Dr. Eileen Schwarzenberg – Also die Rahmenbedingungen sind absolut entscheidend“ – junge Menschen mit einer Behinderung berichten retrospektiv über ihre Erfahrungen in der Schulzeit

Frage 1: 

Welche Modelle von Behinderung sind Ihnen in Ihrer eigenen Bildungsbiografie und den schulischen Erfahrungen als angehende Lehrkraft begegnet? An welchem Zuweisungspraktiken (z.B. durch Äußerungen) machen Sie das fest? (zum Weiterlesen: Waldschmidt, 2005)

In meiner Schulzeit, bzw. In meiner Bildungsbiographie habe ich keine Erfahrungen mit den Modellen der Behinderung gemacht. Mir sind weder Personen mit einer Schädigung (impairment), einer Beeinträchtigung (disability), noch mit einer Benachteiligung (handicap) in meiner Klasse begegnet (vgl. Waldschmidt, 2015). Ich hatte lediglich in der Grundschule in einer Klasse eine Jahrgangsstufe unter mir einen Schüler mit einer Hörschwäche. Die Lehrer*innen haben hier während des Unterrichts auch ein Mikrofon getragen, welches immer an die entsprechenden Fachlehrkraft weitergereicht worden ist. Das wäre die einzige (indirekte) Erfahrung, die ich gemacht habe.

 

Frage 2: 

Bitte reflektieren Sie die Erfahrungen mit Exklusion und Inklusion in der Bildungsbiografie der beiden Gäste (Frau Dittmann und Herr Palkowski) vor dem Hintergrund Ihrer eigenen Erfahrungen: Gab es Punkte in meiner Bildungsbiografie, an denen mein Bildungsweg befördert wurde? An denen er begrenzt wurde? Was spielte hierbei eine Rolle? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für mich als angehende Lehrkraft?

Die Erfahrungen, die die Gäste in ihrer Bildungsbiographie erleben mussten, sind erschreckend. Besonders die Erfahrungen, die Frau Dittmann In ihrer Sekundarstufe I auf dem Regelgymnasium erleben musste, sind besonders furchtbar und wünscht man niemandem, gerade was das Mobbing und die Bloßstellung ihr gegenüber betrifft, braucht niemand. Des Weiteren kamen bei Frau Dittmann auch Aktionen hinzu, wie das durchschneiden des Kabels des Mikrofons und der vermeintliche Spaß mit der Schere, den sich einer ihrer Mitschüler*innen erlaubt hat. Diese Vorkommnisse haben ihre Schullaufbahn und ihre Denkweise im späteren Leben (wie erwähnt worden ist, im universitären Umfeld) maßgeblich beeinflusst. 

Ich meiner Bildungsbiographie habe ich keine bemerkenswerten Beförderungen oder Begrenzungen meines Bildungsweges erlebt. Ich habe eine Regelgrundschule besucht und besuchte anschließend eine Realschule, die ich mit großem Erfolg beendet habe. Da ich genaue Vorstellungen hatte, was ich später einmal werden möchte, habe ich die Berufsberatung hinzugezogen, und weitere Wege zu besprechen. So habe ich mein Abitur an einem Berufsbildenden Gymnasium mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik absolviert. 

In der 12. Klasse der gymnasialen Oberstufe habe ich einen Punkt der Motivationslosigkeit gehabt, was anscheinend die perfekte Voraussetzungen für meinen Klassenlehrer war, mich mit Sätzen wie „irgendwie muss ich dich ja motivieren, sonst schaffst du dein Abitur ja nicht…“ schikanieren zu müssen. Daraufhin habe ich einen Schulwechsel vollzogen, woraufhin ich unter besseren Voraussetzungen mein Abitur absolviert habe. 

Sonst habe ich keine Begrenzungen oder Beförderungen in meinem Bildungsweg erlebt. Zumindest nicht wissentlich. Meines Erachtens nach habe ich mich den Herausforderungen meines Bildungsweges gut stellen können und habe kaum bis gar keine Probleme gehabt. 

