Erläutern Sie das in der Vorlesung thematisierte Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule. Nehmen Sie dafür Bezug auf die in der Vorlesung genannten theoretischen Ansätze.
Das in der Vorlesung thematisierte Spannungsfeld zwischen Inszenierung und Zuschreibung entsteht leider viel zu schnell und häufig. Die Inszenierung, also die Selbstdarstellung der einzelnen Personen, wird durch bereits im Vorfeld vorhandene Zuschreibungen zum Teil irrelevant, da man sehr voreingenommen ist. Eine Person aus der Klasse kann sehr intelligent sein und gute Beiträge leisten wollen, wenn jedoch aus vorherigen Unterrichtseinheiten bekannt ist, dass eben diese Person dafür bekannt ist, den Unterricht zu stören, nimmt man sie eventuell nicht so ernst wie die Mitschüler*innen. Um dies in Bezug auf Genderdynamiken und -pädagogik in der Schule zu setzen, fällt auf, dass es häufig die Jungs sind, denen die Rolle des Störenden zugeschrieben wird, ihnen wird die männliche Inkompetenz zugeschrieben (vgl. Kaiser, 195). Das ist sehr allgemein und stimmt auf keinen Fall immer, jedoch muss ich selbst zugeben, dass ich dies in meiner Schulzeit ebenfalls so gesehen habe. Wenn ein Junge im Unterricht gestört hat, wurde oftmals eher gehandelt, als wenn ein Mädchen den Unterricht unterbrochen hat. Die Mädchen wurden und werden bestimmt noch heute von vielen Lehrkräften als „ruhiger, disziplinierter, aufmerksamer…“ (Stalmann, 54) gesehen und dementsprechend behandelt. Die mündliche Notenvergabe könnte unter solchen Zuschreibungen stark leiden, eventuell wird auch in Klassenarbeiten von im Unterricht störenden Jungs verschärft nach Fehlern und Wissenslücken gesucht.
Die Aufgabe der Lehrkraft muss also in jedem Fall sein, objektiv zu bleiben und die Schüler*innen entsprechend ihrer Leistung und ihres Verhaltens, der Inszenierung, zu behandeln und zu bewerten.
Reflektieren Sie ihre bisherigen Praxiserfahrungen aus der eigenen Schulzeit und ersten Praktika zum schulischen „Genderplay“, möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion.
Wie bereits kurz in Aufgabe 1 angeschnitten, ist mir in meiner Schulzeit oft aufgefallen, dass Jungs strenger bewertet wurden als Mädchen. Die Unterteilung in von uns sogenannte Mädchen- und Jungsfächer war ebenfalls enorm, so wurden beispielsweise Jungs in Sport grundsätzlich mehr unterstützt als Mädchen, andersherum in Fächern wie Musik und Kunst. Es gab natürlich Ausnahmefälle, jedoch haben die meisten Lehrkräfte sich an diesem Verhalten orientiert. Die Leistungsbewertung hat darunter dementsprechend stark gelitten, gerade weil, wie oben beschrieben, bei Jungs viel mehr nach Fehlern gesucht wurde, denn es konnte ja nicht sein, dass ein Junge die beste Arbeit der Klasse hat. Diese Verhaltensweisen der Lehrkräfte aber zum Teil auch die der Schüler*innen, änderten sich zum Glück in der Oberstufe. Den Jungs, die vorher für den „schlechten Ruf“ gesorgt haben, weil sie tatsächlich öfter gestört haben oder nicht so viel gelernt haben wie die anderen, wurde nun auch bewusst, dass jede erbrachte Leistung für die Abschlussnote zählt. Die Lehrkräfte könnten ähnlich gedacht haben, sodass auch sie mehr auf die Leistung als auf schlechtes Verhalten in vorherigen Schuljahren geachtet haben.
