Abschlussreflexion

Liebe Leser*innen,

im Folgenden schreibe ich eine persönliche Abschlussreflexion zur Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“. Im ersten Teil fasse ich die für mich zentralsten Erkenntnisse aus den verschiedenen Vorlesungen zusammen. Dabei nehme ich Bezug auf die unterschiedlichen, fachdidaktischen Aspekte und übertrage diese vor allem auf die von mir studierten Fächer „Mathematik“ und „Inklusionspädagogik“, sowie allgemein auf die erziehungswissenschaftlichen Erkenntnisse zur Schule und Unterricht.

Im Rahmen der Ringvorlesung „Umgang mit Heterogenität in der Schule“ habe ich verschiedene Eindrücke und Perspektiven zum Thema kennengelernt, von denen ich nun die für mich prägnantesten erläutere: Im Einstieg der Ringvorlesung ging es um das Spannungsfeld zwischen Heterogenität und Homogenität. So ist es im Allgemeinen der Auftrag der Schule sich zu einer heterogenen und inklusiven Schule zu entwickeln. Doch Vielfalt ist gleichzeitig auch eine anspruchsvolle Realität: häufig entsteht bei Lehrkräften ein gewisser Ordnungswunsch (Suchen nach Gemeinsamkeiten) gegen Überforderung. Es können Stereotype Vorstellungen entstehen, die Basis für Diskriminierung sind. Eine Abweichung von der Norm wird oft als Defizit bzw. Störfaktor angesehen. So ist Heterogenität immer mit einer sozialen Konstruktion verbunden, die von expliziten und impliziten Maßstäben für eine ebenfalls konstruierte Einheitlichkeit abhängt. Es impliziert die Differenzen und Streuung um eine Norm (Vergleichsdimension). (vgl. Gomolla 2009: 22) Ein Beispiel hierfür wäre das Feststellen der sonderpädagogischen Förderbedarfe. Daraus ergeben sich verschiedene Antinomien, bei denen eine Balance zwischen Vereinheitlichung und Differenzierung gefunden werden muss. So ergibt sich beispielsweise das Spannungsfeld zwischen Inklusion und Individualisierung. Neben einer gemeinsamen inklusiven Schule, müssen also gleichzeitig die einzelnen Schüler mit ihren individuellen Bedürfnissen im Vordergrund stehen. (vgl. Wenning 1999)                                                                                      Die nächste für mich persönlich prägnante Erkenntnis ist bezogen auf den Literaturunterricht. „Mädchen lesen häufiger als Jungen“ und „Jungen lesen schlechter als Mädchen“ waren zentrale Aussagen der Vorlesung. (vgl. Phillip 2011 a) Daraus ergeben sich verschiedene Konsequenzen für die schulische Praxis. Wichtig wäre es beispielsweise auch männliche Kollegen oder Väter mit einzubeziehen, damit eine größere Vielfalt an Lesevorbildern vorliegt. Zudem sind Fortbildungen, um einen gendersensible Lektüreauswahl zu gewährleisten, bei der die Jungen und Mädchen mit einbezogen werden sollten, von Vorteil.                                                              In einer weiteren spannenden Vorlesung ging es um den Zusammenhang von Sprachkompetenz und der Mathematikleistung. (vgl. Krummheuer 1997; van Oers 2013) Vor allem ein Migrationshintergrund kann Auswirkungen auf den mathematischen Kompetenzerwerb des Kindes haben. (vgl. Heinze et al. 2007; Schmitman gen. Pothmann 2008). Aber auch der sozioökonomische Status der Eltern oder die Häufigkeit der mathematikbezogenen Erfahrungen im Alltag sind bedeutsame Einflussfaktoren auf den Bildungserfolg des Kindes. (vgl. Schuchardt et al. 2014) Somit ist ein sprachsensibler Mathematikunterricht von großer Bedeutung. Sprache taucht im Mathematikunterricht in verschieden Weisen auf: Bei Textaufgaben, beim Besprechen oder Präsentieren von Lösungswegen, sowie aber auch als kognitive Funktion, beim mathematischen Denken. Ein sprachsensibler Mathematikunterricht kann beispielsweise mit der Methode „Scaffolding“ gefördert werden. Dies ist ein Angebot sprachlicher Gerüste, an welches sich die Schüler*innen orientieren können. Es wird zwischen „Macro-Scaffoling“ (von Lehrkraft gestützte Angebote) und „Micro-Scaffolding“ (Unterstützungsangebote in spontaner Interaktion mit der Lehrkraft oder unter den Kindern) unterschieden. Auch das WEGE-Konzept nach Verboom (2013) kann als Unterstützung dienen.

