Im Bereich der Hafenpolitik gibt es in Deutschland eine deutliche Zielsetzung: mehr nationale Kooperation. Mit der Aussicht, die Einflussnahme des Bundes bei der Hafenentwicklung zu stärken wurde am 17.06.2009 das nationale Hafenkonzept als politisches Grundsatzpapier verabschiedet (Krämer 2015, 100f.). Doch was bedeutet dieses theoretische Einvernehmen der Bundesländer für mehr länderübergreifende Kooperation in der Praxis? Bisher beschränkt sich das Ausmaß der deutschlandweiten Kooperation auf ein Mindestmaß und findet häufig im Bereich des Hafenmarketings statt, wo mit geringem Ressourcenaufwand eine verhältnismäßig hohe Außenwirkung erzielt wird (Krämer 2015, 104). Im Fokus stehen dafür oft die regionalwirtschaftlichen Partikularinteressen, welche einer Zusammenarbeit erschwerend im Weg stehen. Dadurch bleibt die langfristige Hafenplanung zumeist Sache der jeweiligen Region.
Das bremische Konzept und Bremerhaven als Zentrum für erneuerbare Energie
Mit dem „Bremer Hafenkonzept 2020/2025“ wurde vom Senat für Wirtschaft, Arbeit und Häfen am 13.11.2014 für Bremen ein regionaler Zukunftsplan mit Fokus auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit entworfen (Bremenports 2014b, 5). Besonders im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit beinhaltet das Konzept viele neue Projekte, vor allem aber einen vielversprechenden Fokus auf Offshore Windenergieanlagen (OWEA) als nachhaltige Form der Energiegewinnung. Hierfür sollte in Bremerhaven ein eigener Offshore-Terminal als das „wichtigste Investitionsprojekt der kommenden Jahre“ (Bremenports 2014b, 47) errichtet werden, an dem Komponenten für Windenergieanlagen umgeschlagen werden. Mit der Realisierung dieses Projekts versprach sich die Stadt Bremen neben wirtschaftlichen Vorteilen zusätzlich einen nennenswerten Beitrag an der Erreichung der nationalen Nachhaltigkeitsziele (Bremenports 2014b, 47).
Im Energiewende-Plan der Bundesregierung wird bis 2035 angestrebt, den Anteil des umweltfreundlichen Stroms auf 60% des Gesamtstroms zu erhöhen. Deutschlandweit sollen im Sektor der Offshore-Windenergie bis 2030 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden und der Energiegewinn im Vergleich zu 2020 mehr als verdoppelt (auf 15.000MW/Jahr) werden (Bremenports 2014b, 13). Auf dem Papier scheint diesem Konzept nichts im Wege zu stehen: Bremerhaven hat sich über die letzten Jahre zu einem europäischen Zentrum für Offshore-Windenergie entwickelt, wodurch viele Unternehmen dort ansässig wurden. Zudem kann durch die direkte Küstenlage von dort sowohl der Umschlag von Komponenten als auch die Installation der Anlagen organisiert werden, wodurch Logistikkosten und transportbedingte Umweltbeeinträchtigungen verhältnismäßig gering sind (Bremenports 2014b, 47f.).
Was waren die Gründe für das Scheitern des Projekts?
Wie so oft besteht die Kunst in der Ummünzung einer Idee von der Theorie in die Praxis und vorwegnehmend ist festzustellen: bis heute ist in Bremerhaven nichts von einem neugebautem Offshore-Terminal zu sehen.
Aktuell werden Teile des Container- und des Automobilterminals als Übergangslösung für den Umschlag von OWEA-Komponenten zweckentfremdet. Diese waren jedoch bereits bei der Vorstellung des Hafenkonzepts in 2014 an ihren Kapazitätsgrenzen und eigentlich nur Platzhalter für den geplanten Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB). Eine verspätete oder gar nicht geschehende Inbetriebnahme des OTB blockiert diese Hafenareale weiter und beeinträchtigt potentielle Investitionen (Bremenports 2014a, 13).
Deshalb stellt sich die Frage: woran ist es bisher gescheitert?