Formulieren Sie eine Beobachtungsaufgabe für kommende Praktika zum Thema „gendersensible Pädagogik“, auch hier möglichst unter Bezugnahme auf mindestens ein anderes Heterogenitätsfeld der Ringvorlesung, wie Sprache, soziokultureller Background, Leistung, Inklusion, um deutlich zu machen, dass die Kategorie Gender nicht für sich steht, sondern andere Dimensionen von Heterogenität oftmals wesentlich mit beeinflusst.
Als Beobachtungsaufgaben kann ich mir Gruppen- oder Partnerarbeiten vorstellen. Die Schüler*innen dürfen sich selbstständig ihre Arbeitspartner*innen aussuchen. Lassen sich Tendenzen bezüglich Gender, sozialer Herkunft oder Leistungsdifferenzen ausmachen?
Eine Antwort auf „RV N°9 – Gendersensible Pädagogik“
Liebe Luisa,
erst einmal möchte ich dir sagen, dass du eine sehr gute Wortwahl getroffen hast und dein Text sich super lesen lässt.
In der ersten Aufgabe bin ich ganz bei dir. Den Übergang von der Tatsache schnell voreingenommen zu sein zu Genderdynamiken hast du sehr gut dargestellt, wodurch die Thematik sehr viel verständlicher und zugänglicher wurde. Ebenso hast du die Zitate in deiner Antwort immer an den richtigen Stellen eingebracht und die Aussagen somit verschärft.
Besonders wichtig finde auch ich hervorzuheben, dass zu den Eigenschaften einer Lehrkraft in jedem Fall und primär die Objektivität zählen muss. Nur so kann eine gerechte Benotung der SuS gewährleistet werden und von Zuschreibungen bewusst abgesehen werden.
Auch in der Aufgabe zwei hast du sehr gute Bezüge hergestellt und einem das Thema sehr deutlich und verständlich nähergebracht. Du hättest dir jedoch vielleicht einen Punkt raussuchen können, welchen du noch näher erläuterst und beleuchtest. Gerade das Beispiel aus dem Sportunterricht in der Schule kann, wie ich denke, jeder von uns einordnen und auf seine eigene Schulzeit beziehen. Daher bin ich bei dem Thema besonders hellhörig geworden, denn auch mir ist in diesem Fach bereits in jungen Jahren eine große Spanne der Benotung und der Unterstützung aufgefallen. Ich persönlich hatte von der fünften bis zur siebenten Klasse immer zu denselben Sportlehrer. Die Sportarten haben sich nicht wirklich von seinem Standard (Völkerball, Fußball, Basketball oder Tischtennis) gelöst- im Gegenteil. Einige Mädchen hätten sich durchaus die Unterrichtseinheit „Leichtathletik“ gewünscht. Ebenso bei der Benotung wurde in allen Jahren deutlich, dass kein Mädchen jemals mit einer „1“ auf dem Zeugnis belohnt wurde. Bei den Jungs jedoch häuften sich die sehr guten Noten. Außerdem ist mir in dem Fach Deutsch aufgefallen, das bestimmte SuS eine Leserechtschreibschwäche hatten und von den LuL demnach keine Chance mehr bekommen haben, beispielsweise an einem Lesewettbewerb teilzunehmen.
Zur achten Klasse habe ich schließlich die Schule gewechselt und geriet von da an nur noch an weitgehend objektive LuL.
Die Leistungsbewertung hängt leider oft mehr von den LuL, als von den SuS ab.
Deine Fragestellung in der dritten Aufgabe finde ich sehr interessant. Interessant, weil ich nicht denke, dass SuS sich großartig von sozialer Herkunft, Leistungsdifferenzen und Gender beeindrucken lassen. Ich denke aber auch, dass die Antwort sehr individuell zu beantworten ist und von der Klasse und leider auch von dem Stadtteil abhängt.
Abschließend möchte ich nochmal betonen, dass ich deine Ausarbeitung sehr gelungen finde.
Alles Liebe,
Deine Celine