 

Frage 3: 

In der Vorlesung wurde auch die Perspektive von Eltern angesprochen. Bitte schauen Sie sich das Video zum Engagement von Eltern (Gespräch mit Elke Gerdes) an: https://uni-bremen.de/themen/engagement-von-eltern/: 

Welche Meinung haben Sie zum Elternwahlrecht? Was sind Vor- und Nachteile?, Welche Bedeutsamkeit messen Sie der Zusammenarbeit mit Eltern bei und was sind zentrale Gelingensbedingungen? (zum Weiterlesen: Wocken, 2017)

Ich finde es sehr gut, dass sich der Verein „Eine Schule für Alle Bremen e.V.“ so intensiv für Inklusion in Bremer Schulen einsetzt. Des Weiteren finde ich sehr bemerkenswert, dass sich mindestens ein mal im Monat zu einer Arbeitsgruppensitzung getroffen wird, bei der viel diskutiert wird und auch viele Entscheidungen getroffen werden, wo weiterer Handlungsbedarf besteht. Ebenso finde ich es wichtig, dass mit den senatorischen Behörden, sowie auch mit fast allen Parteien und dem Landesbehindertenbeauftragten zusammengearbeitet wird. 

Elternwahlrecht ist eine gute Sache, die ich persönlich befürworte. Eltern, die ihr Kind am besten kennen, können am besten beurteilen, ob ihr Kind den Bildungsweg an einer Regelschule durch Inklusion schafft, oder nicht. Diese Entscheidung sollte nicht durch eine behördliche Anordnung erfolgen. Jedoch bin ich der Meinung, dass die Aussagen von Felten (2017, 119) „Elternrechte und Lehrerurteile bei der Schulwahl ernst nehmen und ausbalancieren“ (Wocken, 2017) durchaus Sinn machen könnte. Lehrer*innen, die die Leistung von Schüler*innen nach den vier Jahren der Grundschule kennen (sollten), sollten auf Nachfrage, bzw. auf Wunsch der Eltern, eine Wegberatung durchführen. Diese sollte jedoch keine verbindliche Empfehlung sein, lediglich nur eine Hilfe der Eltern, die auf eigenen Wunsch in Anspruch genommen werden kann, wenn Eltern diese benötigen. Ein Kind mit Förderbedarf auf ein Gymnasium zu schicken, wäre Inklusionstechnisch wahrscheinlich möglich, aber trägt das zum Wohl des Kindes bei, wenn Eltern eine Entscheidung treffen, die sie vielleicht nicht zu 100% genau beurteilen können? Es hat noch nie geschadet, sich eine zweite Meinung einzuholen, die endgültige Entscheidung liegt aber doch bei den Eltern.

Es ist wichtig, dass gerade auch betroffene Eltern sich engagieren, da sie die Situation der Inklusion in Schulen hautnah miterleben und meiner Meinung nach kann kaum jemand besser Veränderungen vornehmen, als jemand, der im Geschehen quasi selbst involviert ist. Ich teile die Aussage von Elke Gerden, dass die in der Lehrer*innenausbildung mehr auf den Umgang eingegangen werden muss, da Lehrer*innen auf einen inklusiven Unterricht bzw. auf einen Inklusiven Schulalltag vorbereitet sein müssen, damit Inklusion auch funktioniert und Lehrer*innen nicht „ins kalte Wasser geworfen“ werden.  Jedoch teile ich persönlich nicht unbedingt die Aussage, dass die Gymnasien geschlossen werden sollen. In Bremen besteht die Möglichkeit auch über den Zweig der (meisten) Oberschulen das Abitur zu erreichen. Schüler*innen mit inklusionsbedarf haben also hier die Möglichkeit die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Ich sehe es kritisch, dass wenn wir eine Schule für alle hätten, dass Inklusion so im Vordergrund stehe, dass die Forderung leistungsstärkerer Schüler*innen nicht mehr gewährleistet wäre. So kann das Gymnasium zur aktiven Forderung von Schüler*innen bestehen bleiben, die notwendig ist, damit diese Schüler*innen sich nicht unterfordert, gelangweilt oder gar vernachlässigt fühlen, was ggf. Zur Spaltung der Klassengemeinschaft führen könnte. Das soll nicht bedeuten, dass ich gegen Inklusion im Gymnasialbereich bin, das bin ich ganz und gar nicht! 

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Quellen: 

Ringvorlesung 10 vom 15. Juni 2021

Waldschmidt, Disability Studies: individuelles, soziales, und/oder kulturelles Modell von Behinderung?, 2005

Wocken, Wer andern eine Falle stellt, tappt selbst hinein!, 2017

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