatz letztendlich auf einen prozessualen Charakter von Inklusion abzielt, in dem jeder Schüler unter Berücksichtigung seiner Förderbedarfe be- und geschult wird.
Ich persönlich befürworte den ersten Ansatz. Es ist gut und wichtig, dass alle Schülerinnen und Schüler, egal ob behindert oder nicht, ob dick oder dünn, gemeinsam und voneinander lernen. Jedoch müssen, um dieses Modell auch erfolgreich durchführen zu können, adäquate räumliche, sächliche und personelle Voraussetzungen gegeben sein. Was nützt es, wenn es keine individuelle Förderung für die beeinträchtigten Schüler gibt und sie so in einer Klasse voller Regelschüler untergehen? Wie sollen leistungsstarke SuS gefördert werden, wenn die Lehrkraft keine Zeit hat, ihnen die neue, schwierigere Aufgabe zu erklären? Gerade die individuelle Förderung aller benötigt ausreichend Ressourcen, um jeden Schüler und jede Schülerin zu erreichen und Unterrichtsprozesse optimal gestalten zu können.
Während eines Praktikums an einer Bremer Oberschule ist mir der Ansatz der „full inclusion“ begegnet. Dabei sind die Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarf von einer zweiten Lehrkraft, die nur für diese Schüler zuständig war, betreut worden. Es fand sowohl Unterricht in der Klasse mit zusätzlicher Unterstützung der eben genannten Lehrkraft statt, es wurde aber auch, als beispielsweise ein neues Thema eingeführt wurde, oder die Lehrerin merkte, dass Probleme herrschten, ein externer Raum aufgesucht, in dem die Aufgaben und Probleme in Ruhe besprochen werden konnten. Allgemein hatte ich das Gefühl, dass der Inklusion an dieser Schule eher positiv gegenübergestanden wurde und trotz immer wiederkehrender Probleme, die ich vom Hörensagen mitbekam, viel dafür getan wurde, dass die Förderschüler bestmöglich betreut wurden.
Wie oben bereits erwähnt finde ich, dass die Inklusion der richtige Schritt ist, jedoch die Mittel für die optimale Umsetzung in allen Schulen vorhanden sein müssen, damit alle Schülerinnen und Schüler richtig gefördert werden können. Genau dies ist aber, was man so aus den Nachrichten und der Zeitung mitbekommt, nicht an allen Schulen gegeben, was sich meiner Meinung nach als äußert problematisch erweist und die Qualität der inklusiven Beschulung erheblich reduziert.
Mich würde bei einem weiteren Praktikum interessieren, inwieweit sich der Ansatz der beiden Schulen, in denen ich ein Praktikum machen durfte, unterscheidet. Gibt es Unterschiede in der Umsetzung der inklusive Beschulung? Sind mehr Kinder mit Förderbedarf in einer Klasse als in der Schule meines ersten Praktikums? Gibt es extra Räumlichkeiten, die nur von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf genutzt werden?

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