In diesem Fall lässt sich das deutlich festmachen: der Neubau sollte auf einem Gebiet stattfinden, welches nach der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie des WWF als Schutzgebiet eingestuft ist und somit nur durch „zwingende Gründe des öffentlichen Interesses“ (Hinrichs 2019) beeinträchtigt werden darf. Auf dieser Grundlage hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Klage gegen die Projektplanung eingereicht, weshalb sich das Land Bremen vor Gericht verantworten musste. Um das Projekt weiterführen zu können, musste dargestellt werden, dass der Bau des OTB von überragendem öffentlichem Interesse ist und somit auf dem Schutzgebiet errichtet werden darf (Hinrichs 2019). Gründe, wie die direkte Anbindung an das Fahrwasser, die räumliche Nähe zu den Produzenten und die hohe Wettbewerbsfähigkeit durch kurze Logistikketten waren die Argumentationsgrundlage des Landes Bremen in diesem Prozess (Bremenports 2013, 12). Da diese Gründe zwar alle wirtschaftlich legitim sind, aber kein überragendes Interesse suggerieren, hielten sie der Prüfung vor Gericht nicht stand – das Projekt OTB wurde auf Eis gelegt.
Dennoch hielt der ehemalige Senator Martin Günthner weiter am Standort fest, denn mögliche Standortalternativen sind nur mit elementaren Nachteilen, wie kosten- und zeitintensiven Baumaßnahmen oder der Einschränkung des Fischereihafens realisierbar (Bremenports 2013, 23f.). Unklar ist aber, ob es jemals zur Errichtung des Terminals (auf dem geplanten Gebiet) kommen wird. Bisher ist es dem Land Bremen nicht gelungen, entsprechende Gründe vorzulegen und solange dies nicht geschieht, steht die Umsetzung des Flaggschiffprojekts aus dem Bremer Hafenkonzept 2020/2025 in den Sternen.
Wie könnte nationale Kooperation helfen?
Abschließend wirft die Betrachtung dieses beispielhaften Projekts wieder die Frage nach nationaler Hafenkooperation bzw. einem nationalem Hafenkonzept auf. Mithilfe einer überregionalen Organisation könnte es in solchen Fällen möglich sein, Alternativen auszuarbeiten und zu subventionieren, um gemeinsam den Ausbau von alternativer Energiegewinnung zu fördern. Durch den küstennahen Standort bietet sich Bremerhaven für die Errichtung eines Offshore-Terminals an. Mithilfe von nationaler Kooperation könnte der wirtschaftliche und logistische Druck in der Region aber zusätzlich gesenkt werden, sodass am Ende nicht Umweltschutz gegen erneuerbare Energien im Wettbewerb stehen, sondern beide in ein nationales Hafenkonzept einfließen. Bei der Planung wird so die Relevanz genommen, dass sich das Projekt für die Region wirtschaftliche rentiert und ein pragmatischer Fokus auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit kann deutschlandweit realisiert werden. Dadurch können regionale Projekte einfacher und nachhaltiger umgesetzt werden.
Im Feld der Hafenpolitik könnte so ein Zeichen für eine glaubwürdig nachhaltige Zukunftsausrichtung gesetzt werden, wodurch auch das Erreichen der nationalen Klimaziele ein Stück näher rückt.
Literatur:
- Bremenports GmbH & Co. KG (2013): Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) Planrechtfertigung/ Alternativenprüfung
- Bremenports GmbH & Co. KG (2014a): 2013 Nachhaltigkeitsbericht für die bremenports GmbH & Co. KG und das Sondervermögen Hafen und das sonstige Sondervermögen Fischereihafen (Wasserseite). Abrufbar unter: https://bremenports.de/wp-content/uploads/2017/03/2013_GRI-Nachhaltigsbericht_2012.pdf
- Bremenports GmbH & Co. KG (2014b): Fortschritt. Richtung. Zukunft. Hafenkonzept 2020/2025 Bremen/Bremerhaven. Abrufbar unter: https://zukunft.bremen.de/wp-content/uploads/2017/09/hafenkonzept-2020-25.pdf
- Hinrichs, Jürgen: Offshore-Terminal Bremerhaven darf vorerst nicht gebaut werden. In: Weserkurier, 07.02.2019.
- Krämer, Ivan (2015): Hafenpolitik mit Fokus auf Kooperation. In: HANSA International Maritime Journal. 2015 Nr.9, S.100-104.
Danke für den Beitrag. Die Verknüpfung von Offshore Windenergie und Hafenkooperation ist auf jeden Fall eine originelle Perspektive auf das Thema. Was wären die Anreize für Niedersachsen, sich am OTB zu beteiligen?
Gibt es in den vergangenen Jahren nicht auch zunehmende Schwierigkeiten in der Branche, die das OTB evt. aus einer ökonomischen Perspektive ins Wanken bringen? Hier haben sich auf jeden Fall die Nordländer gegenüber dem Bund immer Stark für eine Windenergie-freundliche Regelungen gemacht. Weiß jemand mehr dazu?