Individualisierender Unterrich

Prof. Dr. Till Sebastian Idel klingt nicht nur sehr elegant, er hat auch in der letzten Ringvorlesung den individualisierenden Unterricht, der in der letzten Zeit zunehmend gefordert und zu praktizieren versucht wurde, in einem kritischen Blick als alternative zum klassischen Frontalunterricht betrachtet. Diese Unterrichtsform setzt voraus, dass die Struktur des Lernens an Schulen geöffnet wird den SuS gegenüber: die gestellten Aufgaben werden an ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten angepasst, sie bekommen mehr Freiheit im Zeitmanagement (beispielsweise durch Wochenpläne und Stunden, in denen sie Fächer- und Klassenübergreifend arbeiten dürfen) und sie sollen deutlich differenzierter bewertet werden, als es Noten im Stande sind. Herr Idel weißt jedoch ausdrücklich darauf hin, dass diese Unterrichtsform in keinem Fall die Lösung aller Probleme bedeuten würde: Schon mit einer komplizierten Umstellung beginnend, die noch zusätzlich Probleme bereitet, führt beispielsweise die deutlich offenere Bewertung zu Schwierigkeiten, die Ergebnisse sind nicht mehr eindeutig, was den Schülern entgegen kommen mag, jedoch im Konflikt mit der eigentlichen Schulfunktion steht, die dem Arbeitsmarkt genaue Zahlen zeigen soll. Auch das Lehren macht eine solche Bewertungsform nicht einfacher, sie bekommt vielmehr Spielraum und Subjektivität, wobei sich die LuL wohl schon ohnehin auf deutlich mehr Dinge gleichzeitig konzentrieren müssen als zuvor – nämlich auf jede(n) SuS individuell.

Eine solche Sichtweise halte ich für realistisch und damit wichtig: Der individualisierende Unterricht hat sich ein paar Chancen verdient, man darf ihn jedoch keinesfalls als Allzweck Lösung ansehen. Er bringt neue Probleme und Schwierigkeiten mit sich und ist auch keinesfalls Antwort auf jedes alte Problem. Wenn man ihn dahingehend idealisiert, läuft man Gefahr, stark enttäuscht zu werden und nicht mit nötiger Arbeit und Leidenschaft vorzugehen, die nach wie vor – vielleicht noch mehr – wichtig für jeden Erfolg in der Bildung sind.

Im Hinblick auf diesen Gedankengang frage ich mich, welche LuL gestresster/aktiver im Unterricht sind: frontal oder individualisierend unterrichtende LuL. Am besten betrachtet am Beispiel nur eines/r LoL, der auf beide Strategien ab und an zurück greift. Desweiteren würde mich interessieren, welche SuS pro Zeit mehr leisten: Die mit klar definierten, oder die mit zeit-unspezifischen Aufgaben bspw. in Wochenplänen. Dieser Vergleich wird wohl schwieriger zu betrachten sein.

Genderklischees beim Sprachenlernen

In meiner Schullaufbahn lernte ich vorallem lange Jahre Englisch, hatte als zweite Fremdsprache Französisch und ein zu vernachlässigendes Jahr Spanisch. Auffallend war zunächst, dass in dieser Zeit genau ein Fach (Englisch) für nur genau ein Jahr von einem Mann unterrichtet wurde, die restliche Zeit lernte ich von Frauen. Diese genderspezifische Sprachenmotivation spiegelte sich bei mir wieder: Als Junge war ich mit wachsendem Alter auch wachsend an MINT-Fächern interessiert. Sprachunterricht fühlte sich für mich mit der Zeit immer mühsamer und langweiliger an und so trau ich mich heute (nach sechs Jahren Unterricht) keinen vollständigen Satz französisch heraus zu bringen (und ich hatte gute Noten, trotz meines Desinteresses), wobei ich von Spanisch gar nicht anfangen möchte. Auch Englisch, so sagt mir zumindest mein Gefühl, spreche ich nicht dank des Unterrichtes, sondern dank der Allgegenwärtigkeit der Sprache in meinem Alltag.

Nach Gardner und Lambert bietet es sich beim Sprachenlernen, die Teilhabe an einer neuen Kultur als Motivation anzubieten, ein Ansatz, der mir persönlich gefällt, vorausgesetzt, dies bedeutet nicht, das weiteres Musizieren (zudem ich als Junge im Teenageralter allein aus Coolnessgründen nicht imstande war – heute hat sich dies zum Glück geändert) und die Betrachtung weiterer Denkmäler o.ä. Einzug in den Sprachunterricht finden. Es bietet sich viel eher an, die SuS den Teil der fremden Kultur zu entdecken, der sie interessiert – sei es geschichtliches, künstlerisches, musikalisches, sportliches etc. – und diesen für sich selbst herauszuarbeiten.