Im Folgenden zweiten Teil gehe ich auf die Faktoren zum schulischen Umgang mit Heterogenität ein, die den Schulalltag besonders prägen. Leistungsheterogenität ist ein Beispiel für einen bedeutsamen Aspekt in der Schule. „Leistungsbedingte Heterogenität meint im Lernprozess z.B. Unterschiede in Geschwindigkeit, Fähigkeit oder Bereitschaft und im Abschluss abweichende Ergebnisse.“ (Wenning 2007, S. 25) Bedingungen, wie beispielsweise das Niveau der Bildungsaspiration der Eltern oder aber auch schulische Bedingungen haben Einfluss auf die Leistung der Schüler*innen. Vor allem kommt es aber auf die Haltung der Lehrkraft an und zudem sind alle am Unterrichtsprozess Beteiligten gemeinsam entscheidend für den Einfluss der Leistung. (vgl. Zierer 2015, S. 25) Zentrale Aufgaben von Lehrkräften sind es Leistungen wahrzunehmen, rückzumelden und zu beurteilen. Beim Wahrnehmen der Leistungen spielt das intersubjektive Situationsverständnis eine zentrale Rolle. (vgl. Krammer 2017, S. 114) Außerdem muss das Lernen beobachtet und analysiert werden, indem Informationen über die individuellen Lernstände gegeben, über Ausgangslagen, aktuelle Einzelleistungen, Strategien, Lernentwicklungen und nächsten Schritte begründet werden. (vgl. Haug/Helmerich 2017, S. 18) Um Leistung rückzumelden, ist das „Effektive Feedback“ eine Methode und gleichzeitig eine wichtige Aufgabe für den Lernerfolg. (vgl. Hattie 2009;Hattie&Timperley, 2007) Beim Leistungen beurteilen gibt es nach Heinzel (2009) die Entwicklungsfunktion (kontinuierlich) und die Steuerungsfunktion (punktuell).

Im letzten Abschnitt nenne ich zwei erziehungswissenschaftliche Fragestellungen aus der Ringvorlesung, zu denen ich gerne in meinem weiteren Studium mehr erfahren würde. Weiter beschäftigen würde ich mich zum einen gerne mit dem sprachsensiblen Mathematikunterricht, da ich selbst Mathe studiere und auch Sprache in mehreren Zusammenhängen in der Grundschule auftaucht. Zum anderen interessiert mich das Thema Leistungsheterogenität, daher möchte ich mich im weiteren Verlauf des Studiums damit beschäftigen. Leistungen wahrnehmen, rückmelden und beurteilen sind zentrale Aufgaben für meinen späteren Beruf als Lehrkraft.

Danke, dass ich viele spannende und erkenntnisreiche neuen Vorlesungsinhalte kennenlernen konnte, die zum Nachdenken und zur Weiterarbeit anregen. 

 

Literatur

Gomolla, Mechthild/ Fürstenau, Sara 2009: Migration und schulischer Wandel: Unterricht. VS Verlag.

Haug/Helmerich (2017): „Ich weiß nicht, wie es weitergeht“ – Anregungen aus der Praxis für eine individuelle Lernbegleitung. In: Die Grundschulzeitschrift: , Nr. 305/Oktober 2017, S. 7-12.

Heinze, A., Herwartz-Emden, L. & Reiss, K. (2007). Mathematikkenntnisse und sprachliche Kompetenz bei Kindern mit Migrationshintergrund zu Beginn der Grundschulzeit. Zeitschrift für Pädagogik 53, 4, 562-581.

Heinzel, F. (2009): Tradierte Formen der Leistungsbeurteilung. In: Bartnitzky, H., Brügelmann, H., Hecker, U., Heinzel, F., Schönknecht, G. & Speck-Hamdam, A. (Hrsg.) (2009). Kursbuch Grundschule. Frankfurt a. M.: Grundschulverband – Arbeitskreis Grundschule. S. 222-233

Krammer, K. (2017): Die Bedeutung der Lernbegleitung im Kindergarten und am Anfang der Grundschule. In: Schuler, Stephanie; Streit, Christine; Wittmann, Gerald (Hrsg.): Perspektiven Mathematischer Bildung im Übergang vom Kindergarten zur Grundschule. Wiesbaden: Springer Spektrum, S. 107-124

Krummheuer, G. (1997). Narrativität und Lernen. Mikrosoziologische Studien zur sozialen Konstitution schulischen Lernens. Weinheim: Beltz.

Philipp, Maik (2011a): Lesen und Geschlecht 2.0. Fünf empirisch beobachtbare Achsen der Differenz neu betrachtet. In: leseforum.ch 01/11.

Schuchardt, K., Piekny, J., Grube, D. & Mähler, C. (2014). Einfluss kognitiver Merkmale und häuslicher Umgebung auf die Entwicklung numerischer Kompetenzen im Vorschulalter. Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie, 46 (1), 24-34

Verboom, L. (2013). Sprachförderung im Fach mit Plan. Das WEGE-Konzept am Beispiel „Orientierung auf der Hundertertafel“. Grundschule Mathematik, H. 39, 16-19

Wenning, Norbert (1999): Vereinheitlichung und Differenzierung. Zu den „wirklichen“ gesellschaftlichen Funktionen des Bildungswesens im Umgang mit Gleichheit und Verschiedenheit. Opladen

Wenning, N. (2007): Heterogenität als Dilemma für Bildungseinrichtungen. In: Boller, S./Rosowski, E./Str

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