Aug 19 2020

Abschlussreflexion

Published by at 13:09 under Allgemein and tagged:

In den Schulen herrscht ein großes Spannungsfeld zwischen Heterogenisierung und Homogenisierung. Man versucht die anspruchsvolle Vielfalt an den Schulen zu ordnen und Gemeinsamkeiten zu finden („Komplexitätsreduktion“), aber trotzdem die Heterogenität beizubehalten. Der erste wichtige Punkt der Heterogenitätskategorie ist die Genderspezifität, die in jeder Fachwissenschaft zum Vorschein tritt. Bereits im deutschen Literaturunterricht werden die Geschlechter „erlesen“. Viele literarische Werke weisen Weiblichkeits- und Männlichkeitsinszenierung auf: das Setting (offener oder geschlechterübergreifender Raum?) die Träger (Figuren) und ihre Aktionen, spezielle Zeichen (z.B. rosa=Mädchen, blau=Junge), der Diskurs (Gender innerhalb der Geschichte) und die Rhetorik (auf welche Art und Weise wird über Gender gesprochen?). Außerdem gibt es 5 verschiedene Dimensionen der Literaturrezeption, die sehr prototypisch gedacht sind: die Lesefreude und –neigung, die Lesequalität und –frequenz, die Leseweisen und Lektüremodalitäten, Lesestoffe und –präferenzen, Lesekompetenz sind bei dem weiblichen Geschlecht höher bzw. besser, als bei dem männlichen Geschlecht (vgl. Philipp 2011 a). Durch den Literaturunterricht sollen diese Ansichten erweitert werden, indem fiktionale Texte behandelt werden, die unterschiedliche Weltmodell zeigen. Außerdem ist die Beschaffenheit literarischer Texte wichtig, da die Verstehensprozesse der Identitätsfindung damit gefördert werden können. Durch den Literaturunterricht kann der symbolische Vorrat an Genderentwürfen erweitert werden. Es ist also wichtig, sowohl die expliziten, als auch die impliziten Genderkonstruktionen reflektiert zu hinterfragen, um Klischees zu durchbrechen und vorzubeugen.

Auch im Sachunterricht stellt die Genderspezifität eine Herausforderung dar. Die Aufgaben des Sachunterrichts können das Interesse, Selbstkonzept und die Kompetenzen der Kinder beeinflussen. Das Interesse geht immer mit dem Aufbau einer inneren Bindung an den entsprechenden Wissens- und Tätigkeitsgebiet einher. Hierbei ist es durchaus möglich, dass nicht nur die Jungen sich für Technik interessieren (prototypische Denkweise). Deshalb müssen diese Aufgaben so aufgebaut sein, dass Mädchen auch „typische Jungsaufgaben“ (z.B. auf Bäume klettern) durchführen können, und andersherum genauso (vgl. Maltzahn 2014, S.12).

Die Sprache oder die kulturelle Herkunft/Migrationshintergrund sind sehr heterogen und können auch im Mathematikunterricht eine Herausforderung darstellten, weshalb ein sprachensensibler Matheunterricht essentiell ist. Bei Kindern mit Migrationshintergrund ist der Zweitspracherwerb zentral, denn dieser nimmt auf die mathematische Leistung der SuS Einfluss. Auch ein niedriger sozioökonomischer Status der Eltern hat einen negativen Einfluss auf die Kinder. Dabei besteht ein enger Zusammenhang zwischen der Qualität familiärer Anregungsbedingungen und numerischer Fähigkeiten. Im Matheunterricht muss die pädagogische Förderung früh einsetzten, qualitativ hochwertig und intensiv sein. Der Unterricht muss alter- und entwicklungsangemessen angelegt sein und sich an dem Interesse der Kinder orientieren. Die sprachlichen Anforderungen sollten im Mathematikunterricht niedrigschwellig gehalten werden, um für alle Kinder Erfolgserlebnisse zu erzielen (vgl. Bömning & Thöne, 2017, S. 27 ff.). Die Alltagssprach und die Bildungssprache sind für sprachlich starke Kinder Lernvoraussetzungen und die Fachsprache der Lehrgegenstand. Für sprachlich schwache Kinder muss auch die Bildungssprache erlernt werden und gilt nicht als Voraussetzung (vgl. Leuders & Prediger 2016). Das Scaffolding ist ein sehr wichtiger Bestanteil des Mathematikunterrichts, da sich die Kinder mit diesem Angebot an sprachlichen „Gerüsten“ orientieren können und anschließend sukzessiv wieder abbauen.

