Rv03 – Prof. Andreas Klee: Von Tischen, Königen und Politikleuten

In der dritten Ringvorlesung „Von Tischen, Königen und Politikleuten“ stellte uns Professor Klee den Begriff der „doppelten Heterogenität“ vor.
In einer Klasse gibt es viele Kinder, die aus verschiedenen sozialen Schichten kommen oder einen Migrationshintergrund haben. Diese Art der Heterogenität ist für uns alle relativ offensichtlich. Jedoch gibt es auch noch eine zweite Heterogenität, die auf den verschiedenen Vorstellungen und Einstellungen gegenüber (unstrukturierten) Begriffen, wie zum Beispiel dem Begriff der Demokratie, beruht. Jene Vorstellungen sind von SchülerIn zu SchülerIn aufgrund der individuellen biografischen Lernerfahrungen und der jeweiligen Werte, Normen und intellektuellen Möglichkeiten verschieden. Diese beiden Typen der Heterogenität werden als „doppelte Heterogenität“ verstanden. Aufgabe der Lehrkraft ist es daher, sich auf die verschiedenen Interpretationen und Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler einzulassen und nicht von einer starren Wissens- und Interpretationsgleichheit auszugehen.
In meinem Fach, der Biologie, ist das Phänomen der „doppelten Heterogenität“ jedoch lange nicht so ausgeprägt wie in den sozialwissenschaftlichen Fächern, also beispielsweise Politik oder Geschichte. Im Biologieunterricht gibt es viele Begriffe, die fest definiert sind und wenig Interpretationsspielraum lassen. Es sind viel eher verschiedene Wissensstände auf Seiten der SchülerInnen vorhanden, auf die man sich als lehrende Person einlassen muss, um jedem Schüler und jeder Schülerin gerecht zu werden. Nehmen wir als Beispiel die Verdauung. Während einige Schüler sich bereits differenziert mit dem Prozess der Verdauung auseinandergesetzt haben und schon nahezu richtig den Ablauf dieser erklären können, gibt es wiederum auch Schülerinnen und Schüler, die nur wissen, dass wenn ein Mensch etwas isst oder trinkt, dieses irgendwann auch wieder den Körper verlassen muss. So muss man es als LehrerIn also letztendlich schaffen, sich auf das verschieden ausgeprägte Wissen einzulassen und den Unterricht so zu gestalten, dass sowohl die SuS gefordert werden, die sich schon relativ gut mit dem Thema auskennen, aber auch diejenigen gefördert werden, die sich noch nicht differenziert mit der Thematik auseinandergesetzt haben.
Wie kann man diese verschiedenen Wissensstände der Schülerinnen und Schüler nun aber herausfinden?
Bleiben wir beim Beispiel der Verdauung im Biologieunterricht. Um in das Thema einzusteigen, ist es sinnvoll, eine „Erhebung“ der verschiedenen Wissensstände der SuS durchzuführen. Dafür gibt es verschiedene Methoden.
Eine Methode wäre beispielsweise, die Klasse in verschiedene Gruppen einzuteilen und ihnen ein Bild des menschlichen Verdauungstraktes zu geben. Darüber sollen die Schülerinnen und Schüler dann erklären, wie die Verdauung beim Menschen funktioniert. Der Vorteil einer Gruppenarbeit besteht meiner Meinung nach darin, dass so ziemlich jeder Schüler und jede Schülerin dabei zu Wort kommt.
Eine zweite Vorgehensweise, um das Wissen der SchülerInnen zu ermitteln, wäre, eine Mindmap anzufertigen. Dies kann sowohl im Plenum geschehen, aber auch als Einzel- oder Gruppenarbeit angefertigt werden. So kann man gezielt innerhalb von 10 Minuten die ersten Vorstellungen der SuS erfahren.
Eine dritte Methode wäre zum Beispiel, (Gruppen-) Vorträge halten zu lassen. Jede Gruppe müsste dabei einen Abschnitt der Verdauung ausarbeiten und kurz und knapp vortragen. So könnten die verschiedenen „Puzzleteile“, also die verschiedenen Ergebnisse der Schülerinnen und Schüler zu den unterschiedlichen Abschnitten der Verdauung zu einem großen Ganzen zusammengefügt werden. Darauf ließe sich dann in den kommenden Unterrichtseinheiten aufbauen.
Allerdings muss dabei noch erwähnt werden, dass, unabhängig davon, welche dieser Methoden angewandt würde, die Lehrkraft natürlich falsches oder fehlendes Wissen verbessern bzw. ergänzen müsste, sodass jeder Schüler und jede Schülerin am Ende der Stunde in etwa auf dem gleichen Wissenstand wäre.
Eine Beobachtungsaufgabe für das Orientierungspraktikum könnte beispielsweise sein, ob Lehrerinnen und Lehrer die Art und Weise ihrer Ansprache auf die jeweiligen SuS individuell ausrichten oder nicht. Damit meine ich, ob z.B in Konversationen mit leistungsstärkeren SuS ein anderer Wortschatz verwendet würde, als in Gesprächen mit leistungsschwächeren SchülerInnen.
Auch wäre es interessant zu erfahren, wie Schülerinnen und Schüler mit, in meinem Fall, biologischen Fachbegriffen umzugehen wissen. Definieren sie beispielsweise die ökologische Nische, wie man zunächst annehmen könnte, als Ort, oder doch, wie es richtig wäre, als die Gesamtheit aller biotischen und abiotischen Faktoren, die das Überleben einer Art beeinflussen?

Ein Gedanke zu „Rv03 – Prof. Andreas Klee: Von Tischen, Königen und Politikleuten“

  1. Liebe Mareike,
    deinen Beitrag zur dritten Ringvorlesung „Von Tischen, Königen und Politikleuten“ finde ich sehr spannend. Zudem finde ich, dass du das Vorlesungsthema sehr gut herausgearbeitet hast.
    Bei deiner Definition zur doppelten Heterogenität kann ich dir nur zustimmen. Deine gewählten Beispiele aus deinem Fach Biologie sind sehr treffend und spannend für mich, da in meinen Fächern Germanistik und Geographie teilweise sehr viel mehr Interpretationsspielraum ist.
    Deine genannten Methoden zur Überprüfung des aktuellen Wissenstandes der SuS sind meiner Meinung nach gut gewählt und verständlich begründet. Den Aspekt, dass die Lehrkraft falsches Wissen ausbessern und fehlendes Wissen der SuS aufstocken muss, finde ich sehr wichtig. Nur wenn dies geschieht, können die SuS auch bis zum Schuljahresende auf einem Niveau bleiben und es gehen keine einzelnen Schüler unter.
    Deine Beobachtungsaufgaben sind gut gewählt und ich finde es zudem sehr gut, dass du diese auch wieder auf dein Fach Biologie ausgerichtet hast.

    Liebe Grüße,
    Fiona

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