Fragen zur Vorlesung 09 (Option 1)

  1. Fassen Sie die im Text dargestellten unterschiedlichen Positionen in Bezug auf die Religionsausübung zusammen. (Option 1: Koscheres Essen)

    Der Text „Koscheres Leben“ von Jürgen Dreyer und Sybille Hattwich behandelt den Umgang verschiedener Strömungen im Judentum mit den „Kaschrut“-Regeln, die bestimmen, welches Essen koscher ist und welches nicht.
    Im Text heißt es im ersten Abschnitt, dass liberale Juden die strengen Essensregeln als willkürlichen Eingriff in ihr Leben werten würden. Dies ist negativ konnotiert. Orthodoxe Juden hingegen fänden eine tiefe Freude dabei, auch in kleinen Alltagsdingen strikt nach Gottes Geboten zu handeln. Auch schwer nachvollziehbare Regeln würden nicht hinterfragt, da der Mensch die gottgegebenen Regeln nicht verstehen, sondern lediglich befolgen müsse.

 

  1. Wenden Sie die drei Grundannahmen des religionswissenschaftlich-kulturwissenschaftlichen Ansatzes (interne Diversität, Religion als beeinflusst von historischen Prozessen, Religion als Teil soziokultureller Strukturen, s. AB 1) auf den Text bzw. die im Text beschriebenen Haltungen und Praktiken an. Die beiden letzteren sind eventuell eher subtil und implizit im Text angelegt.

    Die interne Diversität wird im Text schon dadurch deutlich, dass es verschiedene Strömungen innerhalb der Religion gibt. Es ist von „liberalen“ und „orthodoxen“ Juden die Rede, die sich selbst dennoch als „Juden“ sehen.
    Das Judentum und seine „Kaschrut“-Regeln wurden von historischen Prozessen beeinflusst. Die Regeln wurden, so heißt es im zweiten Abschnitt des Textes,  über die Jahrtausende immer wieder erweitert und angepasst. Diese Anpassung war nötig, da es immer neue Speisen, Gerichte und Zubereitungsarten gab, über deren Zulässigkeit zu entscheiden war und ist.
    Am Beispiel des Sushi und der Frage, inwiefern es als koscher zu werten ist, wird deutlich, dass Religion Teil einer soziokulturellen Struktur ist. Sushi ist ein sehr altes Gericht (8. Jahrhundert), ist aber erst durch den Prozess der Globalisierung in nichtasiatische Länder gekommen. Hier muss laut Text der Rabbiner konsultiert werden, ob Sushi koscher ist oder nicht. Aber auch jeder einzelne Rabbiner ist Teil seiner Soziokultur und kommt aufgrund dessen möglicherweise zu einem anderen Schluss als ein Rabbiner anderswo.

 

  1. Beschreiben Sie Ihre eigene Verortung gegenüber dem im Text angelegten Phänomen. Gehen Sie dabei auf die Fragen auf AB 2 ein.

    Ich halte Religion in erster Linie für eine Privatangelegenheit. Wer sich kulinarisch – wie auch immer geartet – einschränken möchte, der hat das Recht, dies zu tun. Niemand kann ihm oder ihr absprechen, sich einer Religion zugehörig zu fühlen, weil er/sie dieses oder jedes isst oder nicht isst. Problematisch finde ich in diesem Zusammenhang allenfalls, dass Kinder und Jugendliche gezwungen werden, sich auf eine gewisse Art (z.B. koscher) zu ernähren. So lange es hier aber zu keinen Mangelerscheinungen kommt und den Kindern und Jugendlichen ermöglicht wird, am sozialen Leben teilzunehmen, halten sich die Gefahren aber auch hier in Grenzen.

 

  1. Entwickeln Sie eine schriftliche pädagogische Reflexion zum Umgang mit dem folgenden Szenario: Sie haben mit ihrer Klasse ein gemeinsames Essen zur Feier des Schuljahresabschlusses geplant. Eine Schülerin möchte nicht teilnehmen, da sie nur koscheres Essen zu sich nimmt. Eine andere Schülerin sagt ihr, sie sei albern, schließlich würde es auch Juden und Jüdinnen geben, die sich nicht koscher ernähren.

    Es muss in diesem Falle möglich gemacht werden, dass die betreffende Schülerin am Essen zum Jahresabschluss teilnehmen kann. Hier gibt es verschiedene Möglichkeiten: Zum Beispiel könnten einfach alle SuS koscher essen. Es wäre hier schon damit getan, dass man ein vegetarisches Gericht wie z.B. einen Kartoffelauflauf anbietet. Hier würde ich die Klasse fragen, ob sie Ideen hat, wie man das Essen so gestalten kann, dass jede*r am Fest teilnehmen und das Gericht genießen kann. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich die betroffene Schülerin koscheres Essen mitbringt. Dies wäre für mich nur die zweite Wahl, da es die Schülerin weiter exkludieren würde.
    Mit der anderen Schülerin, die meinte, die jüdische Schülerin sei „albern“, würde ich nach der Stunde ein Einzelgespräch führen. Ich würde versuchen, ihr deutlich zu machen, dass Menschen ihre Religion verschieden auslegen und es deswegen kein Argument ist, dass andere Juden vielleicht nicht (immer) koscher essen. Des Weiteren würde ich sie bitten, auf ausdrücke wie „albern“ zu verzichten. Jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung und auch darauf, die Essenspraktiken anderer „albern“ zu finden, aber es ist eine Frage des Respekts, dies nicht auszusprechen, erst recht nicht vor der Klasse.

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