 

Der Migrationshintergrund spielt nicht nur im Deutschunterricht eine große Rolle, sondern in allen Schulfächern. Diese Hürde habe ich aus meiner Praxiserfahrung ebenfalls mitgenommen: Kinder mit Deutsch als Zweitsprache haben mit dem Verständnis deutlich größerer Probleme. Deshalb ist es wichtig, den sprachlichen Aufbau der Aufgaben nicht all zu komplex zu gestalten und bei der Erklärung eventuell Material hinzuzuziehen, um den Kindern ein besseres Verständnis zu ermöglichen. Da auch ich mit Deutsch als Zweitsprache aufgewachsen bin, fällt es mir sehr leicht, mich in die Lage der betroffenen Kinder zu versetzen. In meinem Orientierungspraktikum, welches ich in einer 1. Klasse absolviert habe, konnte ich den Kindern und Familien, und somit auch den Lehrkräften, mit meiner Muttersprache behilflich sein. Denn teilweise war eine Kommunikation untereinander nicht möglich, da zu geringe Deutschkenntnisse (sowohl Eltern, als auch Kinder) bestehen.

Schon die Sitzordnung der SuS wurde nicht nach Geschlechtern eingeteilt, sondern nach Leistung: jedes leistungsschwache Kind hatte neben sich ein leistungsstarkes Kind sitzen, um nach Hilfe Fragen zu können. Jedoch ist hier schnell aufgefallen, dass die leistungsschwächeren von den leistungsstarken Kindern abschreiben, was zu keinem Lernerfolg führt.

 

Ich würde gerne mehr über die Heterogenitätsdimension der Inklusion erfahren, da ich während der Absolvierung meines freiwilligen sozialen Jahres mit beeinträchtigen Kindern gearbeitet habe und ich es für Wichtig erachte, dass auch die „normale“ Lehrkräfte genug geschult werden, um mit diesen Kindern umzugehen. Im Zusammenhang dazu fände ich es gut, wenn wir etwas über die Entwicklungsverzögerungen der Kinder lernen.

Deutsch als Zweitsprache und der damit verbundene Migrationshintergrund sind auch eine sehr wichtige Heterogenitätsdimension. Es gibt zahlreiche Schulen, die in einem sogenannten Brennpunktviertel liegen. Diese Schulen werden von einem hohen Anteil an Kinder mit Migrationshintergrund besucht, weshalb es sehr wichtig ist, dass die angehenden Lehrer*innen mit dieser Heterogenität umgehen können.

 

Literatur

Bönig, D. & Thöne, B. (2017): Integrierte Förderung von Mathematik und Sprache in Kita und Familie. In Schuler, S., Streit, C. & Wittmann, G. (Hrsg.) Perspektiven mathematischer Bildung im Übergang vom zur Grundschule. (S. 27-40). Wiesbaden.: Springer.

Leuders, T./Prediger, S. (2016): Flexibel differenzieren und fokussieret fördern im Mathematikunterricht. Berlin: Cornelsen Scriptor.

Maltzahn, Katharina von 2014: Mädchen und Naturwissenschaften. Zur Entwicklung von Interessen nach der Grundschule. Weinheim und Basel: Beltz, Juventa.

Philipp, Maik (2011 a): Lesen und Geschlecht 2.0. Fünf empirisch beobachtbare Achsen der Differenz neu betrachtet. In: leseforum.ch 01/11.

No responses yet




Trackback URI | Comments RSS

Schreibe einen Kommentar

Zur Werkzeugleiste springen