Obwohl ich persönlich nie den Eindruck hatte, Fremdsprachenschulbücher seien besser für Mädchen geeignet, sonder eher, dass es eigentlich niemanden interessiere, dass Peter, Paul und Maria in der Küche sitzen (viel interessanter wäre es doch, säßen sie tatsächlich im Kitchen), würde ich als Verbesserungsanatz vorschlagen, Schulbücher vermehrt so aufzubauen, dass Schüler die Wahl zwischen verschiedenen Themengebieten haben, zu denen sie evt. selber recherschieren können oder zu denen sie selber die wichtigsten Vokabeln der Klasse präsentieren. Da man den klassischen Dialog Text zwischen Peter, Paul und Maria wohl nie aus den Büchern herausbekommen wird, hierzu mein Vorschlag: Um alle Eventualitäten, dass Maria nur in der Küche steht, während Peter und Paul Fußball spielen, auszuräumen, bedient man sich nicht mehr der zweckmäßigen Alltagssituationen, sonder engagiert einen etwas motivierten Geschichtenschreiber, der z.B. erzählt, wie die drei Gefährten zum Mars fliegen, oder wie Maria und Peter auf Pferden durch die Prärie reiten um das grüne Schleimmonster zu erwischen, das Paul entführt hatte.

Umgang mit Förderbedarf

Förderbedarf in den verschiedensten Bereichen – hierzu führen bspw. diverse körperliche/geistige Behinderungen oder Lernschwächen – wird bei Schülern diagnostiziert, um diesen im Schulalltag eine Sonderstellung zu geben, die entsprechenden Umgang gewährleisten soll. Diese Sonderstellung kann notwendig sein, damit SuS die Hilfe bekommen, die sie brauchen. Durch die Definition eines Individuums mit einem einfach Wort – z.B. sozial-emotionaler Förderbedarf – muss dieses jedoch gleichzeitig mit der einhergehenden Stigmatisierung, der Ausgrenzung und Diskriminierung als Folge des plakativen ‚anders Sein‘ umgehen, wobei tiefer gehende Bedürfnisse, die jeder Mensch von uns unabhängig seines geistigen oder körperlichen Zustandes hat, schnell außen vor gelassen werden. Die Aussonderung solcher Kinder schützt diese davor nicht, sie werden auf Förderschulen vielleicht von besser geschultem Personal in angepasster Umgebung betreut, die Stigmatisierung wird jedoch durch den Status des/der SuS einer Förderschule verschärft. Gleichzeitig verlieren diese SuS den Bezug zum Regelalltag, sie verlieren Vorbilder, die sie unter bspw. leistungsstärkeren oder sozial kompetenteren SuS gehabt hätten und ihnen, sowie den SuS der Regelschulen, wird der Ausschluss von Anderer vorgelebt, was das Minderwertigkeitsgefühl auf der einen- und den Rassismus auf der anderen Seite weiter anstachelt.

Auch den LehrerInnen hilft diese Kategorisierung wenig: Die Diagnose ‚Förderschwerpunkt Wahrnehmung und Entwicklung‘ (bzw. ‚geistig Entwicklung‘) erfolgt durch eine geistige Beeinträchtigung, die einen IQ-Wert unter 70 verursacht. Der ohnehin schon wenig aussagekräftige Test definiert hier also die unterschiedlichsten Menschen, die Lehrperson kann vielleicht abschätzen, dass SuS mit diesem Förderschwerpunkt mehr Zeit und Hilfe zum Lernen brauchen, sie erfährt nicht, welche Persönlichkeit dahinter steckt und welche Eigenschaften – völlig unabhängig der Diagnose – ansonsten noch Aufmerksamkeit fordern. Genauso verhält es sich im Beispiel ‚Förderschwerpunkt Lernen‘: Ein/e MathematiklehrerInn rechnet mit einem weiteren Kind, das dem Unterricht sowieso nicht folgt, dabei hat es vielleicht (nur) eine Lese-Rechtschreibschwäche, verfügt jedoch über hervorragendes logisches Denken.

Um SuS mit Förderbedarf zu beschulen braucht es also weit mehr Informationen als die Diagnose (genau wie bei anderen SuS auch), die Lehrkraft sollte wissen, wie sie ihre SuS am besten erreicht, was deren Interessen sind, welche Bedingungen sie in Unruhe und Stress versetzen und was sie wieder beruhigt, was ihre Stärken und Schwächen sind, aus welchem Umfeld sie kommen usw. Hierzu braucht es einerseits Zeit, um die SuS kennenzulernen, sowie ein geschultes, nicht voreingenommenes Auge. Gleichzeitig kann die Lehrkraft sich aber auch mit Pädagogen unterhalten, die das entsprechende Kind schon früher betreuten und sollte sich in jedem Fall mit den Eltern auseinandersetzen, die ihr Kind meistens am Besten kennen. Hat man zudem noch weitere Sozialpädagogen im Team (was zwar notwendig, jedoch leider zu selten bezahlt ist), so hat man sich gute Voraussetzungen geschaffen um auf alle SuS bestmöglich einzugehen zu können. Eine besonders heterogene Gruppe kann so in kleinere Gruppen aufgeteilt werden, in der SuS entspannter und mit mehr Aufmerksamkeit mit der großen Vielfalt dieser Welt umgehen lernen können.